Kösching
Spenden und Sammelaktionen schon in den 30er-Jahren

Serie: Köschinger Schüler im Krieg, Teil 2

02.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:42 Uhr
Friedrich Lenhardt

Allerlei fürs Winterhilfswerk: Die Zeichnung von Hermann Schneider (1920–1940) zeugt von der Vielfalt der Sammlung. Der Köschinger trat 1940 in ein Gebirgsjägerbataillon ein und starb im Kaukasus, „gefallen für Großdeutschland“, wie auf dem Retourenbrief seines Vaters stand. Foto: Archiv Kösching, Lenhardt

In der Friedenszeit institutionalisierte der NS-Staat das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“ (WHW) das Sach- und Geldspenden sammelte und damit bedürftige Volksgenossen unterstützte. Durch das Winterhilfswerk konnte das NS-Regime die materielle Not von Teilen der Bevölkerung lindern und zur inneren Stabilisierung beitragen. Zugleich zielte die Spendensammlung auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der „Volksgemeinschaft“ ab. Die Durchführung der Sammlungen lag bei der der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV). Die stützte sich auf berufene Amtsträger der Partei. Das gelang hier umso leichter, als in Kösching der zuständige Amtsträger der Schulleiter war. Er hatte auch die Abrechnung beim Bürgermeister vorzulegen.

Spendenbüchsen standen in den Klassenzimmern

So standen zunächst in allen Klassenzimmern Spendenbüchsen. Aber ab Winter 1933 hatten sich die Schüler sebst nach ministerieller Vorschrift für Straßensammlung zur Verfügung zu stellen. In der Notzeit der Depression hatte das Recht zur Straßensammlung allein der Caritas zugestanden. Die WHW-Sammlungen wurden zur vielerorts als belästigend empfundenen Dauereinrichtung. Als Belohnung aber auch zur Kontrolle der Teilnahme wurden Erinnerungszeichen vergeben, die Schulchronik zählte 1933 auf: „Schneerosen, Glasplaketten u. v. a. Kornblumen, Narziß und Palm“.
1935 beteiligte sich die Schule zusätzlich am „Mutterhilfswerk des deutschen Volkes“. In allen Klassenzimmern wurden „Opferaltäre“ errichtet. Ein dritter Dauerspendenaufruf betraf Schulsammlung für den „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ (VdA), wo wiedrum ein Lehrer als Amtsträger fungierte. 1937 erbrachte die VdA-Sammlung durch die Schulpflichtigen den Betrag von 25,27 RM, 1940 ergab die VdA-Schulsammlung sogar 190.- RM., denn es wurden 190 Serien zu je 5 Stck. Bildkarten verkauft. Die Volksschule Kösching erhielt vom Volksbund als Anerkennung für den „volksdeutschen Einsatz im Kriegsjahr 1940“ eine Urkunde überreicht. Sämtliche Schüler waren an diesem „volksdeutschen Kameradschaftsopfer“ beteiligt.

Zeitbedingt kam die Sammlung für Kriegsgräber hinzu. 1941: „Die Schüler opferten für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge dem Bezirksverband Oberbayern, Kreisgemeinschaft Ingolstadt RM. 40.03 d. i. bei 387 Schülern pro Kopf 0, 103 RM“ rechnete Rektor Kröner aus. Der Obmann, städtischer Archivrat Kuhn, schrieb anlässlich der Überweisung der 40.03 RM: „Ganz besonderen Dank und volle Anerkennung“. Das WHW bestand in der Kriegszeit fort, nur dass jetzt WHW-Spendenmarkenhefte „Der Führer in Polen“ verkauft wurden.

In Hinblick auf den Krieg mobilisierte der Staat seine Reserven. 1938 sprach der Bürgermeister im Heidlsaal zur Jugend über die Sauberhaltung der Straßen und Höfe und das Sammeln von Altmetallen. Anwesend waren alle Lehrkräfte und HJ-Führer und 280 Schüler und Schülerinnen. Unter dieser Vorgabe säuberten die Knaben des 5. bis 8. Jahrganges einige Straßenzüge vom Altmaterial (Eisen, Papier, Knochen, Blechbüchsen usf.) von 14 bis 16 Uhr. Die WHW-Sammlungen wurden fortgesetzt. 1939 sollten vor allem Spielsachen übergeben werden.

Schüler tragen Altstoffe wie Papier zusammen

Das Sammeln von Altstoffen wurde zur Aufgabe der Knabenschüler. 1937, als solche Aktionen zum ersten Mal durchgeführt wurden, hatten sich die örtliche SA und das „Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps“ (NSKK) beteiligt. Ab April 1940 wurde dies der Schule übertragen. Schulleiter Kröner zählte auf: „Sie sammelt während der Kriegsdauer Altstoffe: Papier, Lumpen, Korke, Eisen, Blei, Zinn, Messing, Kupfer, Nickel, Stanniol“. Eine Sonderaktion lief zum „Geburtstag des Führers“. Die Volksschule Kösching spendete zusätzliche 4,3 kg Messing, 5,3 kg Blei, 3,6 kg Zinn u. 0,1 kg Nickel, worüber eine Urkunde und ein Beleg ausgestellt wurden. Die gerahmte Urkunde kam ins Schulleiter-Klasszimmer, wie Rektor Kröner notierte.

Im Verlauf des Krieges intensivierte die Partei die Bemühungen um den Rohstoffmangel auszugleichen und es gab Geld: „Schulsammlung f. Altmaterialien: April 1940: Altpapier 121 kg./1.21 RM; Eisen 60 kg./0.60 RM; Guß 28 kg./0.56 RM; Stanniol 7 kg./1.05 RM; Tuben 8 kg./0.40 RM; Korken 0,1 kg./ - Erlös 3.82 RM
Sept. 1940: Altpapier 600 kg./4.80 RM; Stanniol 5 kg./ 0.75 RM; Erlös 5.55 RM
März 1941: Knochen 20 kg./0.25 RM; Lumpen 25 kg./1.25 RM; Papier 35kg./0.35 RM; Buntmetalle 10 kg./1.50 RM; Schrott 415 kg./ 3.80 RM; Stanniol 1,5 kg./0.20 RM; Erlös 7.35 RM.“ 1941 führte die Schule eine Flaschensammlung für die Wehrmacht durch, Ergebnis über 2200 Flaschen. 1942 lieferte die Schule 45 kg Lumpen für die Spinnstoffsammlung ab.

Heilkräuter sammeln und selbst trocknen

Im Juli 1940 sammelten die Mädchen der Oberklasse Tee- und Heilkräuter, die auf dem Schulboden getrocknet und in Ingolstadt abgeliefert wurden. Sammelergebnis: Zinnkraut 32,5 kg; Himbeerblätter 25,875 kg; Löwenzahnblätter 1,5 kg; Haselnußblätter 1,5 kg; Brennesselblätter 5,0 kg; alles Trockenware. Als Gesamtergebnis der Teesammelaktion im Sommer 1940 vermerkte der Schulleiter:
1. Zinnkraut, trocken 51,750 kg. 2. Himbeerblätter 25,8753. Brennesselblätter 5,0. 4. Haselnußblätter 1,5. 5. Löwenzahnblätter 1,5.Gesamt 85,625 kg Rohdrogen. Anlässlich der Aktion 1941 überreichte die „Reichsarbeitsgemeinschaft für Heilpflanzenkunde und Heilpflanzenbeschaffung“ (RfH) der Schule in Kösching eine Urkunde als Anerkennung für hervorragenden Einsatz. Es unterzeichnete der Gauleiter von Franken Julius Streicher.

Urkunden und Geld für besonders gute Leistungen

Die Heilkräuterernte wurde 1942 gegen Bezahlung abgeliefert. Die Schüler der Oberklassen beteiligten sich unter Führung ihres Rektors an der Sanddornbeerenernte in den Großmehringer Donauauen; es wurden 95,170 kg Beeren geerntet und den Schülern RM 190.34 ausbezahlt. Durchschnitt je Schüler 0,704 kg. Dafür erhielt die Schule eine Urkunde für hervorragenden Einsatz bei der Heilkräuterernte. Vier Jungen und sechs Mädchen erhielten bei der Sanddornbeerenernte durch die Kreisleitung Urkunden. Für den Sommer 1943 wurde zum letzten Mal das Ergebnis der Heilkräutersammlung notiert: Brennnesselkraut, getrocknet 40,150 kg, Himbeerblätter 28,900 kg; Haselnußblätter 12,200 kg; Zinnkraut 53,800 kg; Löwenzahnblätter 2,400 kg; Gänsefingerkraut 10,800 kg.

Kurios war die Aktion zu Weihnachten 1940: „Die Schüler bringen neue und zerbrochene Schallplatten, die an die Kreisbildstelle für Betreuung der Wehrmacht abgeliefert wurden. 14 kg. Ganze Platten, 8 gebrochene und eine Schachtel voll Teile.“ 1942 wurden 217 kg Rosskastanien für die Wildfütterung sowie Rinderschweifhaare für die Wehrmacht (Bürsten, Pinsel) und 165 g Apfelkerne u. 90 g Birnenkerne gesammelt. Zuletzt standen sie im Kampf gegen die Feindpropaganda: „1942. 16. 10. Heute ½ 8 Uhr - feindliche Flugblätter fallen über Kösching – Oberklassen zum Sammeln eingesetzt.“