Wird in Ingolstadt bereits genügend dafür getan, dass das reichhaltige Kulturangebot der Stadt für jeden zugänglich wird? Der SPD-Stadtrat Quirin Witty (Foto) würde diese Frage verneinen. Besonders bei Schülern würden noch nicht genug Brücken errichtet zu Museen, Theater und Orchester. Witty spricht hier aus seiner eigenen Erfahrung, die noch nicht so lange zurückliegt. Der Ingenieur, der gerade sein Studium abgeschlossen hat, ist 26 Jahre alt, seine Schulzeit liegt noch nicht lange zurück.
Witty setzt sich daher für die Einführung des sogenannten Kulturrucksacks in Ingolstadt ein, basierend auf einem erfolgreichen Modell aus Nürnberg (s. Kasten).
Der Kulturrucksack umfasst den Besuch verschiedener Kulturinstitutionen, etwa Theater, Konzerte und Museen, darunter auch Proben. Ergänzend dazu beinhaltet er pädagogische Angebote kultureller Einrichtungen direkt in den Schulen. „Künstler besuchen die Schulen und bieten dort kulturpädagogische Programme an“, erklärt Witty.
Finanziert werden soll das Projekt durch Sponsoren aus der Wirtschaft sowie durch die Stadt und einen kleinen Eigenanteil der Schülerinnen und Schüler. Die Schulen erhalten den Kulturrucksack, und die Lehrkräfte können daraus Programme zusammenstellen, die sie in den Unterricht integrieren, etwa im Deutsch-, Kunst- oder Musikunterricht.
Witty hat dieses Konzept bereits in der Vergangenheit vorgeschlagen. Die Stadtverwaltung verwies jedoch darauf, dass die Kulturinstitutionen in Ingolstadt bereits viele Angebote hätten und ein zusätzliches Programm nicht notwendig sei. „Aus meiner Sicht ist es kein zusätzliches Angebot, sondern ein übergeordnetes Paket zur Kulturvermittlung, das es einfach braucht“, entgegnet Witty.
Er betont, dass zwar die Kulturvermittlung am Stadttheater hervorragend laufe – er selbst sei während seiner Schulzeit mehrfach im Theater gewesen –, jedoch habe er nie mit der Schule ein Konzert oder ein Museum besucht. Daher plädiert er für die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle, die als Ansprechpartner für die Lehrkräfte dient, die Angebote aller Kultureinrichtungen der Stadt koordiniert und in den Schulen bekannt macht. „Es macht meines Erachtens nicht so viel Sinn, wenn jede Kultureinrichtung separat versucht, Werbung für die eigenen Angebote der Kulturvermittlung zu machen“, meint Witty. „Warum schaffen wir nicht eine Einheit, die das für alle übernimmt? So können wir Synergien nutzen.“
Aber besteht nicht die Gefahr, dass die Schulen das Angebot nicht nutzen? Witty verweist hier auf das Beispiel Nürnberg. Dort stiegen die Teilnehmerzahlen stetig an.
Witty schlägt vor, das Konzept gemeinsam mit den Schulen zu entwickeln. Sein Ziel ist es, die Akzeptanz und Begeisterung für die kulturellen Einrichtungen in der Bevölkerung zu steigern. „Wenn die Kinder beispielsweise einmal in einem Konzert waren und ihre Eindrücke an die Eltern und Großeltern weitergeben, wächst generationenübergreifend die Begeisterung für das reiche kulturelle Angebot in Ingolstadt“, ist sich Witty sicher.
Er weist zudem darauf hin, dass das Publikum in den großen Kulturinstitutionen eher älter sei. Frühzeitige kulturelle Bildung könne dem entgegenwirken. „Wer kommt auf die Idee, wenn er noch nie Berührung mit klassischer Musik hatte, irgendwann mal ins Konzert zu gehen?“, sagt er.
Witty hat bereits das Gespräch mit Ingolstadts Kulturreferent Marc Grandmontagne gesucht, der von der Idee angetan sei. Mitte Oktober soll ein Austausch stattfinden, um zu besprechen, wie das Angebot in Ingolstadt etabliert werden kann.
Angesichts der angespannten Haushaltslage stellt sich die Frage nach den Kosten. Witty glaubt jedoch, dass der Personalbedarf durch eine neue Struktur des bereits vorhandenen Personals in den Kulturinstitutionen gedeckt werden kann. „Vielleicht können wir sogar kostenneutral das Angebot verbessern, indem wir Synergien nutzen“, hofft er. „Man kann zunächst in kleinem Rahmen starten und das Konzept weiterentwickeln.“
Einen Zeitpunkt, wann im oft engen Schulalltag das Angebot besonders gut genutzt werden kann, hat Witty bereits im Blick: Kurz vor den Sommerferien, nach dem Notenschluss. Dann würde die Zeit oft mit Filmegucken vergeudet, weiß er aus eigener Erfahrung. Stattdessen könnten die Schülerinnen und Schüler das Kulturangebot der Stadt besser kennenlernen. Die vielen positiven Aspekte der Kulturvermittlung wie die Steigerung der Kreativität, der Sozialkompetenz sowie der sprachlichen Entwicklung sind bekannt. „Es ist mir ganz wichtig, dass die Akzeptanz und Begeisterung für die Kultur in Ingolstadt wächst, und das schafft man nur mit Angeboten für junge Menschen, die das weitertragen und so viel für ihr Leben mitnehmen“, betont Witty.
jsr
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