Konzertvorschau
Schnelle Finger, tiefgründige Töne

Pianistin Claire Huangci gastiert mit dem Geiger Marc Bouchkov am 20. März beim Konzertverein Ingolstadt

15.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:56 Uhr

Zwischen China, USA und Deutschland: Claire Huangci. Foto: Zahora

Ingolstadt – Die Pianistin Claire Huangci steht zwischen mehreren Kulturen. Sie wuchs in den USA auf, als Kind zweier chinesischer Wissenschaftler. Aber bereits mit 17 verließ sie das Land und begann in Hannover zu studieren. Inzwischen lebt sie in Frankfurt, hat im vergangenen Sommer eine kleine Tochter zur Welt gebracht und ist mit einem Deutschen liiert. Mit dem sie allerdings im Alltag englisch spricht. Wo gehört sie also hin, nach China, in die USA oder nach Deutschland?

Huangci war so klug, von jeder Kultur etwas Wichtiges mitzunehmen. Ihre Eltern prägte die chinesische Vorstellung von Disziplin. Als sie sechs Jahre alt war, schafften sie einen Flügel für ihre Kinder an. „Sie wollten, dass meine Schwester und ich ein Hobby haben. Aber in Wirklichkeit war das sehr ernst gemeint.“ Denn von nun an hatte Claire Huangci so gut wie keine Freizeit mehr. „Ich hatte wenig Spaß in meiner Kindheit“, erzählt sie. „Ich hatte kaum Gelegenheit, mit anderen Kindern zu spielen, weil ich jeden Tag sehr lange üben musste.“ Der Erfolg stellte sich schnell ein. Nach kurzer Zeit nahm sie schon an ersten Wettbewerben teil und mit 13 Jahren wurde sie Jungstudentin beim berühmten Curtis Institute of Music in Philadelphia. Dort studierte sie mit vier anderen Klavierschülern bei dem legendären Gary Graffman, übrigens zusammen mit Yuja Wang.

Als Huangci nach Deutschland kam, war das wie eine Erholung. Sie nahm allmählich etwas Abstand von den virtuosen Schlachtrössern, Rachmaninow, Liszt und Prokofjew, die sie in den USA studiert hatte, und wendete sich der eher tiefsinnigen deutschen Romantik zu. Und sie schloss Freundschaften. „Meine Zeit in Hannover war unglaublich freundlich und angenehm“, erzählt sie. „Alle waren sehr nett zu mir.“ Im Gegensatz zum Curtis Institute, wo vor allem Konkurrenz wichtig war. „Wer spielt am schnellsten, wer macht die wenigsten Fehler. Darum ging es.“

Die deutsche Sprache hatte für Huangci in den ersten Jahren kaum eine Bedeutung. „Die Deutschen sprechen so unheimlich gut Englisch“, sagt sie. Bis ungefähr 2015. Damals wurde ihr klar, dass sie ihr Leben in Deutschland verbringen möchte. „Ich fand das Kulturleben hier reicher und vielfältiger als in den USA.“ Also begann sie intensiv Deutsch zu lernen – nicht allerdings in einer Sprachschule, sondern mit Hilfe von Netflix und Talkshows. Heute beherrscht sie die deutsche Sprache hervorragend.

Auch künstlerisch hat sich Huangci weiterentwickelt. Bevor sie nach Deutschland kam, schwärmten der Pianist Wladimir Krainjew, bei dem sie einen Meisterkurs belegt hatte, dass wohl niemand auf der Welt so schnelle Finger habe wie sie. Wenn man diesen Rausch der rasenden Hände erleben will, sollte man Huangcis CD mit den Sonaten von Domenico Scarlatti auflegen – wohl kaum ein anderer Virtuose vermag mit solcher Schwerelosigkeit über die schwarz-weißen Tasten zu fliegen. Ein Ereignis!

Aber diese Seite ihres Könnens ist der 32-Jährigen inzwischen nicht mehr so wichtig. Mehr Wert legt sie auf intelligent konzipierte Konzertprogramme. Und auf eine sorgfältig austarierte Klanggestaltung. In den vergangenen Jahren hat sie etliche hervorragende CD-Einspielungen vorgelegt – unter anderem ein Mendelssohn-Album, zusammen mit dem Geiger Marc Bouchkov. Mit ihm zusammen wird sie auch Werke aus dieser CD beim Konzertverein Ingolstadt vorstellen.

Aber was ist eigentlich die größte Herausforderung eines Konzertabends? Claire Huangci muss einen Moment nachdenken. Dann spricht sie über Lampenfieber (das sie kaum kennt), von der Disziplin, regelmäßig zu üben und viel zu schlafen. Und schließlich davon, nie zu langweilen. „Mein Lehrer hat einmal gesagt, wenn ein Klang drei Sekunden gleich ist, dann ist das schon zu lang. Damals kam mir das übertrieben vor. Heute weiß ich, dass er recht hat, man muss immer variieren und dabei doch das ganze Werk im Blick haben.“ Vielleicht liegt es ja an dieser Erkenntnis, dass Claire Huangci in der Fachwelt längst zu der mitunter talentiertesten Pianistin ihrer Generation gezählt wird.

DK


Claire Huangci und der Geiger Marc Bouchkov gastieren am 20. März, 20 Uhr, beim Konzertverein im Ingolstädter Festsaal. Auf dem Programm stehen Werke von Mendelssohn, Beethoven und Debussy. Kartentelefon: (0151) 51600800.