Architekten legen Entwurf vor
Neues Kleines Haus in Ingolstadt: Jetzt kommt Plan B

Theater und Konzertsaal in einstigem Eisenbahnausbesserungswerk?

23.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:32 Uhr

Sie nehmen die historischen Hallen am Hauptbahnhof in den Fokus: Gabriel Hägel, Klaus Staffel und Joachim Hägel (v.l.) am Montag im Büro der Architekten. Die Hägels haben bereits erste Entwürfe für ein Kulturzentrum ausgearbeitet. Foto: Silvester

Von Christian Silvester

Ingolstadt – Ein neues Theater für Ingolstadt? Könnte schwierig werden. Überall Probleme, Bedenken, bedrohte Parkplätze oder Bäume, die im Weg stehen; weithin politisch vermintes Terrain. Und doch reift ein Plan.



Nachdem beim Bürgerentscheid am 24. Juli 60 Prozent der Ingolstädter Wählerinnen und Wähler die Pläne für das neue Kleine Haus des Theaters (Kammerspiele) vom Reißbrett gefegt haben, mutet die Suche nach einem Alternativstandort wie eine schier unlösbare Aufgabe an. Zumindest in der Ingolstädter Kernstadt.

Ein Ort, der sieben Wünsche erfüllt



Klaus Staffel, Schanzer seit 1991, ein kulturell interessierter und engagierter Ruheständler, hat ein Interview mit Christian Scharpf ausgeschnitten, das am 30. Juli im DK erschienen ist. Darin zählt der OB auf, was ein Bauplatz für das neue Theater alles an Voraussetzungen erfüllen müsse, um mehrheitsfähig zu sein. Staffel fasst zusammen: „Es darf kein Baum gefällt werden. Es darf nichts versiegelt werden. Der Standort darf nicht im zweiten Grünring liegen. Es dürfen keine Parkplätze wegfallen. Es sollte keine benachbarte Wohnbebauung vorhanden sein. Das Grundstück sollte möglichst in städtischem Eigentum sein und das Herrichten sollte möglichst wenig kosten.“

Das sind ja sieben Wünsche auf ein Mal! Doch es gebe einen Ort in Ingolstadt, der alle Bedingungen erfülle, sagt Staffel: das ehemalige Ausbesserungswerk der Reichsbahn und später der Bundesbahn am Hauptbahnhof. Ein riesiges, seit Jahrzehnten leer stehendes Hallenensemble.

Charmantes Industrieambiente



3800 Quadratmeter allein im Parterre, zwei Obergeschosse on top. Errichtet in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Es diente zunächst als Lazarett. Das Ausbesserungswerk war lange der größte Arbeitgeber Ingolstadts. 1966 wurde es zugesperrt. Die Immobilie gehört der Stadt. Heute lagert die IFG darin Verkehrszeichen, Pflastersteine und anderes Material. Raum steht reichlich zur Verfügung. Staffel: „Alles, was man für eine Ersatzspielstätte benötigt – da isses!“ Inklusive Anschlüsse für Wasser und Toiletten. Das einstige Wartungswerk besitze „einen gewissen Charme“, findet er. Das Industrieambiente stehe zudem für ein prägendes Kapitel der Ingolstädter Heimatgeschichte: die Stadt der Eisenbahner.

Klassik-Fan Staffel hat schon 2020 den Vorschlag präsentiert, eine der leeren Hallen zu einem Konzertsaal umzubauen, „der auch wirklich nur ein Konzertsaal ist und dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt zur Verfügung steht“. So etwas gebe es in Ingolstadt nicht. Leider habe er auf seine Initiative, die auch groß im DK erschien, „null Komma null Resonanz erhalten“. Dennoch lässt Staffel nicht locker. Er hat sein Gedankengebäude erweitert: zum Theater. Er weiß, dass Ingolstadt mit einer Bespielung der alten Hallen keine Kulturstätte zum Angeben erhalten würde, sondern einen Ersatzspielort für die Zeit der Sanierung des Stadttheaters – „aber auf hohem Niveau“. Alles schön zu sanieren und gut auszustatten, „wird sicher keine 45 Millionen Euro kosten“; die spätere Nutzung als Kleines Haus des Theaters sei natürlich möglich.

Raumprogramm übertragen



Plan B liegt vor. Angefertigt von den Ingolstädter Architekten Joachim Hägel und Gabriel Hägel, Vater und Sohn. Sie sind zu Werke geschritten, weil sie eine Diskussion anstoßen und der „vermeintlichen Alternativlosigkeit“ etwas entgegensetzen wollen, so Gabriel Hägel. „Alternativen zum Standort der Kammerspiele an der Schutterstraße sind ja nie ernsthaft diskutiert worden.“ Die Hägels haben das Raumprogramm des Siegerentwurfs auf die Hallen am Hauptbahnhof übertragen und festgestellt: „Es geht!“ Alles, was für einen Konzertsaal (ca. 400 Plätze wären ihrer Planung nach möglich) sowie eine Theaterspielstätte mit 500 Plätzen nötig wäre, würde perfekt hineinpassen: Foyer, Garderobe, Ausschank, Maske und weitere Funktionsräume. Wie gesagt: Es handle sich um vier Hallen mit zwei Obergeschossen. Auch für eine Probebühne sei ausreichend Platz. Plus eine geräumige Theaterwerkstatt. Die im Stadttheater war von Anfang an viel zu klein und sei längst eine Zumutung für das Personal, wie in der Debatte um die Kammerspiele oft erwähnt wurde. Eine neue Werkstatt soll an den Hämer-Bau angefügt werden. Oder eher „hingeklatscht“, wie Gabriel Hägel die Pläne aus seiner Sicht beschreibt. Wieso keine dezentrale Lösung für die Werkstatt? Die Bühnenbauten müssten doch eh auf Laster verladen werden. In einigen Großstädten, etwa München, würden sich mehrere Theater eine Werkstatt teilen, erzählt Joachim Hägel.

Das neue Kleine Haus sollte auch die Altstadt beleben. „Es muss aber nicht alles im Zentrum sein“, sagt Gabriel Hägel. Die Hallen am Hauptbahnhof könnten gar einen städtebaulichen Impuls auslösen, findet Staffel. „Eine Initialzündung“ für die Entstehung eines weiteren Zentrums in der wachsenden Großstadt. „Kultur ist nicht das Schlechteste, um als Kern dafür zu dienen.“ Für ihn „gibt es keinen sachlichen Grund dafür, warum die Ersatzspielstätte unbedingt in der Innenstadt entstehen muss. Wieso tut man sie nicht dorthin, wo die Leute sind?“ Im Süden der Stadt. Vater und Sohn Hägel erinnern daran, dass in München der Gasteig oder die Isarphilharmonie (die Ersatzspielstätte für die Zeit der Gasteig-Sanierung) nicht in der Innenstadt liegen.

Ein Argument, das gegen ein Kulturzentrum am Ingolstädter Hauptbahnhof vorgebracht wird, ist Zuglärm. Dieser könnte Aufführungen und Konzerte stören. Auch hier verweist Hägel senior auf ein Münchner Beispiel: „Der Gasteig steht auf einem S-Bahn-Tunnel.“ Effektive Lärmdämmung sei baulich überhaupt kein Problem.