Auf der Mitgliederversammlung des FC Ingolstadt kommt es am 5. Dezember bei der Wahl des Präsidenten zur Kampfabstimmung: Ex-Profi Christian Träsch fordert Amtsinhaber Peter Jackwerth heraus. In unserem Doppel-Interview beziehen die beiden Kontrahenten vorab Stellung.
Herr Träsch, Sie sagten vor einigen Wochen, Sie hätten das Gefühl, dass der FC Ingolstadt ein bisschen stagniert. Warum?
Christian Träsch: Es gibt auf der einen Seite das Mitgliederwachstum, das stagniert. Die Verbundenheit zur Stadt war auch schon mal größer, die Identifikation der Ingolstädter Bevölkerung mit dem FCI kann man vorantreiben. Ich finde, dass Peter sehr, sehr viel getan hat in der Vergangenheit. Man muss ihm dankbar sein für das, was er geleistet hat für den FC Ingolstadt, für die Stadt, für die Region. Aber es gibt einfach so ein paar Punkte, wo wir das Gefühl haben, dass man frischen Wind reinbringen könnte.
Träsch: FC Ingolstadt muss mehr Fannähe zeigen
Welche sind das?
Träsch: Dass man die Transparenz vom Verein wieder mehr spürt. Dass der FCI mehr Fannähe zeigt, mehr Identifikationsfiguren im Team entwickelt. Mehr Informationen nach außen dringen. Ich finde, man erfährt viel zu wenig. Über die Stadtgrenzen hinaus macht man – oder machte man – in der Vergangenheit Schlagzeilen mit Trainerentlassungen.
Lesen Sie auch unseren aktuellen Kommentar zum FCI: Der Trend stimmt – FC Ingolstadt muss seinen Herbst jetzt vergolden
Also liegt es am (ausbleibenden) sportlichen Erfolg?
Träsch: Wenn die Mannschaft performt, dann kommen mehr Zuschauer ins Stadion, dann ist die Präsentation, die Berichterstattung natürlich eine größere. Aber die Tatsache ist momentan, dass man in der 3. Liga ist. Das will niemand.
Es geht ja nicht nur um das Profiteam, sondern auch ums Nachwuchsleistungszentrum oder ums Frauenteam.
Träsch: Die Frauenmannschaft ist ein guter Punkt. Ich habe die Entwicklung damals in Wolfsburg (Träsch spielte von 2011 bis 2017 für den VfL; d. Red.) mitbekommen, als die Frauenmannschaft relativ frisch gegründet worden war. Was für einen rasanten Aufstieg das Thema erlebt hat. Wir haben hier eine Zweitliga-Mannschaft, da können wir stolz drauf sein. Wir müssen für sie aber eine Heimat finden. Es kann nicht sein, dass die Frauen beim ESV trainieren, beim FC trainieren, beim FC spielen, beim MTV spielen. Da ist dieses Zugehörigkeitsgefühl nicht da. Es kann auch nicht sein, wenn zum Beispiel der HSV kommt, dass man am Audi-Sportpark spielt und es für Fans nichts zu essen oder zu trinken gibt.
Herr Jackwerth, können Sie Träschs Punkte nachvollziehen?
Peter Jackwerth: Dass wir stagnieren, kann ich so überhaupt nicht stehen lassen, das ist völliger Blödsinn. Das betrifft vielleicht die Erste Mannschaft, aber den Rest des Klubs definitiv nicht. Der Klub, so wie er jetzt dasteht, funktioniert – und er funktioniert gut. Wir haben das erfolgreichste Jahr aller Zeiten hinter uns, zumindest finanziell im e. V.; wir waren auch mit den NLZ-Teams erfolgreich (die U 19 und U 17 gehören wie das Profiteam zur GmbH; d. Red.). Das Einzige, was uns fehlt, ist der Zugang zu den Geldtöpfen der DFL. Ich glaube, wir hatten noch nie eine Phase in den letzten 15 oder 17 Jahren, wo wir so viele junge Spieler eingebaut hatten. Außerdem haben wir einen Haufen Beschäftigte.
Lesen Sie auch: FC Ingolstadt baut Führung im Nachwuchsleistungszentrum um
Die für den e.V. arbeiten?
Jackwerth: Wir sehen uns ausschließlich als weiterführendes Ausbildungsorgan für das NLZ beziehungsweise für die GmbH. Und was letztlich oben ankommt, sieht man zum Beispiel an Deniz Zeitler. Aber das sind ja derzeit acht oder neun Spieler, die schon bei uns in der U 17 oder U 19 gespielt haben. Zur Öffentlichkeitsarbeit können wir nur Recht geben. Aber wir hatten natürlich auch sehr, sehr viele Einschränkungen in dem Jahr.
Inwiefern?
Jackwerth: Ich glaube schon, dass wir über die normalen Medien, über Social Media, genügend Informationen streuen. Die Frage ist halt: Wer schaut da rein? Und die Fangemeinde ist in Ingolstadt nun mal nicht so groß, wie sie zum Beispiel beim FC Bayern ist. Die andere Geschichte ist, dass uns das in diesem Jahr natürlich extrem wehtat, dass wir einen Anbieter (die Consulting-Agentur Achtzig20; d. Red.) hatten, der für uns die elektronischen Medien bedient, der insolvent gegangen ist.
Und die Situation rund um die Frauenmannschaft?
Jackwerth: Wir spielen in der 2. Bundesliga, und wir sind auch stolz darauf, dass die Frauen in der 2. Bundesliga spielen. Die Mädels haben einen richtig guten Job gemacht, auch die Mädels, die das Ganze betreuen oder ehrenamtlich im Verein tätig sind. Und dann haben wir 100 oder 150 Zuschauer, das liegt ja nicht an der Leistung. Die Mädels haben ja guten Fußball gespielt. Wir verhandeln seit drei Jahren mit der Stadt über das ESV-Stadion, waren auch schon mal ziemlich weit. Das war aufgrund der Schulsituation aber erst einmal nicht möglich.
Was könnte man aktuell verbessern?
Jackwerth: Die Plätze wachsen nicht auf der Straße. Wenn die wachsen würden, würden wir sie pflanzen. Das Ganze kostet erst mal Geld. Du musst ein passendes Gelände finden. Ideal wäre die incampus-Seite (also in der Nähe des Verwaltungsgebäudes; d. Red.) gewesen, da sind extrem viele Gespräche gelaufen. Aber das ist eine Sache, die von Audi abhängig ist. Die Frauen im Stadion spielen zu lassen, ist für uns unmöglich. Wir diskutieren auch schon seit zwei Jahren, ob es bei den Spielen etwas zu trinken gibt oder nicht. Das Campo 04 (Restaurant im Verwaltungsgebäude des FCI; d. Red.) ist ja dort, wo es hingehört. Da gibt es sogar eine Treppe hinten hoch.
Was Jackwerth an Träschs Kandidatur stört
Wie gehen Sie mit der Kandidatur Träschs um?
Jackwerth: Ich habe an sich kein Problem damit. Es war die Art und Weise, die mich persönlich gestört hat. Es ist vorher nie miteinander gesprochen worden. Vor allem bei Leuten, die eine Vergangenheit im Klub haben, hätte ich schon erwartet, dass man sich vorher an einen Tisch setzt. Jetzt ist die Sache so, wie sie ist. Ich setze voraus, dass ich mündige Bürger als Mitglieder habe, die wissen, was sie tun. Wenn Träsch und Co. die Wahl gewinnen, werde ich gratulieren, wie es sich gehört. Aber so einen Verein zu übernehmen, der insgesamt 17 oder 18 Millionen Euro Umsatz macht in der GmbH und 1,5 oder 1,8 Millionen Euro im e.V., den zu übernehmen, ohne zu wissen, was dahintersteckt... (überlegt kurz). Ich bin 20 Jahre dabei und kapiere es immer noch nicht. (lacht)
Herr Träsch, wie argumentieren Sie für Ihre Bewerbung?
Träsch: Wir leben in einer Demokratie, da sind Wahlen das Normalste, was es gibt. Es hat schon viel gebracht, dass wir uns aufstellen haben lassen. Ich glaube, es sind mehr Mitgliedsanträge eingegangen. Es ist kein Pappenstiel, so einen Verein zu führen – da habe ich auch keine Erfahrung. Ich kann die sportliche Expertise geben. Ich kann euch sagen, wie spielt ein Verein, wie spielen die Jugendmannschaften, was fehlt vielleicht noch. Ich habe internationale Kontakte, auch nationale zum DFB, etwa zu Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Nach welchen Kriterien haben Sie Ihr Team für die Kandidatur ausgewählt?
Träsch: Nico Matheis ist in Ingolstadt ein Begriff, ein Jurist, der ist im Rechtssystem top. Franz Spitzauer, langjähriger Geschäftsführer Finanzen des FC Ingolstadt, weiß, wie das mit Finanzen und Sponsoring funktioniert. Stefan König, Ihr Ex-Chefredakteur, steht für die Kommunikation. Und Michael Gaßner, lange Jahre bei der Sparkasse im Vorstand, kennt sich ebenfalls mit dem Finanzwesen aus. Dazu kommt: Jeder von uns hat eine Verbundenheit zum FCI. Es würde nichts bringen, wenn da fünf Fußballer stehen würden. Es würde aber auch nichts bringen, wenn da fünf Finanz-Leute wären und die sportliche Expertise fehlt. Weil ich finde, die fehlt beim FC Ingolstadt.
Was halten Sie dem Argument Ihrer Kritiker entgegen, dass Sie „nur“ zwei Jahre hier gespielt haben?
Träsch: Ich habe den FC Ingolstadt immer verfolgt, weil ich komme aus dieser Stadt. Mir war klar, irgendwann komme ich nach Ingolstadt zurück. Ich liebe den Fußball. Deswegen stelle ich mich zweimal die Woche in der Kälte ins Training (beim Bezirksligisten FC Gerolfing; d. Red.) und laufe wie die anderen 20 Kicker dem Ball hinterher, weil ich dieses Spiel liebe.
Als Sie 2017 hier als Spieler anfingen, war ja ursprünglich angedacht, dass es nach Ihrer Karriere hier im Verein weitergehen soll.
Träsch: Ich hatte beim FCI einen Vertrag für die 2. Bundesliga, nicht für die 3. Liga. Ich wurde nach dem Abstieg 2019 nie gefragt, ob ich in der 3. Liga spielen will. Soweit kam es nicht. Mir wurde einfach gesagt: „Okay Christian, wir planen nicht mehr mit dir.“ Das war ein relativ kurzes Gespräch, zu Verhandlungen kam es nie.
Was FCI-Präsident Jackwerth sich vorwirft
War es ein Fehler, nicht noch einmal den intensiven Austausch mit Träsch zu suchen?
Jackwerth: Man muss da differenzieren. Das eine ist die sportliche Geschichte, die Entscheidung des Trainer und des Sportdirektors. Wir haben viel geredet über die Liebe zum Fußball, über Input für die U 19 und U 21. Das sind alles Sachen, die dürfen nicht bei uns auf der Agenda stehen. Wir sind das Präsidium des e. V.; wir müssen schauen, dass wir unser Vereinsleben intakt halten, finanzieren und zum Laufen kriegen. Alles andere macht die GmbH. Was ich mir ankreide, ist, Christian nach der Entscheidung nicht noch einmal angerufen zu haben. Weil ich es auch war, der vor Träschs Wechsel zu uns den Kontakt zu ihm hergestellt hatte.
Was würde ein neuerlicher Komplett-Umbruch im Falle des Nicht-Aufstiegs der Schanzer bedeuten?
Jackwerth: Wir haben extrem viele Mitarbeiter, die beschäftigt sind im sportlichen Bereich, im verwalterischen Bereich. Das fängt an bei den Reinigungskräften im Gebäude oder beim Sicherheitsdienst. Es wird Einschnitte geben müssen, je länger wir in der 3. Liga spielen, weil wir die einfach nicht mehr finanzieren können – so einfach ist es. Wir werden uns im NLZ nicht mehr Spieler leisten können, die wir finanzieren, weil wir sie von München oder Regensburg herfahren. Wir haben eine Lehrerin am NLZ, eine Psychologin, die für die Jungen zuständig ist, dass die auch abseits des Platzes weiter ausgebildet werden. Diese Leute müssen ja alle finanziert werden. Und wenn Sie das hochrechnen und wir einen Einschnitt haben – ich sage einfach mal von einem Drittel –, dann können Sie ja ausrechnen, was in jedem Bereich wegfällt. Und das tut mir persönlich mehr weh als der sportliche Erfolg, den wir derzeit nicht erreichen.
Sie haben ja gesagt, so einen Umbruch würden Sie nicht mehr unbedingt mitmachen wollen. Falls es dazu käme und Sie innerhalb Ihrer Legislaturperiode Ihr Amt niederlegen...
Jackwerth: ...dann würde es eine außerordentliche Mitgliederversammlung geben.
Wäre das ein mögliches Szenario, falls es mit dem Aufstieg nicht klappt?
Jackwerth: Ich habe in den vergangenen Wochen oft genug gesagt, ich mache den Weg auch morgen frei, oder ich hätte ihn schon vor drei Monaten freigemacht. Wenn jemand kommt, der mir nachhaltig sagen kann, ich führe das in deinem Sinn weiter. Der war noch nicht da.
Wird der FCI durch diese Kampfabstimmung gespalten?
Jackwerth: Wenn man so etwas gemeinschaftlich angeht, dann findet keine Spaltung statt. Es ist doch logisch, dass, so wie es jetzt läuft, eine Spaltung im Verein stattfindet. Es wird eine nicht geringe Anzahl geben, die für das Team Träsch sind. Und es wird eine nicht geringe Anzahl geben, die für das Team Jackwerth sind.
Haben Sie Angst, dass Ihr Ansehen bei einer Wahlniederlage leidet?
Jackwerth: Ich glaube, was da draußen (Stadion und Klubgelände; d. Red.) steht, ist doch Entwicklung genug. Und das bin ja nicht nur ich gewesen. Da waren Dutzende Leute beteiligt.
Träsch: Dass es verschiedene Lager gibt, sei mal dahingestellt. Wenn man die Wahl verliert, sollte man sagen: Das ist ein demokratischer Prozess. Man versucht die Leute, die für die andere Seite gestimmt haben, zu überzeugen und Perspektiven aufzuzeigen, dass sie dem Ganzen eine Chance geben.
Artikel kommentieren