„Sie san halt einfach krank“
Nach Brandanschlag auf Ingolstädter Tankstelle: Mann (23) muss in die Psychiatrie

11.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:20 Uhr

Direkt unter den Schläuchen dieser Zapfsäule hat der Beschuldigte ein hüfthohes Feuer gelegt. Foto: Müller

Weil der 23-Jährige infolge seiner psychischen Erkrankung schuldunfähig war, hat ihn das Ingolstädter Landgericht auch nicht wegen eines Brandstiftungsdeliktes verurteilt, sondern dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen.



Wollte er sich umbringen, als er versucht hat, die Zapfsäule einer Tankstelle an der Münchener Straße anzuzünden? „Sie san halt einfach krank“, sagte der Vorsitzende Richter Gerhard Reicherl zum Beschuldigten zu Beginn der Urteilsbegründung am Montag.

Lesen Sie dazu auch:
Unbekannter legt Feuer an Ingolstädter Tankstelle

Ein Rückblick: Montag, 20. September, des vergangenen Jahres, kurz nach Mitternacht. Die Tankstelle ist seit einer Dreiviertelstunde geschlossen. Im Kassenraum ist eine Mitarbeiterin noch mit der Abrechnung beschäftigt. Plötzlich klopft ein Passant an die Glasfassade und deutet auf ein Feuer neben der Zapfsäule mit der Nummer zwei.

Vorher habe sie von dem Feuer „gar nix mitbekommen“, erinnerte sich die 51-Jährige bei ihrer Befragung vor Gericht beim Prozessauftakt am vergangenen Mittwoch. Sie sei so erschrocken gewesen, dass sie einen „Blackout“ gehabt habe. Anders der Passant: Geistesgegenwärtig kippt er einen herumstehenden Wassereimer über das Feuer und ruft die Polizei.

Hüfthohes Feuer mit Papier entfacht

Daran, dass der Beschuldigte der Täter war, hatte das Gericht keinen Zweifel. Das hüfthohe Feuer hat er entfacht, indem er Papier unmittelbar unter die Schläuche der Zapfsäule gelegt und angezündet hat. Das ist auf den Bildern einer Überwachungskamera zu sehen. Darauf ist ebenfalls zu sehen, dass er vorher versucht hatte, zwischen den Zapfsäulen einen Molotowcocktail zu zünden: Allerdings hat er nicht Benzin, sondern schwer entflammbaren Diesel als Brandbeschleuniger verwendet, wie ein Brandsachverständiger des Bayerischen Landeskriminalamts festgestellt hat.

Staatsanwältin Sara Pöll attestierte dem 23-Jährigen deshalb auch, „stümperhaft vorgegangen“ zu sein, verwies aber gleichzeitig auf seine „erstaunliche Beharrlichkeit“, nachdem der erste Versuch fehlgeschlagen war. Ein Schaden ist nicht entstanden. Und selbst wenn die Zapfsäule zu brennen angefangen hätte, hätte ein Sicherungsventil verhindert, dass das Feuer auf die unterirdischen Kraftstofftanks übergreift, wie der Tankstellen-Pächter beim Prozessauftakt erklärt hat.

Beschuldigter leidet an paranoider Schizophrenie

Der Beschuldigte leidet an paranoider Schizophrenie. Bereits vor der Tat habe der 23-Jährige darüber geklagt, „einen sich bewegenden Computer-Chip in seinem Kopf“ zu spüren, und sei deshalb auch in stationärer Behandlung gewesen, berichtete der psychiatrische Sachverständige. Er bescheinigte dem Beschuldigten „eine massive Zerrüttung der Persönlichkeit“, weil sich die Krankheit bereits verfestigt habe.

Positiver fiel das Urteil des Oberarztes aus, der den Beschuldigten betreut, seit dieser im Februar dieses Jahres vorläufig in München-Haar untergebracht worden ist. Der 23-Jährige sei „ein freundlicher Patient mit wenigen Aussetzern“, lobte der Arzt. Anfangs habe dem jungen Mann die Einsicht in seine Krankheit gefehlt. Das habe sich nunmehr geändert, sodass bei stabiler Medikation an Lockerungen zu denken sei. Ein Problem sei die Sprachbarriere. Der Eritreer, der vor acht Jahren nach Deutschland gekommen sei, arbeite aber daran und habe einen Deutschkurs belegt, berichtete der Arzt.

Zum Motiv für die Zündelei an der Tankstelle habe sich sein Patient widersprüchlich geäußert. Dass er in seiner damaligen Unterkunft unzufrieden gewesen sei und den Brand in suizidaler Absicht gelegt habe, habe der Eritreer jedoch mehrfach bekundet, fasste der Oberarzt zusammen.

mra