Er kam im Sommer 2018 mit einem Probevertrag zum ERC Ingolstadt. Er punktete in keiner Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zweistellig. Sein Foto kam auch nie für die Titelseite des jährlichen „Eishockey News“-Saisonheftes in Frage – und doch war der Teamplayer Colton Jobke ein heimlicher Held der Panther.
Nach sechs Jahren (zwei davon als Assistenzkapitän), 303 DEL-Spielen, 374 Strafminuten und 270 (!) geblockten Schüssen bekommt der 31-Jährige beim ERC keinen neuen Vertrag mehr – deshalb wechselt die von Trainern und Kollegen hoch geschätzte „Nagelpistole“ nun zu den Iserlohn Roosters um Ex-Panther-Coach Doug Shedden.
270 geblockte Schüsse für die Panther
Ein wenig emotional wirkt Jobke schon, wenn er über den bevorstehenden Abschied spricht. „Ich habe das noch nicht richtig realisiert, gepackt ist auch noch nichts. Wenn ich ehrlich bin, schnürt es mir schon ein bisschen die Kehle zu“, gibt der sonst so fröhliche Deutsch-Kanadier aus Vancouver mit leicht stockender Stimme zu. „Es kommt nicht oft vor im Profisport, dass man sechs Jahre an einem Ort sein darf.“
„Mehr als dankbar für die Zeit“
Nun gehören Liebesschwüre für Klub, Stadt und Fans zum Standardvokabular nordamerikanischer Eishockey-Berufsspieler, doch aus Jobkes Mund klingen sie glaubhaft. Er ist seit 2023 verheiratet mit einer Regensburgerin, die Feier stieg im Kastaniengarten Oberhaunstadt. „Allein deshalb bin ich immer mit Ingolstadt verbunden. Manche Kontakte werden mein Leben lang bestehen“, sagt „Jobber“, der mit seiner Julia in Zuchering daheim war. „Ich bin mehr als dankbar für die Zeit und habe es nicht einen Tag für selbstverständlich gehalten, dass ich für den ERC spiele. Ich habe es hier geliebt und bin traurig, dass es zu Ende geht.“
Seine Trainer sangen Lobeshymnen auf ihn
Vor sechs Jahren hatte der damalige ERC-Sportdirektor Larry Mitchell den spielerisch limitierten Linksschützen als Mann fürs Grobe nach Ingolstadt geholt – zunächst mit einem viermonatigen Probevertrag. Der wurde mehrfach verlängert, weil Jobke überzeugte: auf dem Eis mit enormem Einsatz vor allem in Unterzahl und wenn nötig auch im Faustkampf, in der Kabine mit seinem locker-humorvollen Wesen. Seine Trainer sangen stets wahre Lobeshymnen auf die Nummer 7 der Panther, die im Vorjahr mit ihrem Team erst im Finale am EHC München scheiterte. „Er bringt immer die richtige Einstellung mit und steht für seine Mitspieler ein. Er bringt Leben und Energie rein, sowohl auf dem Eis als auch in der Kabine. Ein Anführer“, adelte ihn Mark French. Dessen Vorgänger pries Jobke gar als „Traum eines jeden Trainers“: „Nicht vordergründig dank seines Talents, sondern weil er immer mit Herz spielt“, erklärte Shedden.
Jobke als furchtlose „Nagelpistole“
Der 62-Jährige war es auch, der Jobke wegen seiner Furchtlosigkeit als Schussblocker einst als „Nagelpistole“ bezeichnete. „Weil er so viele Pucks einsteckt“, erklärte der Trainer. „Es ist keine glamouröse Aufgabe, aber darauf bin ich stolz“, sagt Jobke, ehe er grinsend einschränkt: „Okay, wenn ich 30 Tore schießen könnte und dafür nicht so viele blaue Flecken, Beulen und gebrochene Knochen hätte, würde ich das wohl bevorzugen. Aber das kann ich nun mal nicht, von daher versuche ich, auf andere Weise zum Teamerfolg beizutragen.“ Die Schüsse der Bremerhavener Jan Urbas und Phillip Bruggisser seien besonders schmerzhaft: „Wenn Bruggisser von der Blauen Linie abzieht und der Puck Zeit zum Beschleunigen hat, tut das verdammt weh.“
„Andenken“ von Thomas Greilinger
Seine Opferbereitschaft hat ihm sogar ein Andenken an Ingolstadt eingebracht: „Thomas Greilinger hat mich mal mit einem Schuss im Training am Fuß erwischt, da habe ich heute noch eine Delle. Er schaute mich an, zuckte mit den Schultern und sagte halb ernst, halb im Scherz: ,Geh’ halt aus dem Weg!’“, erzählt Jobke lachend.
Ihn auf seine Rollen als Haudrauf und Spaßvogel zu reduzieren, würde Jobke allerdings kaum gerecht: Der 31-Jährige kann ein abgeschlossenes Bachelor-Studium im Bereich Finanzwirtschaft vorweisen, zudem büffelt er fleißig Deutsch – auch mal mit Hilfe der TV-Koch-Doku „Das perfekte Dinner“: „Die ist großartig, weil man da Smalltalk lernen kann. Mein Deutsch hat sich verbessert, aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir“, sagt er.
Gutes Verhältnis zu Doug Shedden
Der führt ihn nun ins Sauerland, auch wenn er seinen Wechsel noch nicht bestätigen möchte. „Zu Doug hatte ich immer ein gutes Verhältnis“, sagt Jobke nur. „Er ist ein toller Motivator, und ich fand es unglaublich, dass er mit Iserlohn trotz des riesigen Rückstands noch den Klassenerhalt geschafft hat.“ Teamplayer Jobke wird alles dafür tun, damit das auch in der neuen Saison klappt.
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