Wer hat’s erfunden?
Lungen-OP ohne künstliche Beatmung gab es am Klinikum schon vor Jahrzehnten

26.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:34 Uhr

Vorreiter bei minimalinvasiven Eingriffen an der Lunge: Professor Malte Linder (2017 verstorben) und der Arzt Genady Engel (l.), hier bei einer Fortbildung am Ingolstädter Klinikum. Foto: privat

Vor wenigen Tagen hat sich das Klinikum in Ingolstadt quasi selbst überholt - oder, wie man es nimmt, die eigenen Qualitäten unter den Scheffel gestellt.



Moderne Krankenhäuser sind, was Ausstattung der Medizintechnik und Know-how der Ärzte anbelangt, stets am Puls der Zeit. Auch die Pressestelle des Ingolstädter Klinikums verkündet immer wieder mal, wenn es eine neue Untersuchungsmethode gibt, die an dem Haus erstmals zur Anwendung kommt.

Die „erstmals vorgenommene Lungen-OP ohne künstliche Beatmung“, ein minimalinvasiver Eingriff, über die der DK diese Woche berichtet hat, wurde an dem Schwerpunktkrankenhaus nämlich bereits vor Jahrzehnten durchgeführt, wie unsere Zeitung erfahren hat. Nach damaligem Stand der Medizintechnik, versteht sich. Das Klinikum gehörte damit sogar zu den Vorreitern auf dem Gebiet solcher Eingriffe.

Der schwedische Internist Hans Christian Jacobaeus hatte bereits 1910 die erste Thorakoskopie durchgeführt. Der Ingolstädter Arzt im Ruhestand Genady Engel (75), ein früheren Arzt der Medizinischen Klinik I des Klinikums, dachte beim Lesen des Artikels diese Woche im DK stark an die Thorakoskopie, die er selbst am Klinikum durchgeführt hatte. „Etwa 20 bis 30 Mal im Jahr“, wie er sagt. Minimalinvasiv, ohne künstliche Beatmung. Die im Bericht genannte VATS-Methode, ein video-assistierter thoraxchirurgischer Eingriff, sei damals vom Chefarzt der Chirurgischen Klinik I, dem im Jahr 2017 verstorbenen Professor Malte Linder und dem Chirurgen Eugen Brunner, später bis zu seinem Ruhestand Chefarzt der Klinik St. Elisabeth in Neuburg, vorgenommen worden. Weil heute von der „alten Garde“ des Ingolstädter Klinikums kaum mehr jemand da ist und das Lungenzentrum erst später mit neuen Ärzten wieder aufgebaut wurde, war dies wohl in Vergessenheit geraten.

Unter Engels Führung 2003 Lungenzentrum gegründet

Genady Engel, Pneumologe, Internist und Allergologe, kam 1984 als Oberarzt unter Professor Alexander Wirtzfeld ans Ingolstädter Klinikum und hatte dort die Pneumologie mit aufgebaut. Er hat seine Erfahrungen auf Symposien vorgestellt und bildete Ärzte auf dem Gebiet der Thorakoskopie aus. 1997 legte er als Habilitationsschrift an der Medizinischen Fakultät der Palacky Universität in Olomouc (die zweitälteste Universität in Tschechien) eine fünfjährige Analyse in der Medizinischen Klinik I Ingolstadt über Technik, Indikationen, Effektivität und Komplikationen der Thorakoskopie vor. Auch darin war bereits von der durch Thoraxchirurgen durchgeführte Thorakoskopie als „minimalinvasivem, videoassistierten Eingriff“ die Rede. Unter Engels Führung wurde 2003 ein Lungenzentrum am Klinikum gegründet. 2011 ging er in Ruhestand.

2019 baute das Klinikum das Lungenzentrum neu auf. Kurzzeitig war auch Engel dabei als Arzt im Ruhestand mit an Bord. Bis Ende 2019 Lars Henning Schmidt als Leiter der im Klinikum integrierten einzigen Lungenklinik der Region kam.

Methode weiterentwickelt

Die jüngst vorgestellte OP-Methode ist weiterentwickelt und auf dem neuesten Stand der Medizintechnik, bei der Thoraxchirurgen, Pulmologen und Anästhesisten eng zusammenarbeiten. Diese schonende Methode ohne künstliche Beatmung soll in Zukunft auch bei Patienten mit Lungenkrebs angewandt werden – etwa zur Entfernung von Lungenflügeln. So ist die alte Methode gewissermaßen auch eine neue Methode. Und das Klinikum ist einmal mehr am Puls der Zeit.

DK