In Bayern weiß man es schon immer: „A bisserl was geht allerweil.“ Denn die Hoffnung, die eigenen Pläne zu verwirklichen, stirbt zuletzt. Gerade im undurchdringlichen Dschungel der bayerischen Kommunalpolitik, mit Amigos und Gemauschel, Macho-Allüren und handfesten finanziellen Interessen. Da tut Frau sich schwer, ihren Standpunkt zu behaupten. Wenn man allerdings Uschi Riemenschneider heißt, im Rathaus putzt und auch sonst mit allen Wassern gewaschen ist, dann zieht man alle Fäden. Sie nennt sich kurzerhand Facility Managerin, liest dem Bürgermeister die Leviten und laviert sich durch das Labyrinth hanebüchener Absprachen und egoistischer Finten. Am Ende des Gastspiels des Chiemgauer Volkstheaters wird auf dem Filetgrundstück der fiktiven Gemeinde Kastlhausen-Schneizing doch das Kulturzentrum gebaut. Und alle haben sich wieder lieb.
Dies liegt natürlich auch an der halluzinogenen Wirkung des Hanf-Tees, der in der Pause der Sitzung im Bauausschluss gereicht wird. Ausgerechnet Uschi (Mona Freiberg in ihrer Paraderolle) hat ihn gekocht, die gute Seele mit dem Herz am rechten Fleck. Doch die Cannabis-Pflanze stammt eigentlich von der grünen Gemeinderätin Frau Grünberger (klischeehaft schrill: Simona Mai), die eine legale Hanfplantage auf dem Gemeindegrundstück vorschlägt. Damit alle ein bisschen entspannter werden. Natürlich will CSU-Bürgermeister Hans Huber (Andreas Kern als machtbewusster Macho) davon nichts wissen. Stattdessen möchte er seinem Partei-Spezl Franz, der auch im Gemeinderat sitzt (Peter Fritsch) und zufällig Bauunternehmer ist, das lukrative Grundstück für eine Spielhalle zuschustern. Leider gehen mündlich zwei weitere Bauanträge ein, so dass Huber gute Miene zum bösen Spiel macht und die öffentlich angesetzte Pro-forma-Sitzung in eine nicht öffentliche Bauausschuss-Arbeits-Sitzung in seinem Büro umwidmet.
So ist das eben im Amigo-Land: Meistens kriegt der Spezl den Auftrag und alles wird gut. Aber manchmal regt sich auch Widerstand gegen die Absprachen, die eher dem eigenen Geldbeutel dienen als dem kommunalen Wohl.
Am heftigsten weht der Gegenwind diesmal aus der roten Richtung: Denn die streitbare, mit ausgefeiltem Hochdeutsch gewappnete SPD-Gemeinderätin Dr. Gabriela Angelbauer-Lüders (herrlich affektiert: Kristina Helfrich) rückt mit ganz anderen Plänen an. Sie schlägt ein architektonisches Monstrum mit Flachdach vor, das einem UFO ähnelt, aber dem sozialen Wohnungsbau dient. Und dann taucht auch noch der bodenständige Gemeinderat und Feuerwehrkommandant Alois Frey (Hanno Sollacher als Urbayer) auf. Sein Vorschlag: Eine riesige ultramoderne „Fire-Station“ samt zwei neuen Einsatzfahrzeugen, weil das alte Feuerwehrhaus schon arg marode daherkommt. Das passende Playmobil-Modell hat er gleich in die Sitzung mitgebracht.
Man diskutiert heftig bei Wasser und Tee, die Argumente fetzen nur so, ein Vorschlag ist absurder als der andere. Uschi darf eigentlich nicht an der Sitzung teilnehmen, schaut aber immer wieder mal herein, serviert den Tee und erlebt gar Seltsames: Bürgermeister und Bauamtsleiter Herr Schmidt (Flo Bauer als staubtrockener Beamter), aber auch die vier Gemeinderäte benehmen sich immer euphorischer und enthemmter, tanzen und flirten, singen und schmusen – bis hin zum sehenswerten Strip des biederen Bauamtsleiters. Die Zusammenkunft läuft völlig aus dem Ruder und am nächsten Tag herrscht Katzenjammer, zumal sich kaum jemand an die Sitzung erinnern kann und fast alle durch die Fotos von Uschi erpressbar sind. Doch Uschi hat eben auch die rettende Idee.
Sitzt nicht auf einem dieser Fotos die Frau Doktor auf dem Schoß des Bürgermeisters und zieht lasziv an seiner Krawatte? Und die Spielcasino-Pläne tauchen plötzlich in den sozialen Netzwerken auf. Deftig geht es zu, wenn sich Urbajuwaren, Preußen und schnöde Beamtenseelen auf der Bühne tummeln: Da jagt ein Kalauer den nächsten, Wortspiele führen zu verbalen Gefechten und ab und zu fällt auch mal eine sexuelle Anspielung. Und doch bleibt der rote Faden in diesem Dreiakter sichtbar, der Plot ist bewährt und das Publikum wird bestens unterhalten. Wieder einmal zeigt das 1929 gegründete Chiemgauer Volkstheater, dass es die Volksseele kennt. Diese Theaterform als seichte Unterhaltung abzutun, ist kaum statthaft. Dagegen spricht auch das fast ausverkaufte Große Haus in Ingolstadt.
DK
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