Ingolstadt
Lieber nach Schwaben als zur Schanz

Rosen- und Oberschwaige: Politik in Gerolfing, postalisch in Hagau, Verwaltung in Unsernherrn

25.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:55 Uhr

Ländliche Idylle unweit der Stadtgrenze: Die Oberschwaige war lange umstritten. Foto: Rössle (Archiv)

Von Bernhard Pehl

Ingolstadt/Weichering – Naturfreunde, Spaziergänger und Reiter schätzen die noch weitgehend ländlich geprägte Gegend ganz im Südwesten von Ingolstadt als Naherholungsgebiet. Dabei können die Ober- und Rosenschwaige auf eine wechselhafte und komplizierte Geschichte zurückblicken: Sie gehörten nämlich einst zu Gerolfing, wurden aber von Unsernherrn verwaltet. 1974 kamen sie nach langem Hin und Her von der Stadt Ingolstadt zur Gemeinde Weichering.

Während die benachbarte Herrnschwaige schon immer zur Stadt Ingolstadt gehört hatte, waren die Verhältnisse bei der Ober- und der Rosenschwaige fast schon kurios und jahrzehntelang ein Streitpunkt. Das begann schon bei den Namen, die erst vor gut 60 Jahren das Innenministerium endgültig festgelegt hat. Die Rosenschwaig mit ihren sechs Häusern und früher bis zu 40 Bewohnern hieß nämlich bis Mitte 1953 Troistenschwaig, das angrenzende Gut Oberschwaig wurde Märzenschwaig genannt. Noch komplizierter waren die Verhältnisse in Politik und Verwaltung. Die Schwaigen gehörten politisch vor der Gebietsreform zur Gemeinde Gerolfing, verwaltungstechnisch nach Unsernherrn und postmäßig nach Hagau. Damit nicht genug, besuchten die Kinder die Schule in Weichering, wo auch der nächste Bahnhof war.

„Noch immer ist ungeklärt, zu welcher Gemeinde die Rosenschwaig und die Oberschwaig gehören. Seit Generationen weiß man es nicht anders, als dass die Bewohner der Schwaigen von der Gemeinde Unsernherrn verwaltet werden“, stand noch Mitte der 50er-Jahre im DK zu lesen. Dort wurden sie in den Büchern des Standesamts geführt, dort zahlten sie ihre Steuern. Und genau ums Geld ging es auch den Gerolfingern. Die damals noch selbstständige Gemeinde Gerolfing vertrat die Ansicht, diese Schwaigen unterstünden ihrer Obhut, und das nicht ganz grundlos.

Archivalischen Unterlagen zufolge sollen die Rosenschwaig und die Oberschwaig im Mittelalter tatsächlich zum Pflegegericht Gerolfing gehört haben (Gemeinden gab es vor 1814/18 noch nicht). Die Gemarkung dieses Gerichtes lag nämlich ursprünglich nahe dem linken Donauufer. Durch die Verlegung des Hauptverlaufs der Donau kamen die Schwaigen jedoch auf dem rechten Donauufer zu liegen, wurden also von Gerolfing getrennt. Doch noch im Steuerkataster von 1830/40 waren sie bei der Gemeinde Gerolfing eingetragen, die Luftlinie nur drei Kilometer entfernt lag. Die dazwischen fließende Donau war im 19. Jahrhundert offenbar kein allzu großes Hindernis, weil die Bewohner der Schwaigen, ebenso wie die aus Gerolfing, Fischerei betrieben und mit ihren Kähnen leicht von Ufer zu Ufer kommen konnten. Wann die Schwaigen dann nach Unsernherrn kamen, ist unklar. Jedenfalls sind sie in den Ortschaftsverzeichnissen des Statistischen Landesamtes München aus dem Jahr 1877 als Bestandteile der Gemeinde Unsernherrn ausgewiesen.

Den Bewohnern der Schwaigen ging es im 20. Jahrhundert allerdings weniger um alte Akten als um Kilometer. Nach Gerolfing hätten sie über die Ingolstädter Brücke eine einfache Wegstrecke von etwa 17 Kilometern zurücklegen müssen, denn die Zeit der Kahnfahrten auf der Donau oder das Überqueren des Flusses mit der Fähre war vorbei. Nach Unsernherrn waren es in den 50er Jahren allerdings auch acht Kilometer. Daher auch der Wunsch der Menschen nach einer Eingemeindung nach Weichering, was aber eine Änderung auf Regierungsbezirksebene bedeutet hätte. Denn der damalige Landkreis Neuburg gehörte vor der Gebietsreform noch zum Regierungsbezirk Schwaben.

Doch das sollte noch eine Zeit dauern. Ein Einigungsversuch der Gemeinden Gerolfing und Unsernherrn wurde noch Ende der 50er-Jahre vom Landratsamt abgelehnt. Als Unsernherrn dann 1962 nach Ingolstadt eingemeindet wurde, kamen die Schwaigen zur damals noch selbstständigen Gemeinde Hagau. Zufrieden waren die Bürger der Höfe damit allerdings nicht: Sie wollten lieber Schwaben werden, was ihnen allerdings die hohe Politik verwehrt hat.

Zehn Jahre lang blieben sie Hagauer. Bei der Gebietsreform im Jahr 1972 wurden sie dann zwar erstmals Ingolstädter, was sie aber nicht lange blieben. Die Stadt war damals offenbar noch zu weit weg von den verstreut liegenden ländlichen Gehöften. Deshalb ließen sie so lange nicht locker, bis schließlich ihr Wunsch Gehör fand. Anfang 1974 kamen die Schwaigen zur kleinen Gemeinde Weichering – und blieben trotzdem Oberbayern.

DK