Leserbrief
Baurecht ändern: Platz für Bäume nachweisen

21.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:48 Uhr

Zu "Stadt verschenkt junge Bäume" (DK vom 25. Oktober):

Unser einziges Mittel gegen Klimaerwärmung sind Bäume - allerdings helfen uns jetzt nur die älteren Exemplare: Mit wachsender Laubfläche steigt die Leistung um den Faktor 1:2000. Die Regel, einen gefällten Großbaum durch einen einzigen Winzling zu ersetzen, ist fürs Klima nur ein Feigenblatt. Die Ingolstädter Jungbäume werden erst in Jahrzehnten klimawirksam werden, falls genug von ihnen anwachsen und stehen bleiben. Das Gebot der Stunde: Große, leistungsfähige Bäume bewahren, damit es überhaupt ein Morgen geben kann! Die grünen Riesen werden jedoch traditionell von gegenläufigen menschlichen Interessen bedroht. Hier sollten wir aus meiner Sicht dringend die Prioritäten überdenken und in folgende Maßnahmen investieren.

Neben einem Baumkataster sollten Bäume stärker gesetzlich geschützt werden. Ein Baum ist kein Einrichtungsgegenstand wie ein Sofa. Es kann in unseren Zeiten nicht länger eine rein private Entscheidung bleiben, ob ich einen großen Baum auf meinem Grund erhalte oder nicht. Je stärker bebaut das Umfeld, desto wichtiger der Baum. Dass mit Ankündigung einer Baumschutzverordnung vorbeugend Bäume gefällt würden, hat eine Studie des Bund Naturschutz 2018 widerlegt. Der Schwachpunkt sei vielmehr ein Mangel an Kontrolle und Bestrafung - das ließe sich ja ändern mit Personalaufstockung und höheren Strafen.

Der Gemeinwohlgedanke des Baumerhalts strahlt auch aufs Baurecht aus. Bisher werden bei jedem Neubau sofort Stellplätze für Autos gefordert. Künftig sollte Platz für Bäume nachgewiesen und die Umsetzung kontrolliert werden. Außerdem: Schluss mit quasi automatischen Rodungen bei Grundstücksverkäufen und -erschließungen. Wenn man nur will, kommen die Baufahrzeuge sehr wohl mit Bäumen am Grundstücksrand zurecht.

Haftungsrecht ändern: Sobald Bäume den Menschen um ein Mehrfaches überragen, kommt bei bestimmen Personen Angst ins Spiel. Im Wald gehören Astabbruch oder umkippende Bäume zum "allgemeinen Lebensrisiko", der getroffene Spaziergänger bekommt nichts. Auf freiem Feld oder im besiedelten Gebiet haftet der Eigentümer. Möge doch der Gesetzgeber aufgrund des Klimawandels die Haftung für Bäume abschaffen und die Rechtslage vereinheitlichen! Bei Sturm und Hagel zahlt die Elementarversicherung doch auch? Das derzeitige Haftungsrecht kostet vielen gesunden ausgewachsenen Bäumen das Leben. Vor allem bei Wasserwirtschafts- und Straßenverkehrsamt fallen Bäume reihenweise.

Zuguterletzt bin ich für den Aufbau von mehr Baumkompetenz in den Stadtverwaltungen und dazu passend eine aktive Öffentlichkeitsarbeit "Pro Baum". Dieser Aspekt gefällt mir an der Ingolstädter Aktion: Beratung zur passenden Art für den jeweiligen Standort.

Annette Hartmann,

Geisenfeld