Zur Audi-Betriebsversammlung und einer Umfrage unter der Belegschaft
Es gilt die Unschuldsvermutung

18.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:00 Uhr

Zur Audi-Betriebsversammlung und einer Umfrage unter der Belegschaft ("Wir wünschen uns wieder positive Meldungen") in der Ausgabe vom 13. Dezember:Woher soll der Strom für die E-Mobilität kommen?

Was bringt eine Umverteilung der Schadstoffbelastung von der Straße zum Kraftwerk? Wer bezahlt die zusätzlich nötigen Stromtrassen? Dies Fragen stellte der frühere Vorstandschef Rupert Stadler vor einiger Zeit bei einer Betriebsversammlung. Für alle drei Fragen liegt die Antwort in nur einer Gegenfrage: Wie viel Strom brauchen wir tatsächlich mehr, wenn alle Autos mit Strom fahren?

1,4 bis 1,6 kW/h Strom verbraucht die Herstellung eines Liters Diesel oder Benzin; bei einem Verbrauch von 6 bis 7 Litern kommen so um die 10 kW/h zusammen. Ein E-Auto mit Akkus kommt mit dieser Strommenge 50 bis 90 Kilometer weit. Bei einem praxisbezogenem Verbrauch von 12 bis 15 kW/h pro 100 Kilometer sind lediglich 25 bis 30 Prozent mehr Strom nötig, als die Ölraffinerien eh schon verbrauchen. In Summe würde die Gesamtstrommenge in Deutschland um zwei Prozent ansteigen, wenn alle Autos mit Batterien fahren würden. Zwei Prozentpunkte verkraften sowohl unsere Umwelt als auch unsere Netze. Alleine 2018 stieg der Anteil der "Erneuerbaren" von 36 auf 38 Prozent bei der Stromerzeugung.

Bezieht ein E-Auto seine Energie über die vielgepriesene Brennstoffzelle, kommt dieser Effekt nicht zum Tragen. Die Hersteller von Brennstoffzellenautos geben den Verbrauch mit einem Kilo Wasserstoff an, was 33,33 kW/h Strom entspricht. Dazu kommen noch Umwandlungs- und Lagerverluste von gut 20 kW/h. Mit 50 bis 55 kW/h kommt ein viel billigeres Akku-Auto 400 Kilometer weit. Im Umkehrschluss wäre die vierfache Strommenge nötig, wenn alle Autos mit einer Brennstoffzelle fahren.

Der frühere Audi-Vorstandschef Stadler ist Betriebswirtschaftler und war auf technischem Gebiet auf das Wissen und die Unterstützung seiner Berater angewiesen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus vorstellbar, dass er auch im Dieselskandal des Unternehmens von seinen Beratern falsch informiert oder gar belogen wurde. Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg aber nur einen Verantwortlichen?

Für mich ist es nur schwer vorstellbar, dass diejenigen, die bewusst bei der Programmierung betrogen haben, nie ein schlechtes Gewissen hatten und sich nie an einen der Vertrauensleute oder der zuständigen Betriebsräte gewandt haben.

Aber eine Behauptung ist noch keine Tatsache, und eine Vermutung ist noch kein Beweis. Und dieser Grundsatz sollte auch für Stadler gelten, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Ludwig Großhauser,

Oberhausen