Ein schwarzes Kapitel Rumäniens

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Zum Artikel "Der lange Kampf um Anerkennung" (DK vom 27. Oktober), in dem es um die neue Ausstellung im Neuen Schloss über den Völkermord an Sinti und Roma geht:

In Rumänien wurden die "Zigeuner" in zwei Schüben vom 1. Juni bis zum 16. September 1942 zusammengetrieben und in Konzentrationslager nach Transnistrien (heute ein von Separatisten kontrolliertes Gebiet östlich des Dnjestr) verschleppt. Man spricht von 24 686 deportierten Personen; es gibt auch Quellen mit anderen Daten. Diese vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu angeordnete Vernichtungsmaßnahme war aus Sicht der rumänischen Faschisten sehr erfolgreich, denn rund 11 000 der deportierten Frauen, Männer und Kinder sind wegen der unmenschlichen Lebensbedingungen dort gestorben. Es bedurfte also keiner Gaskammern, um sich dieser ungeliebten Minderheit zu entledigen.

Mit diesem geschichtlichen Erbe tat Rumänien sich sehr lange schwer. In der kommunistischen Diktatur der Nachkriegszeit war das Thema tabu, und nach dem Sturz Nicolae Ceausescus dauerte es etliche Jahre, bis man sich offiziell zu einem Geständnis dieser Missetat durchringen konnte.

Es gab in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Rumänien starke rechtsradikale und linksnationale Kräfte, die eine Aufarbeitung dieses schwarzen Kapitels der rumänischen Geschichte zu verhindern wussten. Man hat lange Zeit auch versucht, die Schuld am rumänischen Holocaust den Nazis in die Schuhe zu schieben. Das wurde mittlerweile von Historikern widerlegt. Rumänien war zwar ein Verbündeter Hitlerdeutschlands, aber doch ein souveräner Staat. Und der allein war verantwortlich für die Deportation der Juden und Roma, wie man die "Zigeuner" heute auch in Rumänien nennt.

Und trotzdem zahlte der deutsche Staat den wenigen noch lebenden Betroffenen, um die 300 Personen, eine Entschädigungsrente. Seit dem Jahre 2000 zahlt auch der rumänische Staat eine solche Rente für diesen täglich kleiner werdenden Personenkreis, obwohl Kenner der Szene die langsame Gangart der rumänischen Bürokratie in dieser Causa beklagen.

Aufgearbeitet ist das Kapitel aber noch lange nicht so, dass man es als ein Motiv der Vereitelung ähnlicher Taten verstehen könnte. Daniel Vasile, der Vorsitzende der Nationalen Agentur der Roma in Rumänien, beklagt zum Beispiel, dass der rumänische Holocaust bei Weitem nicht die Berücksichtigung in rumänischen Schulgeschichtsbüchern findet, wie es angebracht wäre. "Der lange Kampf um Anerkennung" gilt also nicht nur für die Volksgruppen der Sinti und Roma in Deutschland, sondern er scheint eher ein europäisches Phänomen zu sein.

Anton Potche, Ingolstadt