Theatervorschau
Julia Prechsl inszeniert Horváth-Drama in Ingolstadt – auf einer Wasserbühne

22.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:39 Uhr

Regisseurin Julia Prechsl ist von „Geschichten aus dem Wiener Wald“ schon lange fasziniert: „Horváths Sprache ist sehr genau. Er findet immer die perfekte Formulierung, um die Mehrdimensionalität der Figuren zu zeigen.“ Foto: Claudia Hagn

Ödön von Horváth schrieb „Geschichten aus dem Wiener Wald“ in den späten 1920er Jahren. Das Stück handelt vom Scheitern der kleinbürgerlichen Existenz in der zunehmend entmenschlichten Moderne. Die Figuren sind gezeichnet durch den Ersten Weltkrieg, die anhaltende wirtschaftliche Krise und den aufkommenden Faschismus. Tod und Verlust, Lüge und Enttäuschung bestimmen ihr Leben. Noch vor der Uraufführung 1931 erhielt Horváth auf Vorschlag Carl Zuckmayers für das Stück den Kleist-Preis. „Man lacht vor so viel trauriger Zoologie“, schrieb ein Kritiker damals. Heute gilt es als Schlüsselwerk des modernen Dramas.

Regisseurin Julia Prechsl bringt das Stück auf die große Bühne des Stadttheaters Ingolstadt. Sie hat sich schon lange damit beschäftigt. „Ich bin geboren und aufgewachsen in Landshut und mir ist diese Sprache einfach sehr nah. Der Text wurde vor 100 Jahren geschrieben – und ist immer noch so konkret an uns dran. Diese Sätze haben eine große Zeitlosigkeit“, sagt sie. Darüber hinaus erzählen die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ über eine Gemeinschaft, ihren Kampf gegen die Einsamkeit, das Gefangensein in den Konventionen der Zeit, den gesellschaftlichen Abstieg, Glaubensfragen. „Es geht um eine ganze Gruppe von Menschen – und die Dynamik miteinander“, sagt Julia Prechsl. Weil sich die Themen des Stücks mit dem Heute verbinden, sei gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, dieses Stück auf den Spielplan zu setzen.

Gemeinsam mit Valentin Baumeister hat sie sich eine spezielle Bühne ausgedacht: eine Wasserbühne, die um die 2000 Liter fassen wird. Zum einen gibt es Szenen, die an der Donau spielen, zum anderen ist das Wasser mit seiner lebensspendenden und zerstörerischen Energie auch als Metapher zu verstehen. Und wird oft mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht. „Horváth hat großartige Frauenfiguren geschaffen. Wir legen den Fokus sehr auf Marianne – gespielt von Clara Schwinning – und auf ihr Innenleben“, erläutert Julia Prechsl. Kostümbildnerin Miriam Waldenspuhl musste in Sachen Stoffrecherche ganz neue Wege gehen. Und für die Schauspieler heißt das: Es wird nass. Und kalt. Alle tragen Neoprenunterwäsche. Und ziehen sich ständig um. „Es gibt einen ausgefuchsten Plan: Wer eine halbe Stunde nicht drankommt, wirft schnell die Hose in den Trockner. Hinter der Bühne ist es hektisch ohne Ende“, verrät Julia Prechsl.

Und auf der Bühne? „Man bewegt sich im Wasser anders. Es gibt Widerstand, es macht einen schwer, es lässt einen ausrutschen“, sagt Bühnenbildner Valentin Baumeister. „Es gibt keine leisen Schritte, Wasser ist ein Verstärker, es bringt eine ganz andere Dynamik rein.“ Eine große Herausforderung für Chris-Pascal Englund Braun, der nicht nur die Choreographie für das Ensemble entwickelt hat, sondern auch als Tänzer und Schauspieler zu erleben ist. Die zusätzlichen Bewegungsproben im Umgang mit dem nassen Element musste übrigens das ganze Team absolvieren, erzählt die Regisseurin lachend.

Die Musik kommt von Fiete Wachholtz, der sich mit Horváths akribisch notierten musikalischen Regieanweisungen auseinandergesetzt hat und klassische Stücke neu bearbeitet hat. Er wird mit Schlagzeug, Plattenspieler und Klavier live auf der Bühne agieren.

Und was soll das Publikum mitnehmen von diesem Abend? „Hoffentlich eine große Emotionalität“, sagt Julia Prechsl. „Weil wir sehr viel Herzblut in den Abend gegeben haben. Die Corona-Zeit steckt uns allen noch in den Knochen. Alle sind noch in Schockstarre. Und ich möchte gern, dass wir wieder anarchischer werden. Lauter. Energetischer. Denn das ist das, was Theater ausmacht.“

DK


Premiere ist am 25. März um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt. Kartentelefon (0841) 30547200.