Ingolstadt
Anani... was?

Über dem Feldkirchner Tor gibt eine Inschrift aus dem Mittelalter Rätsel auf

17.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:16 Uhr
Historische Baustelle: Noch wird am Feldkirchner Tor gearbeitet, damit es im Herbst nach gut 600 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Darüber ist die geheimnisvolle Inschrift zu erkennen, deren Bedeutung Tobias Schönauer erklären kann. −Foto: Fotos: Hauser

Ingolstadt (DK) Eine Inschrift prangt über dem Feldkirchner Tor, die nur entziffern kann, wer ganz genau hinsieht. Wer es schafft, ist allerdings auch nicht schlauer. "ananizapta" steht hier. Was soll das denn heißen?

Vor rund 650 Jahren meißelte ein Steinmetz die Formel in den Quader, der über dem östlichen Stadttor angebracht werden sollte. Auch der Schriftzug am nördlichen Stadteingang, dem 1373 errichteten Hardertor, beginnt mit dem seltsamen Wort. Es ist zu vermuten, dass der fleißige Handwerker nicht genau wusste, was er da überhaupt schrieb. Das Wissen um den Zauberspruch - denn darum handelt es sich - war damals schon verloren. Oder noch nicht wieder gefunden. Damals gab es aber auch noch keinen wie Werner Karl, den in Ingolstadt bis zu seinem Tod 2016 alle nur "Doktor Karl" nannten. Der einstige Lehrer am Apian-Gymnasium beschäftigte sich so lange mit dem Rätsel um das ananizapta, bis er es gelöst hatte. Er hielt oft Vorträge darüber und erzählte auch seinen Schülern ständig von ananizapta, bis sie Dr. Karls Erkenntnisse in weiten Teilen auswendig mitsprechen konnten. Auch wenn sie ihn nicht bis ins letzte Detail verstanden haben. Oder nur ansatzweise.

Einer derjenigen, die Dr. Karls Gedankengängen folgen können, ist Tobias Schönauer. "Es ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen", sagt er. Karls erster Hinweis war das z in dem ananizapta am Hardertor. Das Bauwerk wurde zwar 1879 abgerissen, die fragliche Inschrift ist aber im Stadtmuseum aufbewahrt. Dort entdeckte der Forscher an dem z ein "Schwänzchen", wie er zu sagen pflegte. Das Anhängsel ist einem Drachenschwanz nachempfunden. Das z kann demnach als "zabolus" interpretiert werden, ein mittelalterliches Wort für den Teufel, wie Schönauer erläutert. Dr. Karl begann mit der Recherche. Und er wurde fündig: In einem Buch, das Karl der Große im 8. Jahrhundert Papst Leo III. überreicht haben soll. In "Enchiridion Leonis papae" findet sich "Ananizapta" rechtsbündig über dem Wort "Johazath", umgeben von mehreren Kreuzen und den Buchstaben i a g (siehe kleines Bild). In der Gedankenwelt dieser Zeit gilt der Teufel als Urheber aller Unordnung und offenbar hat er auch hier Buchstaben und Wortteile durchein-andergeworfen. Liest man die jeweiligen Worthälften - geteilt durch das teuflische z - über Kreuz ergibt sich: "Anani-hat" und "apta-Joha". Übersetzt lautet das: "Verflucht sei der Teufel durch die Taufe des Johannes", erläutert Schönauer. Dieser Spruch sei nach Dr. Karls Überzeugung als eine Art Schutzzauber über die Ingolstädter Tore geschrieben worden. Damit nicht genug, Lehrer Karl lieferte auch eine Erklärung dafür, warum die beiden Worte im Zauberspruch acht Buchstaben haben müssen, und führte aus, dass die drei umgebenden Buchstaben wohl als "agia" gelesen werden müssen. Sie stehen für das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Wer tiefer in das Mysterium einsteigen will, dem sei die Homepage des Stadtmuseums empfohlen. Unter der von Kurt Scheuerer gepflegten Rubrik "Wissensspeicher zur Archäologie und Geschichte der Stadt und der Region um Ingolstadt" sind Dr. Werner Karls Gedankengänge sehr verständlich nachempfunden.

 

Johannes Hauser