Kabarett-Vorschau
„Humor lässt sich nicht verbieten“

Altstadttheater: Sebastian Schlagenhaufer und Ramon Bessel beleuchten in ihrem Programm das Kabarett im Dritten Reich

23.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:51 Uhr

Künstler im Schatten des Dritten Reichs: Sebastian Schlagenhaufer und Ramon Bessel präsentieren am Freitagabend im Altstadttheater ausgewählte Chansons, Texte und kurze Szenen aus Bühnenprogrammen verschiedener mutiger Kabarettisten in dieser Zeit. Foto: Rossmann

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Von Karl Valentin stammt der Satz: „Gut, dass Hitler nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit ,Heil Kräuter‘ grüßen.“ „Operation Heil! Kräuter“ heißt das Programm von Sebastian Schlagenhaufer und Ramon Bessel, das die Kabarettszene zur Zeit des „Dritten Reichs“ beleuchtet. Am Freitag, 27. Januar, gastieren sie damit im Altstadttheater.

Zufällig stieß Sebastian Schlagenhaufer auf dieses Thema. Er hatte einen Bericht über die „Nachrichter“ gehört, ein Münchener Kabarettensemble der frühen 1930er Jahre, dem etwa Helmut Käutner, Bobby Todd und Kurd E. Heyne angehörten, und das bereits 1935 verboten wurde. „Darüber wollte ich mehr Informationen, fand aber nichts – außer einem fünfzeiligen Wikipedia-Eintrag“, erzählt Schlagenhaufer. Antiquarisch erstand er schließlich eine Schallplatte von Kurd E. Heyne, auf der sich neben Lebenserinnerungen auch Stücke der „Nachrichter“ befanden. „Mir kam sofort der Gedanke: Das muss auf die Bühne. Man muss diesen mutigen Menschen wieder eine Stimme geben.“ Schlagenhaufer forschte weiter, in der Staatsbibliothek, in antiquarischen Büchern, fand von Querverweis zu Querverweis neue Namen, entdeckte spannende Biografien. Und steckte damit auch schon mittendrin in der Arbeit zum neuen Programm, an dem er insgesamt etwa ein Jahr tüftelte.

„Ich habe Originalstücke ausgesucht, die repräsentativ stehen für die Bandbreite des damaligen Kabaretts. Texte, Lieder, kurze Szene.“ Dazu hat er begleitende Moderationen geschrieben, die zum Teil die politische Situation erklären, von den Biografien der Künstler handeln oder Hintergrundinformationen zu verschiedenen Stücken liefern.

Irgendwann holte er den Pianisten, Sänger, Schauspieler Ramon Bessel an Bord. Es ist die erste gemeinsame Arbeit der beiden. Premiere erlebte das Programm im Herbst 2020 „zwischen irgendwelchen Lockdowns“, jetzt sind sie damit auf Tour, laden ein auf eine Zeitreise – mit Texten, Chansons, Szenen von den „Nachrichtern“, von Fritz Grünbaum, von Werner Finck, dem kreativen Kopf der Berliner Katakombe, von Erika Mann, die ihre „Pfeffermühle“ im Januar 1933 eröffnete und schon wenige Monate später wieder zusperren musste. Von Robert Ehrenzweig, dem österreichischen Juden, der sehr früh nach England emigriert und dort als Robert Lucas die sogenannten „Hirnschal-Briefe“ veröffentlichte. Die Kunstfigur des Gefreiten Hirnschal hatte Lucas nach dem Vorbild von Jaroslav Hašeks Schwejk für das Politische Kabarett entwickelt. Oder auch von Erich Weinert, der in Russland Exil fand. Eins seiner Lieder eröffnet und beschließt das „Heil! Kräuter“-Programm. „Den Text hatte die russische Heeresleitung damals auf Flugblätter gedruckt und über den deutschen Truppen abwerfen lassen“, erklärt Schlagenhaufer.

All diese Künstler hatten es schwer in der Nazidiktatur. Sie wurden gegängelt und zensiert. Viele Bühnen wurden geschlossen. Berufsverbote wurden ausgesprochen. Und das schon sehr früh. „Goebbels wusste, was Worte ausrichten können.“ Und fürchtete wohl die subversiven Kräfte. „Dabei denke ich, der Einfluss des Kabaretts wäre gar nicht so groß gewesen. Die wenigsten konnten es sich leisten“, mutmaßt Schlagenhaufer.

Versteht man den Humor heute überhaupt noch? „Auf jeden Fall“, antwortet er. „Es ist oft ein schwarzer Humor, aber auch ein total feiner Humor, weil er versteckt werden musste. Vieles durfte nur zwischen den Zeilen oder gar nicht gesagt werden. Trotzdem hat es funktioniert. Das hat mich sehr beeindruckt“, sagt Schlagenhaufer. Den beim Einstudieren der Nummern nicht nur überrascht hat, wie sie jedes Mal aufs Neue zu berühren vermögen, sondern auch wie aktuell sie heute wieder sind. „In Erika Manns ,Prinz von Lügenland' heißt es: ,Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht; wer immer lügt, dem wird man glauben.‘ Das hat perfekt auf Donald Trump gepasst – und jetzt auf Putin.“

Trotz des ernsten Hintergrunds soll es auf jeden Fall ein Abend zum Lachen und zum Nachdenken sein, meint Schlagenhaufer: „Es ist ein Programm der Hoffnung. Denn man sieht am Ende: Humor lässt sich nicht verbieten.“

DK


Altstadttheater, 27. Januar, 20.30 Uhr, Karten gibt es unter kontakt@altstadttheater.de oder Telefon (0176) 32607265.