Ingolstadt
Raubüberfall auf Rollstuhlfahrer: Zwei Männer müssen ins Gefängnis

13.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:55 Uhr

Zwei Männer müssen nach dem Spruch der 1. Strafkammer vom Mittwoch länger ins Gefängnis . Symbolbild: Marcus Führer/dpa

Von Bernd Heimerl

Sie haben im vergangenen November einen hilflosen Rollstuhlfahrer in dessen Wohnung an der Manchinger Straße in Ingolstadt ausgeraubt und dafür jetzt vom Landgericht die saftige Quittung bekommen.



Zwei 37 und 44 Jahre alte Männer, die ursprünglich aus den neuen Bundesländern stammen, müssen nach dem Spruch der 1. Strafkammer vom Mittwoch länger ins Gefängnis – der jüngere wegen einfachen Raubes für drei Jahre und zehn Monate, der ältere wegen besonders schweren Raubes für fünf Jahre und drei Monate.

Am unteren Limit der Möglichkeiten

Über den ungewöhnlichen Fall hatte der DK bereits zum Prozessauftakt in der vergangenen Woche berichtet. Beide jetzt ausgesprochenen Strafen bewegen sich noch am unteren Limit des gesetzlich Möglichen, weil zwar von einem perfiden, aber dennoch nicht von einem äußerst brutalen Verbrechen gesprochen werden muss. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, Revisionsanträge möglich.

Der Überfall hatte nur wenige Minuten gedauert. Der ältere Täter war nach den Feststellungen des Gerichts mit einem Messer über die nur angelehnte Terrassentür ins Wohnzimmer des Opfers gestürmt und hatte den halbseitig gelähmten 61-jährigen Wohnungsinhaber sowie einen gerade anwesenden Bekannten des Behinderten bedroht. Der maskierte Mann entnahm zwei Geldbörsen aus der Rückenlehne des Rollstuhls und war dann ebenso schnell wieder verschwunden wie er gekommen war. Er und der Ideengeber dieses Coups waren dann aber nur rund eine halbe Stunde später von der Polizei in der nahe gelegenen Wohnung des jüngeren Mannes unter dringendem Tatverdacht festgenommen worden, weil das Opfer sofort einen konkreten Hinweis auf den ihm bekannten 37-Jährigen gegeben hatte.

Seither in Untersuchungshaft

Die beiden Angeklagten, die seither in Untersuchungshaft sitzen, haben den Überfall beziehungsweise die Anstiftung dazu im Prozess zugegeben. Der Ältere entschuldigte sich auch ausdrücklich beim Opfer, während der Jüngere nach Eindruck des Gerichts solche Reue vermissen ließ. Ihm warf Vorsitzender Konrad Kliegl deshalb in der Urteilsbegründung vor, nicht nur aus Geldnot, sondern auch aus Rache gehandelt zu haben: Der Mann hatte den Behinderten einige Monate vor der Tat über einen längeren Zeitraum im Rahmen eines Minijobs betreut und dabei die Lebensgewohnheiten des Rollstuhlfahrers kennengelernt. Weil der Behinderte ihn gelegentlich schikaniert und beleidigt haben soll, war der Helfer aber nicht gut auf seinen „Arbeitgeber“ zu sprechen gewesen. In einem Chat mit seinem Komplizen schrieb er zwei Tage vor der Tat, er habe „den Hurensohn studiert“.

Dass die Täter, die sich vor einigen Jahren im Gefängnis kennengelernt hatten (beide haben gut 20 Vorstrafen), schon lange chronisch klamm waren, darf fraglos als Antrieb für den Überfall beziehungsweise für den Plan dazu gelten. Der 37-Jährige hatte erst kurz zuvor einen Pfändungsbeschluss zugestellt bekommen, der 44-Jährige hatte ebenfalls gehofft, sich mit der Beute einige Zeit über Wasser halten zu können. Mit den rund 950 Euro, die sich in einer der Geldbörsen befanden, sei man aber keineswegs zufrieden gewesen, hatte es im Prozess geheißen. Das Geld war bei der Festnahme sichergestellt worden.

Besonders schwerer Raub

Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer die Rolle des Anstifters besonders düster gezeichnet und ihn nicht nur als Drahtzieher des Überfalls, sondern auch als Mittäter, der um den Einsatz des Messers gewusst habe, für neuneinhalb Jahre ins Gefängnis bringen wollen. Den 44-Jährigen wollte sie für acht Jahre eingesperrt sehen. Die Verteidiger hielten mit weitaus gnädigeren Vorstellungen dagegen: Rechtsanwältin Andrea Kremer, die sich sehr überrascht über die besonders hohe Forderung der Anklagevertreterin bei ihrem Mandanten zeigte, mochte nur eine mit einem Jahr zu sühnende Anstiftung zum Diebstahl erkennen, ihr Kollege Jörg Gragert hielt für den Messermann eine Strafe von knapp vier Jahren wegen eines nur minderschweren Falles für ausreichend.

Das Gericht sah es jeweils etwas anders. Vorsitzender Kliegl machte in seiner Urteilsbegründung klar, dass die gängige Redewendung „mitgefangen – mitgehangen“ in diesem Fall nicht anzuwenden sei. Dem jüngeren Täter könne keinesfalls nachgewiesen werden, dass er um den Einsatz des Messers gewusst habe; der ältere Mann habe sich durch Vorzeigen der Waffe zwar eines besonders schweren Raubes schuldig gemacht, doch sei seine Drohung gegenüber den Opfern noch vergleichsweise mäßig ausgefallen. Kliegl sprach gleichwohl von einer auch moralisch verwerflichen Tat: „Es ist jemand bedroht worden, der vom Schicksal geschlagen ist.“ Zudem sei es für den jüngeren Angeklagten offensichtlich auch darum gegangen, „das Opfer zu demütigen“.