Audi vollzieht eineinhalb Jahre vor dem Einstieg in die Formel 1 einen spektakulären personellen Wechsel in der Führungsriege. Wie der Ingolstädter Autobauer am Dienstag bekannt gab, wird die bisherige Spitze bestehend aus Oliver Hoffmann und Andreas Seidl ausgetauscht. An ihre Stelle wird der ehemalige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto treten.
Gerüchte um ein Machtgerangel hatte es seit Wochen gegeben, dennoch kommt es überraschend, dass Hoffmann in Audis Formel-1-Projekt schon wieder Geschichte ist. Der 47-Jährige, neben Ex-Audi-Chef Markus Duesmann einst die treibende Kraft hinter Audis Formel-1-Einstieg, war erst im März von seinen Aufgaben als Technikvorstand entbunden und an die Spitze des Formel-1-Projekts gesetzt worden. Wie zu erfahren war, kam es dort allerdings immer wieder zu Reibereien mit Seidl, der seit Anfang 2023 Sauber als Geschäftsführer vorstand. Zwischen dem Führungsduo war ein Machtkampf entbrannt, beide wollten sich offenbar gegenseitig loswerden. Hoffmann soll sich immer wieder ins operative Geschäft eingemischt, die fehlende Entwicklung des Teams seit Seidls Amtsübernahme kritisiert und versucht haben, den 48-Jährigen durch Mike Krack von Aston Martin zu ersetzen.
Leistung des Sauber-Rennstalls als Streitpunkt
Streitpunkt war wohl die enttäuschende Leistung des Sauber-Teams in dieser Saison. Während in Neuburg unter der Leitung von Adam Baker, CEO der Audi Formula Racing GmbH, alles nach Plan läuft und die Arbeiten an der Power-Unit voranschreiten, hinkt Sauber seinen Ansprüchen in dieser Saison weit hinterher. Die Schweizer stehen als einziger Rennstall nach 13 von 24 Grand Prix noch ohne einen einzigen Punkt da und liegen in der Konstrukteurswertung auf dem letzten Platz. Audi hatte Anfang März die Anteile am Schweizer Rennstall komplett übernommen, ab 2026 geht Sauber dann als Audi-Werksteam an den Start.
Zudem ist im schweizerischen Hinwil noch immer nicht klar, wer neben Nico Hülkenberg das zweite Cockpit besetzt. Audi hat Wunschkandidat Carlos Sainz längst ein lukratives Angebot unterbreitet, doch der Spanier lässt mit einer Entscheidung auf sich warten. Medienberichten zufolge hätte Audi den 29-Jährigen schon vor Monaten verpflichten können, als bekannt wurde, dass der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton in der neuen Saison den Platz des Spaniers bei Ferrari übernimmt. Doch der Deal scheiterte wohl an der fehlenden Handlungsfähigkeit der Entscheider – und während Sainz angesichts der Instabilität an der Audi-Spitze seit Wochen um ein Cockpit bei einem Spitzenteam pokert, steigt die Nervosität in Neuburg, ab nächstem Jahr keine gute Alternative für den Spanier zu haben.
Binotto muss Baustellen aus dem Weg schaffen
All diese Baustellen soll nun Binotto schleunigst aus dem Weg schaffen und das Team zurück in die Spur führen. Der in der Schweiz geborene Italiener firmiert von August an als Chief Operating und Chief Technical Officer der Sauber Motorsport AG, vereint damit also die operative Geschäftsführung und die sportliche Leitung und ist damit für die weiteren Vorbereitungen des künftigen Werksteams in Hinwil verantwortlich. Von 2019 bis 2022 war Binotto Teamchef bei Ferrari und damit zeitweise Boss des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel. Zuvor fungierte der 54-Jährige bei der Scuderia seit 1995 unter anderem bereits als Chefingenieur, Leiter der Motorenabteilung und Technischer Direktor. „Mit seiner großen Erfahrung aus über 25 Jahren Formel 1 wird er mit Sicherheit einen entscheidenden Beitrag für Audi leisten können“, sagte Audi-Chef Gernot Döllner laut Mitteilung.
Damit ordnet Audi die Formel-1-Spitze klarer als bisher, da Hoffmann auf Audi-Seite und Seidl aufseiten von Sauber dem Projekt vorstanden. Die Ingolstädter erhoffen sich künftig schnelleres und unkomplizierteres Agieren im Formel-1-Team, wichtige Entscheidungen sollen nicht mehr hinausgezögert werden. Döllner formuliert es so: „Unser Ziel ist es, das ganze Formel-1-Projekt durch klare Führungsstrukturen, eindeutige Verantwortlichkeiten, reduzierte Schnittstellen und effiziente Abstimmungsprozesse auf F1-Speed zu bringen.“
Döllner selbst übernimmt den Audi-Angaben zufolge künftig als Chairman auch den Verwaltungsratsvorsitz der Sauber Motorsport AG. Damit macht der 55-Jährige, seit September 2023 als Audi-Vorstandsvorsitzender im Amt, offensichtlich einen weiteren Schritt dabei, den Audi-Konzern umzustrukturieren und auf seine Vorstellungen hin auszurichten.
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