Konstanz als Erfolgsrezept
ERC-Flügelstürmer Agostino glänzt nach holprigem Start als Punktelieferant – Duell gegen Bremerhaven

17.01.2025 |

In Top-Form: Kenny Agostino ist derzeit eine zentrale Figur des Erfolgs des ERC Ingolstadt. Nach einem schwierigen Saisonstart aufgrund einer Verletzung hat der Flügelstürmer zu alter Stärke zurückgefunden. Foto: Traub

Mit einem Sechs-Punkte-Wochenende hat der ERC Ingolstadt seine Tabellenführung in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) im Fernduell mit Verfolger Eisbären Berlin auf drei Zähler ausgebaut. Um den amtierenden Deutschen Meister auf Distanz zu halten, müssen die Panther an diesem Wochenende kreativ werden: Nach der Auswärtspartie gegen die stärkste Defensive der Liga an diesem Freitag (19.30 Uhr/Magenta Sport) folgt am Sonntag (19.15 Uhr) ein Heimspiel gegen das einzige Team, das der ERC in dieser Saison noch nicht bezwingen konnte.

  

Jedes Jahr ermittelt der Glücksatlas, in welchem Bundesland die zufriedensten Deutschen wohnen. Gäbe es eine solche Studie auch unter den Eishockey-Fans in der DEL, würden die Anhänger des ERC das Ranking derzeit klar anführen. Am vergangenen Wochenende verzückten die Ingolstädter ihre Fans in der Saturn-Arena mit einem 4:1-Derbysieg gegen Erzrivale Augsburg sowie einer spektakulären Aufholjagd zum 5:4-Erfolg gegen die Kölner Haie und bauten damit die Tabellenführung auf drei Punkte aus. Glückseligkeit und Hochgenuss gefällig? Man verfolge einfach die fast schon traumhafte Reise der Panther in dieser Saison.

Wo diese Reise hinführt? „Unser Ziel ist definitiv die Meisterschaft“, sagt Kenny Agostino. „Man darf keine Angst haben, das klar auszusprechen, und man muss daran glauben, dass man es schaffen kann – und das tun wir.“ Der Flügelstürmer versprüht diesen Glauben derzeit nicht nur im Interview, sondern auch auf dem Eis: In den jüngsten fünf Spielen hat Agostino stets gepunktet und dem ERC so wichtige Zähler im Duell mit Berlin gesichert.

Reset in der Länderspielpause



Es hatte einige Zeit gedauert, bis der Knoten geplatzt ist. Der US-Amerikaner war als Topscorer der Düsseldorfer EG zum ERC gewechselt, doch in Ingolstadt lief es anfangs holprig. Agostino kämpfte einige Zeit mit einer Verletzung, im November blieb er sogar acht Spiele in Folge ohne Tor. Die Zweikampfstärke und das Behaupten des Pucks in der offensiven Zone, das was ihn immer ausgezeichnet hatte, waren plötzlich ein Stück weit verloren gegangen. „Ich konnte einfach nicht mein Bestes geben“, sagt Agostino.

Die Länderspielpause verbrachte der 32-Jährige dann mit seiner Frau in Italien – bummeln in Venedig, ein Ausflug nach Bologna, ein paar Nächte in Verona, eine Bootstour auf dem Gardasee. Es war der perfekte Reset, mental und körperlich. Agostino nutzte die freien Tage, um sich „komplett neu zu orientieren“, erzählt der ehemalige NHL-Spieler. „Seitdem habe ich das Gefühl, dass ich wieder mehr meinem eigenen Spielstil vertraue.“

Erste Sturmreihe wird zum Erfolgsgaranten



In dieser Zeit passierte jedoch noch etwas anderes: Trainer Mark French begann, Konstanz in seine erste Sturmreihe zu bringen. Der Kanadier, der sich in der vergangenen Saison mit mäßigem Erfolg als Meister der Rotation versuchte, hält seit 20 Spielen in Folge an der Formation Kenny Agostino – Myles Powell – Wayne Simpson fest. Betrachtet man nur diese 20 Partien, hat Agostino in dieser Zeit 20 Punkte erzielt (8 Tore und 12 Vorlagen) und ist damit Ingolstadts zweitbester Scorer nach Alex Breton (23 Punkte).

Das hoch veranlagte Trio, das die Saison schon zusammen begonnen hatte, aber nach vier Spielen wieder getrennt wurde, konnte sich durch die konstanten Einsätze einspielen und seine individuellen Stärken kombinieren. Jeder Spieler bringt ein anderes Element mit ein: Der flinke Powell als Center wird flankiert von Puckvirtuose Simpson und dem zweikampfstarken Agostino, der den Teamkollegen mit seinem Spielverständnis viele Möglichkeiten eröffnet. „Er ist einer der stärksten Spieler am Puck, mit denen ich je gespielt habe“, sagt Simpson, der im Vergleich zur vergangenen Saison deutlich aufgeblüht ist.

Alle drei Spieler zeichnen sich zudem durch ihre Kreativität, ihren ausgezeichneten Blick für den Mitspieler und ihre läuferischen Fähigkeiten aus, das macht das Trio zu einer der gefährlichsten Angriffsreihen der Liga. Zusammen hat diese bisher 92 Scorerpunkte erzielt, Powell ist der beste Vorlagengeber des ERC. „Myles und Simmer sind großartige Skater – und ich bin immerhin gut genug, um mit ihnen mithalten zu können“, sagt Agostino lachend.

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Stärkste Defensive empfängt beste Offensive



An diesem Wochenende muss das Trio besonders kreativ werden, um die betonharte Abwehrwand der Pinguins Bremerhaven zu durchbrechen und im Heimspiel am Sonntag endlich einen Weg zu finden, die Nürnberg Ice Tigers zu schlagen. Agostino will seine Scoring-Streak fortsetzen – und dabei auch Werbung für sich machen. Dass er in Ingolstadt bleiben möchte, steht außer Frage, Gespräche mit Sportdirektor Tim Regan über eine Vertragsverlängerung gebe es aktuell allerdings noch nicht. „Hoffentlich klappt es, wenn wir weiter gewinnen“, sagt Agostino. In seiner aktuellen Verfassung wäre dies auch für die ERC-Fans ein weiterer Glücksfall.

ERC Ingolstadt in Kürze



Personal: Im Tor wird in Bremerhaven erneut Devin Williams stehen, da Michael Garteig noch immer nicht fit ist. Kooperationspartner Ravensburg Towerstars hat indes ERC-Nachwuchstorhüter Erik Eder mit einer Förderlizenz ausgestattet, nachdem Nico Pertuch aufgrund des Ausfalls Garteigs nach Ingolstadt zurückbeordert wurde. Enrico Henriquez trainiert wieder mit der Mannschaft, der Stürmer wird im Norden aber noch nicht zum Einsatz kommen.

Gegner: Die Mannschaft von Trainer Alexander Sulzer besticht durch die mit Abstand stärkste Defensive der Liga. Der Vizemeister hat mit 64 Gegentoren 32 Treffer weniger kassiert als der ERC als zweitstärkste Abwehr. Dagegen haben die Panther als beste Offensive bisher 33 Tore mehr geschossen als der Tabellendritte, der elf Punkte weniger hat. Ein wesentlicher Baustein der sattelfesten Abwehr sind die beiden Torhüter Maximilian Franzreb (94,16 Prozent Fangquote) und Kristers Gudlevskis (93,82). Seit letzter Woche verstärkt der Schwede Ludwig Byström die Defensive zusätzlich. „Die Abwehr ist wirklich herausragend. An der Anzahl der Gegentore sieht man, dass sie sich ganz klar darauf konzentrieren, mit fünf Spielern zu verteidigen. Es wird also wichtig sein, Wege zu finden, um in die Offensive zu gehen und nicht zu viele Chancen auszulassen“, sagt ERC-Stürmer Wayne Simpson. „Uns muss bewusst sein, dass es auf ein oder zwei Tore hinauslaufen wird.“ Die Pinguins prunken außerdem mit ihren Special Teams: Sowohl das Powerplay (28,57 Prozent) als auch das Unterzahlspiel (89,53) sind Bestwerte in den DEL-Statistiken. Topscorer ist Ziga Jeglic (10 Tore/22 Vorlagen), bester Torjäger Kapitän Jan Urbas (13 Tore). Das erste Saisonduell entschied der ERC mit 4:2 für sich, Mitte Dezember verhinderte Jeglic dann mit seinem Treffer im Penaltyschießen zum 3:2 einen neuen Siegrekord der Ingolstädter. Am Mittwoch verloren die Pinguins das Nachholspiel gegen Straubing mit 4:5.

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