In der abgelaufenen Saison haben die Eishockey-Frauen des ERC Ingolstadt mit dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft auf sich aufmerksam gemacht.
Inzwischen geht der Fokus natürlich längst in Richtung Zukunft, denn die Frauen-Bundesliga (DFEL), wo Traditionsklub ESC Planegg-Würmtal seinen Rückzug erklärte, hat einige namhafte Abgänge zu verzeichnen. ERC-Trainer Christian Sohlmann, im sportlichen Bereich die maßgebende Kraft bei den Ingolstädtern, wirft deshalb im Interview nach einem Saisonfazit vor allem den Blick voraus.
Herr Sohlmann, seit dem DFEL-Finale sind nun rund sieben Wochen vergangenen. Wie fällt mit diesem zeitlichen Abstand Ihr Fazit zur Saison aus?
Christian Sohlmann: Gut. Wir haben mit dem Pokalsieg einen nationalen Titel geholt, in der Bundesliga sind wir Vizemeister geworden. Auch wenn die Ergebnisse knapp waren – der Titel ging letztlich verdient an Memmingen, das muss man so sagen. Wir haben es nicht geschafft, Verletzungen zu kompensieren und zu den Play-offs unsere Bestform abzurufen. Insgesamt sollte man sich aber von der letzten Serie nicht blenden lassen und darf die Monate davor nicht vergessen. Wir haben auch Rekorde verzeichnet, das war schon eine gute Saison.
Welche spezielle Erinnerung bleibt bei Ihnen hängen?
Sohlmann: Dass wir nicht ein Spiel mit vollem Kader spielen konnten. Ein Ausfall ging immer in den nächsten über. Zum Beispiel haben in der Hauptrunde Celina Haider und Marie Delarbre zusammen nur zweieinhalb Spiele gespielt. Bei anderen Teams wäre unter solchen Umständen die Saison vorbei gewesen. In der Hauptrunde war das noch egal. Die Leistungen waren nicht immer schön, zum Beispiel beim 1:0 in Planegg, aber ergebnistechnisch haben wir immer abgeliefert. Das war in den Vorjahren bei Weitem nicht so, darauf können wir stolz sein. So eine Tiefe im Kader hatten wir wohl noch nie.
Zuletzt vermeldete Ihr Verein mehrere Abgänge. Wie steht es denn um die Kaderplanungen für die neue Saison?
Sohlmann: Weitere Namen nenne ich noch nicht, aber aktuell gehen wir von zehn Abgängen aus, darunter auch welche, die richtig wehtun. Zuletzt gab es auch noch eine Absage, mit der wir nicht gerechnet hatten – aber so ist das eben. Wir müssen und werden damit zurechtkommen und entsprechend planen.
Man hört heraus: Sie planen den neuen Kader und machen auch als Trainer weiter?
Sohlmann: Ich habe mich vor kurzem lange mit Regina (Co-Trainer Egert Anmerk. d. Redaktion) ausgetauscht. Ich werde weitermachen.
Sie haben also noch etwas vor.
Sohlmann: Es ist für mich schon ein Thema: Was war der Status, als wir angefangen haben – wo sind wir jetzt? Man sieht ja leider gerade, wie schnell ein Bundesliga-Standort kippen kann.
Sie spielen auf den ESC Planegg an. Der Rekordmeister hört auf, wie er kürzlich bekanntgegeben hat, und meldet sein Team zur neuen Saison nicht mehr für die Frauen-Bundesliga an.
Sohlmann: Ja. Klaus Wüst hat sich dort jahrzehntelang für den Verein ins Zeug gelegt. Man sieht, wie fragil so ein Konstrukt ist, wenn eine Konstante wie er aufhört. Ich will definitiv nicht, dass in Ingolstadt dasselbe passiert. Wie lange ich das noch mache, ist ein anderes Thema. Gerade aber habe ich hier noch Lust auf die Trainerarbeit. Ich will das nicht wegwerfen, was wir – der Verein, die Mannschaft, das Trainerteam, das Umfeld – aufgebaut haben. Gerade sind wir wieder mit einem Kaderumbau gefordert.
Wie werden Sie denn die entstandenen Lücken nachbesetzen?
Sohlmann: Es ist sicherlich schwierig, Spielerinnen zu bekommen, die unsere Abgänge eins zu eins ersetzen. Es brechen in der Liga einige gute Leistungsträgerinnen weg, wie man auch bei unserem Rivalen Memmingen sieht. Wir werden mit Ingolstadt im nächsten Jahr sicher keine Hauptrunde wie in dieser Saison spielen und uns mit einigen jungen Spielerinnen neu aufstellen. Außerdem haben wir auch schon die Zusage von zwei Kanadierinnen. Natürlich werden wir auch bewerten, wer 90 Kilometer südlich für uns in Frage kommt.
Sie meinen erneut Planegg. War das Aus des ESC ein größerer Schock für das Frauen-Eishockey in Deutschland?
Sohlmann: Ja, schon. Sportlich gesehen auf jeden Fall und es tut einem einfach leid, dass der Standort von der Karte weg ist. Andererseits kam das Aus leider nicht mehr überraschend. Ich will den Leuten, die sich dort jahrzehntelang eingesetzt haben, nichts absprechen – ich habe Respekt vor ihrer Arbeit. Aber es war ein Abschied auf Raten, es wurde viel Mühe investiert, ohne allzu große Nachhaltigkeit für den ESC.
Weil der Klub dort nie ein eigenes Stadion hatte?
Sohlmann: Natürlich, aber das Problem hätte man vielleicht umgehen können. Man muss sich ansehen, was zum Beispiel in Memmingen und Berlin anders gelaufen ist. Dort haben sich die Teams professionalisiert und der OSC Berlin hat sich zum Beispiel dem Stammverein der Eisbären Berlin angeschlossen. Wir befinden uns an einem Punkt, an dem sich der Frauen-Fußball vor 15, 20 Jahren befunden hat. Reine Frauen-Vereine werden aus meiner Sicht langfristig keine Chance haben. Der Eindruck hat sich vor kurzem verstärkt, da war ich in Klagenfurt, einem Eishockey-Klub aus der Austrian Womens Hockey League.
In Österreich wird die Frauen-Liga künftig von der Männer-Liga und Sponsoren angeschoben, ähnlich schon in der Schweiz, Schweden und Finnland. Gibt es den Schulterschluss zwischen dem Männer- und Frauen-Eishockey nun auch in Deutschland?
Sohlmann: Ich befürchte, so schnell nicht.
Beschreiben Sie dann bitte den Ist-Zustand aus Ihrer Sicht.
Sohlmann: Natürlich ist es nur eine Pressemitteilung: Aber dass die Chefs der Männer- und Frauen-Liga, der Verbände und von Sponsoren wie in Österreich an einem Tisch sitzen und eine Frauen-Liga mit DEL-Anschluss gründen, sehe ich auf absehbare Zeit in Deutschland nicht. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.
DEL-Chef Gernot Tripcke sagte, er würde gerne wissen, woher denn die 400 Spielerinnen für eine DEL-Frauenliga herkommen sollen.
Sohlmann: Eine berechtigte Frage. Man könnte ja die Frauen-Sparte in das Fünf-Sterne-Nachwuchs-Förderprogramm aufnehmen oder in einer DEL-unterstützen Frauen-Liga mit sechs Klubs anfangen – und danach aufstocken. In Schweden haben sie zehn Teams und dank des Geldes zehn Ausländerstellen, das hilft in diesem Stadium bei der Wettkampfhärte und der Ligaentwicklung. In Deutschland fehlt leider das Bewusstsein, dass ohne die Stärkung der Liga die Nationalmannschaft am langen Arm verhungern wird. Mittel- bis langfristig dürfte hier zum Beispiel Österreich aufholen. Wenn man sich dort den Altersschnitt ansieht, den Anschub durch die Männer-Liga bedenkt und weiß, dass in Villach ein Frauen-Leistungszentrum entsteht. Wenn in Deutschland mit der DFEL nicht bald etwas passiert, kann es schwierig werden, weil nach Olympia 2026 oder spätestens nach der möglichen Heim-WM 2027 viele Leistungsträgerinnen aufhören. Es bräuchte für die DFEL Geld von außen, dann kannst du die Trainingsbedingungen verbessern, die Spielerinnen finanziell zu entlasten und Experten ins Trainerteam holen. Derzeit ist jedes Jahr fraglich, ob überhaupt gespielt wird.
Wenn man nach Übersee blickt, sieht man die Frauen-Profiliga PWHL oder auch den sehr erfolgreichen College-Basketball, in dem einige Spielerinnen dicke Werbeverträge unterschreiben. Warum ist in Nordamerika der Frauen-Sport erfolgreich und in Europa nicht?
Sohlmann: Was das Thema Frauen-Sport angeht, sind sie in Nordamerika progressiver. Die Erklärung der genauen Gründe ist aber nicht leicht. Es gibt aber zum Beispiel, was das College angeht, eine Regelung, wonach für eine Athletin dasselbe Budget ausgegeben werden soll wie für einen Athleten. Doch die Konzepte in Nordamerika und Europa lassen sich nicht vergleichen – das sind komplett verschiedene Konstrukte. Man muss eher den Vergleich mit europäischen Ligen ziehen, um zu sehen, wie man vorankommen könnte.
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