Es läuft. So gut, dass sich Fatih Kaya sogar zu ungewohnt extrovertierten Aktionen hinreißen lässt. Jüngst zu sehen bei seinem bereits neunten Saisontreffer für den SV Wehen Wiesbaden beim 2:2 gegen Borussia Dortmund II.
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Da nämlich imitierte der einstige Ingolstädter den Pitbull-Torjubel des ehemaligen brasilianischen Profis Felipe Melo und kroch auf allen Vieren schnaubend über den Rasen. „Das habe ich für meinen älteren Bruder Faruk gemacht“, erklärt Kaya lächelnd: „Das war sein Lieblingsspieler bei Galatasaray Istanbul.“
Dass sich Kaya im Fall eines Treffers am kommenden Samstag (14 Uhr) im Drittliga-Verfolgerduell gegen seinen Ex-Klub FC Ingolstadt ähnlich ausgelassen zeigt, ist eher unwahrscheinlich. Zu sehr freut er sich auf das Wiedersehen mit den Schanzern, auch wenn er bis auf Felix Keidel keinen Spieler mehr aus dem aktuellen Kader kennt.
„Das Spiel ist etwas Besonderes und wird wahrscheinlich auch emotional für mich. Der Verein hat mir die Chance gegeben, die ersten Schritte im Profifußball zu machen. Dafür werde ich immer dankbar sein. Ich freue mich extrem, jeden wiederzusehen“, sagt der Mittelstürmer, der 2022 nach sechs Jahren und 96 Profi-Spielen (15 Tore) in Ingolstadt Servus sagte.
„Ich freue mich extrem, jeden wiederzusehen“
Mittlerweile ist der 1,85 Meter große und kopfballstarke Angreifer 25 und blickt auf eine beachtliche Entwicklung zurück. Mit 16 kam er einst nach Ingolstadt, wohnte bei einer Gastfamilie und setzte sich als einer der Ersten aus dem Schanzer Nachwuchsleistungszentrum im Profiteam durch. Unvergessen sein erstes Tor beim 1:2 im Zweitliga-Duell gegen den Hamburger SV. Roberto Pätzold, sein Mentor in der A-Jugend, warf den damals 19-Jährigen ins kalte Wasser – Kaya dankte es ihm mit dem Anschlusstreffer, als er einen Freistoß von Sonny Kittel einköpfte. In der Saison darauf wurde Kaya in der 3. Liga zur Stammkraft.
Mit den einstigen Mitstreitern Caniggia Elva, Jalen Hawkins und Frederic Ananou hat er noch regen Kontakt, auch zu den alten Recken Stefan Kutschke, Marcel Gaus und Tobias Schröck. „Das wird auch immer so bleiben. Wir haben uns sehr gut verstanden“, meint Kaya.
Doch nach der Katastrophen-Saison 21/22 mit dem folgenden Zweitliga-Abstieg trennten sich die Wege. Für Kaya war es nicht nur emotional ein schwerer Abschied, es war buchstäblich ein schmerzhafter. Denn die gesamte Rückrunde hatte der Gießener aufgrund einer Schulterverletzung und einem darauf folgenden Meniskuseinriss samt Knie-OP verpasst.
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Weiterentwicklung unter Hollerbach und Fink
Die Nachwirkungen spürte er auch noch nach seinem Wechsel zum belgischen Erstligisten VV St. Truiden. In der ersten Saison unter Trainer Bernd Hollerbach kam er nur zu Kurzeinsätzen. In der zweiten unter Thorsten Fink lief es zunächst besser, doch verbuchte Kaya insgesamt in den zwei Jahren lediglich drei Joker-Tore.
Dennoch meint er: „Den Schritt nach Belgien würde ich immer wieder machen. Als Fußballer und Persönlichkeit bin ich dort gewachsen. Nach der Verletzung in Ingolstadt habe ich etwas Zeit gebraucht, um anzukommen, aber vergangene Saison habe ich regelmäßig gespielt und gute Leistungen gebracht. Es war eine tolle Erfahrung.“ Und auch seinen Trainern ist er dankbar. „Bernd Hollerbach hat mich körperlich auf das nächste Level gebracht, ich war dann fit wie nie zuvor. Und Thorsten Fink ist fußballerisch und auch menschlich ein überragender Trainer. Wir haben heute noch engen Kontakt“, sagt Kaya.
Jetzt erntet der Ex-Schanzer in seiner neuen Heimat die Früchte seiner Beständigkeit. „Ich bin sehr zufrieden. Mir wird hier großes Vertrauen geschenkt. Dass es so läuft und ich regelmäßig treffe, ist ein Traumszenario. Aber ich glaube, dass ich mir das auch erkämpft und verdient habe“, sagt Kaya. Seine Erklärung für seinen Lauf, durch den er derzeit zu den Top-Torjägern der 3. Liga zählt: „Ich glaube, dass es eine Rolle spielt, dass ich jetzt näher bei meiner Familie bin und sie häufiger sehe. Und ich versuche Verantwortung zu übernehmen und vorneweg zu gehen, das tut mir gut. Ansonsten bin ich noch derselbe wie in Ingolstadt.“
Kaya will noch kaltschnäuziger werden
Sein Aufschwung liegt also nicht an den blonden Haaren, die der Stürmer derzeit trägt, sondern an einer stetigen Weiterentwicklung. „Ich war schon immer ein emotionaler Typ, aber ich bin in der Birne stabiler geworden. Dinge, die mich früher abgelenkt haben, kann ich schneller abhaken, und ich habe mich fußballerisch weiterentwickelt. Das spiegelt sich auf dem Platz wider“, erklärt der Torjäger selbstbewusst.
Seine Quote ist beachtlich, in 8 seiner 15 Einsätze hat Kaya geknipst. Im Duell des Tabellensechsten (27 Punkte) gegen den -siebten (26) wären weitere Treffer besonders gefragt. Kaya jedoch blickt auf das Gesamtbild und lässt das Ende offen. „Wir spielen eine solide Saison. Bisher haben wir kein Ziel ausgesprochen. Wir hatten im Sommer einen Riesenumbruch, so etwas ist nach einem Abstieg für einen Verein nicht einfach. Das habe ich auch in Ingolstadt erlebt. Wir machen es bis dato echt gut, aber wir müssen noch viel lernen und ein bisschen kaltschnäuziger werden. Alles in allem wäre schon mehr drin gewesen, aber wir sind zum jetzigen Zeitpunkt zufrieden. Wir arbeiten ruhig weiter und schauen, was am Ende rauskommt.“ Klingt fast ein bisschen, als wäre Fatih Kaya noch in Ingolstadt.
DK
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