Ingolstadt
Ein „Blonde Ale“ auf den Humanisten!

Mit Kunst und eigenem Bier: Reuchlin-Gymnasium würdigt Namenspatron zu dessen 500. Todestag

04.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:35 Uhr

Mit zweierlei Sorten selbst gebrauten Biers und einer Brotzeit wurden die Gäste des Reuchlin-Gedenktages bewirtet. Fotos: Brandl

Wenn an einer weiterführenden Schule selbst gebrautes Bier unter die Leute gebracht wird, muss das nicht als Indiz für einen drohenden Strukturwandel im Bildungswesen gewertet werden. Bedenken dieser Art wären in der Tat völlig aus der Luft gegriffen. Das Ingolstädter Reuchlin Gymnasium will freilich weiterhin Stätte humanistischer, sprachlicher und naturwissenschaftlicher Bildung bleiben. Und das älteste Gymnasium in der Schanz will weiterhin unter dem Prädikat Kulturschule – wohlgemerkt ein Alleinstellungsmerkmal unter den Gymnasien in Bayern – ein besonderes Augenmerk auf die musische Arbeit im Schulleben in den Bereichen Musik, Theater und Film legen.

Die beiden Sorten flüssiges Brot „Blonde Ale“ und „Wheat Ale“, gebraut vom Biologisch-Chemischen Praktikum der Q11 und unter den Fantasienamen Reuchlianer und Reuchlin-Bräu quasi handverlesen vermarktet, wurden am Donnerstag vielmehr zur Verkostung gereicht, als das Reuchlin im Rahmen des Wissenschaftsjahres „550 Jahre Hohe Schule Ingolstadt“ mit Gästen seinen Namensgeber zu dessen 500. Todestag ehrte. Der Humanist und Hebraist Johannes Reuchlin, 1455 in Pforzheim geboren und 1522 in Stuttgart verstorben, war einer von zahlreichen Gelehrten, die in Ingolstadt wirkten, wenn auch im Fall von Reuchlin nur für kurze Zeit. Gut ein Jahr hatte der Philosoph eine Professur für Hebräisch an der Universität zu Ingolstadt inne, bevor er die Schanz wieder Richtung Tübingen verließ.

Der selbstlose Humanist, der für Aufgeschlossenheit und Toleranz eingestanden sei, habe sich zu Lebzeiten zum Anwalt des bedrohten Judentums gemacht, würdigte Schulleiterin Bärbel Kößler-Finkenzeller den Namenspatron in ihrer Begrüßung. Reuchlin habe damit Werte vertreten, die im 21. Jahrhundert nahezu unverzichtbar geworden seien. „Vorurteilsfreies Miteinander steht an unserer Schule deshalb weit oben“, sagte sie.

Seine Gäste schickte das Gymnasium an dem Abend auf eine Zeitreise mit Reuchlin, die sie über einen eigens installierten Gallery-Walk durch verschiedene Projekträume führte. Vorgestellt wurden hier die Ergebnisse des Reuchlin-Schreibwettbewerbs und der Filmbeiträge der Fachschaften zum Wissenschaftsjahr 2022 sowie die Entwürfe zur geplanten Umgestaltung der Schulbibliothek zum modernen Ort auf historischem Fundament. Kößler-Finkenzeller dankte allen Fachschaften, die an der Gestaltung des Abends beteiligt waren, darunter im Besonderen den Fachschaften Kunst sowie Latein und Griechisch, die einen Kurzvortrag zu Reuchlin und seinem Einsatz für den Erhalt jüdischen Denkens und jüdischer Kultur vorbereitet hatten. „Der Name Reuchlin war im Schulleben prägend und erinnert an acht schöne Jahre mit Freunden“, hieß es darin.

Abgerundet wurde das Programm mit musikalischen Zwischenspielen aus der Zeit von Reuchlin und einer Lesung von Markus Herrmann aus seinem Roman über Reuchlin „Ein gefragter Mann“.

DK