Ingolstadt
Flammen im Münster

Seitenkapelle „Dreimal wunderbare Mutter“ bei Brand schwer beschädigt

22.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:27 Uhr
Rauchentwicklung im Münster. −Foto: DK

Ingolstadt (DK) Mitte April, kurz nach der Feuersbrunst in der Kathedrale Notre-Dame de Paris, fragten sich viele Ingolstädter: Was geschieht, wenn es in unserem Liebfrauenmünster brennt? Am Montag ist es passiert.
Das Feuer kurz nach 13 Uhr in einer Seitenkapelle wird schnell gelöscht. Aber der Schaden ist groß. Und der Schrecken auch.

Die Einsatzkräfte des Roten Kreuzes – 25 rücken an – können bald melden: keine Verletzten. Nach Auskunft von Einsatzleiter Maximilian König waren zwei Rettungswagen, ein Notarzt, ein Krankenwagen und die Schnelle   Einsatzgruppe rasch zur Stelle. 
Noch eine halbe Stunde nach Beginn des Großeinsatzes zieht Qualm durch das Münster. Beißender Geruch dringt aus dem Gotteshaus, alle Türen sind mit Absperrband versehen.  Die Audi-Werksfeuerwehr bringt vor dem Südportal einen Großlüfter zum Entrauchen in Position. Drinnen wird schnell klar, dass der kunsthistorische Schaden   hoch  sein muss: Das Feuer ist in der Seitenkapelle ausgebrochen, in der die Gebeine des Jesuitenpaters Jakob Rem (1546  –  1618) ruhen. Gegenüber dem berühmte Marienbild „Dreimal  wunderbare Mutter“ ist ein  historisches Gemälde  komplett zerstört, das   Kreuz daneben  schwer beschädigt. Verkohltes Holz liegt auf dem Boden, die Flammen haben auch einige Bänke erwischt.   

Überall Rußspuren. Die linke  Ecke der Kapelle unter dem verbrannten Bild ist  tief schwarz. Polizisten inspizieren und dokumentieren den Brandort. 
Einsatzleiter Thomas Schimmer, Brandamtmann bei der Berufsfeuerwehr, macht kurz nach Beginn des Großeinsatzes – 30 Mann von vier Wehren sind  zum Gotteshaus geeilt– noch keine Angaben zur Ursache. „Die Flammen sind  mit einem Kleinlöschgerrät relativ schnell gelöscht worden“, berichtet er  im Münster. Aus Sicht der Feuerwehr sei der Vorfall keine große Sache, sagt Schimmer,    er ahnt  aber mit Blick auf das viele verkohlte Holz: „Der Schaden ist beträchtlich.“ 
Die Brandermittler der Kriminalpolizei Ingolstadt nehmen sofort die Untersuchung auf,  sprechen mit Zeugen. Rund drei Stunden nach dem Ausbruch des Feuers teilt das Polizeipräsidium Oberbayern Nord das  vorläufige Ergebnis mit:  „Ein Defekt an stromführenden Leitungen hat zur Entstehung des Brandes geführt. Anhaltspunkte für eine vorsätzlich Brandlegung bestehen nicht“. Der Schaden betrage  – vorsichtig geschätzt  – ca. 100 000 Euro.

Der Münsterpfarrer, Dekan  Bernhard Oswald, hat am gestrigen Montag   – wie alle Geistlichen  frei –, wird aber sofort informiert.  Diakon Michael Neufanger ist als Erster aus dem Pastoralteam im Münster. „Ich bin gegen 13.15 Uhr vom Sekretariat informiert worden und gleich hergeeilt“, erzählt er wenig später auf Anfrage dem DK. „Mein erster Gedanke war: Zum Glück ist nichts am Dachboden!“ Und sein zweiter Gedanke: Gott sei Dank ist niemandem etwas passiert. „Aber so ein Kleinbrand ist auch sehr unangenehm“, sagt Neufanger, „weil sich der  Ruß überall verteilt hat und jetzt alles gereinigt werden muss.“  

Bis auf Weiteres finden dem Diakon zufolge im Münster keine Gottesdienste und Führungen statt.   Der Gutachter einer Versicherung wird erwartet, um den Schaden in der Seitenkapelle und an den Kunstwerken zu ermitteln. Als Erstes muss  Neufanger die diese Woche anstehenden Jahresabschlussgottesdienste der Schulen umplanen.  
 Er recherchiert noch, welches Gemälde zerstört worden ist. „Vermutlich hat es Canisius gezeigt.“ Das berühmte Gnadenbild „Dreimal wunderbare Mutter“, das der Seitenkapelle ihren  Namen gibt (einige Ingolstädter sprechen aber auch von der Pater-Rem-Kapelle) , sei zwar verrußt, aber vom Feuer  verschont worden.  Eine Kunsthistorikerin  der Universität  Eichstätt sei  beauftragt, erzählt  Neufanger.  
Im schriftlichen Bericht der Berufsfeuerwehr heißt es:  „Im kompletten Hauptschiff der Kirche hatte sich der Brandrauch gesammelt und konnte auch nicht über Fenster abgeführt werden. Der Einsatz eines Großventilators der Werksfeuerwehr der Audi AG zur Entrauchung des Innenraums zeigte nach einer Stunde Wirkung. Der Brandrauch konnte komplett über die Eingangstüren nach draußen gedrückt werden.“ 
Neben der Berufsfeuerwehr und  der Audi-Werksfeuerwehr waren auch die Freiwilligen Feuerwehren Stadtmitte und Friedrichshofen im Einsatz. 

Das Risiko bleibt

Nach dem Großbrand in Notre-Dame de Paris am 15. April wurde in Ingolstadt sofort der Bezirksausschuss (BZA) Mitte aktiv, weil sich ein ähnliches Szenario im Liebfrauenmünster ausmalte: Stichwort Feuerwerksverbot in der Neujahrsnacht. Über das wird seit Jahren diskutiert, denn das Brandrisiko gilt als beträchtlich. Der Dachstuhl des Münsters sei in etwa drei Mal so groß ist wie in der Kathedrale von Paris. Das berichtete Rudolf Vierheilig, der langjährige Leiter der Feuerwehr am Münchner Flughafen. Das ca.1000 Quadratmeter große Gebälk in Notre-Dame sei aus dem Holz von rund 1800 Eichen gezimmert, in Ingolstadt seien etwa 3800 Bäume verbaut worden – auf 2500 Quadratmetern Dachfläche. BZA-Vorsitzender Franz Ullinger hatte im April mit deutlichen Worten ein Böllerverbot rund ums Münster gefordert. Er erinnerte daran, dass in den Silvesternächten immer wieder die Brandmeldeanlage anschlage; zu einem Feuer kam es zum Glück nie, aber die Angst bleibt. Nach Notre-Dame und dem gestrigen Kleinbrand erst recht. Der Münster-Dachstuhl ist mit einem Löschwasserzugang ausgestattet, allerdings ist allen klar: Besser, man schützt das Gotteshaus präventiv.