Ingolstadt
Es "fleißert" in der Kupferstraße 18

Museum im Geburtshaus der Dichterin Marieluise Fleißer steht kurz vor der Neueröffnung

01.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:29 Uhr
Das Marieluise-Fleißer-Haus kurz vor der Neueröffnung: Die Handwerker haben noch viel zu tun. Die Wände sind mit Fotos der Dichterin und Stoffen ihrer Kleidung gestaltet. Im Bild unten die hellgraue Fassade des Gebäudes in der Kupferstraße 18. −Foto: Schattenhofer/ Hauser

Ingolstadt - Aus dem Haus Kupferstraße 18 hallen laute metallische Hammerschläge. Gäbe es eine Zeitmaschine, die einen auch in die Vergangenheit bringt, könnte da Heinrich Fleißer bei der Arbeit sein, der dort im Erdgeschoss seine Schmiede mit dem Eisenwarengeschäft hatte - der Vater der wohl berühmtesten Ingolstädterin und bedeutenden Dramaturgin. Doch wir befinden uns im Jahr 2020: Die Handwerker sind emsig dabei, das Marieluise-Fleißer-Haus für seine Neueröffnung am kommenden Dienstag vorzubereiten.

 

Für Ingolstadt ist das Haus in der Kupferstraße von unschätzbarer Bedeutung: Hier kam, zum einen, am 23. November 1901 Marieluise Fleißer zur Welt. Dort wird also Literaturgeschichte geschrieben. Zum anderen ermöglicht das Gebäude wertvolle Einblicke in die Geschichte des Ingolstädter Bürgertums.

Das Gebäude ist bereits 1573 im mittelalterlichen Stadtmodell Jakob Sandtners als Bürgerhaus aufgezeigt. Dendrochronologische Untersuchungen der Holzbalken ergaben, dass es schon um das Jahr 1401 erbaut worden ist. Archäologische Funde legen nahe, dass das spätere Fleißerhaus einst die Ingolstädter Münsterbauhütte war.

Die stattliche Größe und die für damalige Zeiten feudale Ausstattung bezeugen die Besonderheit des Gebäudes: "Dies war das Haus eines herzoglichen Beamten", sagt Beatrix Schönewald, Leiterin des Stadtmuseums, am Donnerstag bei einem Presserundgang. "Hier war die Geldquelle." Als der Wohlstand nicht mehr so groß war, wurde das Gebäude geteilt.

Seit 1861 "fleißert" es in dem Haus, wie Schönewald erzählt: Damals kaufte es Andreas Fleißer, Großvater von Marieluise. Ein paar Jahre später eröffnete ihr Vater Heinrich im Erdgeschoss die Schmiede und das Eisenwarengeschäft. Viele seiner Arbeitsutensilien befinden sich bis heute in den Räumen des Museums: Der originale Amboss wurde leider gestohlen, aber sonst wirkt alles so, als habe der Fleißer gerade den Hammer fallen lassen.

Es ist ein glücklicher Umstand, dass sich das Haus bis heute in Familienbesitz befindet und die Nachfahren alle diese Schätze hüten. "Den Gemeinschaftssinn dieser Großfamilie spürt man bis heute", berichtet Historikerin Schönewald. "Alle Fleißer-Kinder kamen in diesem Haus zur Welt."

 

Auch Hermann Widmann: Keiner kennt das Haus so wie er, kennt die Geschichte und Geschichten von seiner Tante Luise, von denen er uns vor zwei Jahren, als die 2015 begonnene Sanierung des Hauses fast abgeschlossen war, erzählte. "Noch zu Zeiten meines Opas gab es einen handbetriebenen Blasebalg; den mussten die Lehrlinge bedienen, während mein Opa und der Geselle mit den Hammern geschlagen haben. Das klang wie ein Glockenschlag, ein Ding-Dong, das durchs ganze Haus ging."

Im ehemaligen Kinderzimmer gibt es ein Durchgangszimmer. "Hier im Türrahmen hingen, wie von meiner Tante beschrieben, zwei Stangen mit Vorhängen: einer oben, einer unten", erzählte der Fleißer-Neffe damals. "Da haben wir Kinder Kasperltheater gespielt, das war eine Tradition. Meine Tante hat geschrieben, dass sie von den Nachbarskindern einen Pfennig gekriegt hat", sagt Widmann und lacht: "Wir haben nix gekriegt."

In Ingolstadt verbrachte Marieluise Fleißer fast 60 ihrer 72 Lebensjahre: Hier spielen ihre bekanntesten Stücke, ein Roman und mehrere Erzählungen. Die Provinz, die kleinbürgerliche Welt der Handwerker, Soldaten, Schüler und Dienstmädchen sind Thema für viele ihrer Werke. Das alles erzählt das Fleißer-Haus auf eine Art und Weise, dass vom Schulkind über den Ingolstädter Fleißer-Fan bis hin zum Germanisten alle Besucher angesprochen werden sollen.

Den Machern des Museums ging es darum, einen authentischen Ort der vergangenen Zeit zu schaffen. So hatte Tido Brussig, verantwortlich für Layout, Grafik und Design, die Idee, die Wände der Räume mit Stoffen der Fleißer-Kleider zu gestalten. Besucher können der Fleißer-Stimme lauschen und selber Texte einlesen. Oder sich die markante Brille der Dichterin aufsetzen für ein Selfie.

Ab Dienstag, 6. Oktober, 9.30 Uhr, sind Besucher im Fleißer-Haus willkommen. Die Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 9 bis 12 Uhr , samstags und sonntags von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt kostet drei Euro.

DK

 

Suzanne Schattenhofer