Lenting/Ingolstadt
Die Ruhe vor dem Sturm

Im Regionalen Planungsverband wird die Nutzung der Windenergie das beherrschende Thema werden

22.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:01 Uhr

Windräder sind in der Bevölkerung umstritten und nicht überall möglich. Zur Umsetzung der Energiewende will die Bundesregierung zwei Prozent der Fläche dafür – und die Länder müssen es umsetzen. Auf den Regionalen Planungsverband kommt Arbeit zu. Foto: Schalk

Peter von der Grün hat zwei spannende Jahre vor sich. Er ist nämlich turnusgemäß der neue Vorsitzende des Planungsverbands der Region und löst damit Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner ab. Erster Stellvertreter des Landrats von Neuburg-Schrobenhausen ist Ingolstadts OB Christian Scharpf, zweiter Stellvertreter Schrobenhausens Bürgermeister Harald Reisner.

Peter von der Grün wird sich im Planungsverband künftig nicht nur mit dem Dauerthema „Bodenschätze“ befassen müssen. Wie Regionsbeauftragter Sebastian Wagner von der Regierung von Oberbayern sagte, traf nach der Anhörung zum Satzungsentwurf im Herbst „eine Fülle von Stellungnahmen“ ein, deren Auswertung weit fortgeschritten sei. Das Ergebnis will Wagner dem Gremium noch vor der Sommerpause präsentieren. Aufgrund der zahlreichen Änderungsvorschläge werden weitere Anhörungen erforderlich sein. Vor 2023, so Wagner, werde es keinen Fortschreibungsentwurf zu den Bodenschätzen geben.

Das zweite beherrschende Thema des Regionalen Planungsverbands wird in den nächsten Jahren zweifelsohne die Nutzung der Windkraft darstellen. Ein Thema, das laut Gürtner sehr komplex sei, in der Bevölkerung sehr kontrovers beurteilt werde und zudem unter großem Zeitdruck erarbeitet werden müsse. Und zudem spielen hier auch Landes-, Bundes- und EU-Gesetze eine große Rolle.

Die Bundesregierung will den Stromanteil erneuerbarer Energien bis 2030 verdoppeln. Dabei soll die Windenergie eine große Rolle spielen, da sie sehr effektiv sei. Berlin plant, den Anteil der Flächen für Windenergie von weniger als einem bis auf zwei Prozent der Bundesfläche deutlich zu erhöhen, Verfahren zu beschleunigen und gesetzlich verpflichtende Ziele vorgeben. Mit dem neuen Windflächenbedarfsgesetz werden den Ländern künftig verbindliche Flächenziele vorgegeben: Bayern muss bis Ende 2026 etwa 1,1 Prozent der Landesfläche ausweisen, bis 2032 dann 1,8 Prozent. Der Gesetzentwurf enthält daher auch eine Neukonzeption der Länderöffnungsklausel für Mindestabstandsregelungen. Will heißen: Die Bundesländer dürfen zwar weiterhin über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie ihre Flächenziele erreichen und so ihren Beitrag zum Ausbau der Windenergie leisten. Erreichen sie ihr Flächenziel (die sogenannten Flächenbeitragswerte) nicht, treten die landesspezifischen Abstandsregeln wie in Bayern die 10H-Regelung außer Kraft – und auch andere Bestimmungen wie etwa aus Raumordnungs- oder Flächennutzungsplänen.

Sylvia Stegmüller, Referatsleiterin im Bayerischen Wirtschaftsministerium, gab den Mitgliedern des Planungsverbands einen dicht gedrängten Überblick über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Wind-an-Land-Gesetz), der noch im Juli im Bundesrat beraten werden soll. Und es ist eine wirklich komplexe Materie: Da ist die Rede von Konzentrationszonen, Flächenbeitragswerten, Teilflächenzielen, Standortgütefaktoren, Monitoring im Windatlas oder Ausschluss von Verhinderungsplanung. Und dann geht es erst ans Eingemachte, etwa bei Teilflächennutzungsplänen wie im Landkreis Pfaffenhofen, der Frage der Privilegierung von Investoren, den Zwischenschritten oder der Frage, wie es sich etwa im Umfeld von Flughäfen oder in Landschaftsschutz- respektive Natura-2000-Gebieten verhält. Stegmüllers Rat an die Kommunalpolitiker: „Die Kommunen können bis 2026 noch steuern.“ Wenn aber gar nichts gemacht wird, dann, so Stegmüllers Prognose, werde 2026 alles zugunsten der Windkraft privilegiert werden und es überhaupt keine 10H-Regel mehr geben.

„Der Bund setzt Ziele und Zwischenziele, und die Umsetzung erfolgt durch die Länder“, fasste es Klaus Ulrich, Abteilungsleiter im Bayerischen Wirtschaftsministerium, zusammen. Geplant sei, das 1,1-Prozent-Ziel auf alle 18 Regionen in Bayern herunterzubrechen, was am meisten Sinn mache. Und jede Region müsse auf dieses Ziel hinsteuern und Vorranggebiete für Windenergie ausweisen, wobei es natürlich Gegenden gibt, wo mehr Wind weht, und solche, die eher windstill sind. Hier soll noch ein Gutachten erstellt werden, wo was machbar ist – wobei die Region vermutlich unterhalb der 1,8 Prozent liegen dürfte.

Etliche Bürgermeister zeigten sich sehr gut informiert und stellten zahlreiche Fragen. Sollte jedoch Bayern die 1,1 Prozent bis Ende 2026 nicht erreichen, dann, so Ulrich, sei die Windkraft privilegiert und ein Investor könne fast überall Windräder aufstellen, sofern nicht immissionsrechtliche Gründe dagegen sprächen. Daher seien Regelungen im Landesentwicklungsplan vorgesehen. „Wir wollen kein Wild West in Bayern“, so Ulrich.

10H-Regel und Kompromiss

Von Anfang an sehr umstritten war die im Ende 2014 von der CSU favorisierte 10H-Regel umstritten, wonach Windräder in Bayern einen Abstand vom Zehnfachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden haben müssen. Ende April 2022 ein Kompromiss: Die Regel bleibt, jedoch sollen die Regionalen Planungsverbände als Ausnahme Vorranggebiete ausweisen können. Der Mindestabstand zu Siedlungen kann dabei auf 1000 Meter reduziert werden, also ungefähr die Hälfte normaler Abstände. Das soll bei Flächen möglich sein, die bereits eine Vorbelastung aufweisen gelten, also entlang von Autobahnen, großen Bundesstraßen oder Bahnstrecken, in Wäldern, auf Truppenübungsplätzen, beim Ersatz bestehender Windenergieanlagen oder direkt neben Industrieanlagen. Die CSU hofft, so dem Zwei-Prozent-Ziel näher zu kommen.

DK