Ingolstadt
Die Kreatur aus der Tupper-Dose

Kunstwerk von Gastronomin Nesrin Yilmaz von „Grow Job“ aus der Taufe gehoben

24.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:54 Uhr

Ganz schön schaurig: Kerem, der neunjährige Neffe von Nesrin Yilmaz, betrachtet im DistrictV das Kunstwerk seiner Tante. Fotos: Schattenhofer

Er ist ein Charakterkopf – sein Gesichtsausdruck schaurig-traurig. Um die 100 neugierige Gäste aus Politik und Wirtschaft, aus Kunst und Schanzer Szene finden sich am Donnerstagabend im DistrictV ein, um einen Blick auf Victors Kreatur von Nesrin Yilmaz zu werfen. Ob der Gruselmann das Zeug hat, Botschafter Ingolstadts zu werden, wird sich zeigen. Auf alle Fälle eignet er sich bestens als hübsch-hässliches Souvenir.

Es ist eine gelungene Premiere – ein cooles Event an einem heißen Sommerabend, wie man es seit Ausbruch der Pandemie vermisst hat. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen: Nesrin Yilmaz, Gastronomin mit künstlerischen Ambitionen, Veronika Peters, Stadträtin, Unternehmerin und Mäzenin, sowie Designerin und Künstlerin Bettina Krugsperger. In Vronis Ratschhaus haben sie die Geburt der Kreatur vorbereitet: Dort ist das Projekt „Grow Job“ angesiedelt, das Künstlern aus Ingolstadt professionelle Starthilfe gibt. „Mein Ratschhaus ist wie ein kleines brigk – wir unterstützen auch Startups“, erklärt Peters.

Wie das abläuft, erzählt Betty Krugsperger: „Ich weiß noch genau, wie Nessi hier mit einer Tupper-Schüssel auftauchte – ich hatte ein wenig Angst, was sie aus dem Zewa-Tuch auspacken würde“, erinnert sie sich. „Als ich es sah, war ich sofort überzeugt von der Idee.“ Krugsperger unterstützte Yilmaz fortan. Die Kreatur ist mittlerweile lizenzgeschützt.

Die Gastronomin, im Lockdown von Langeweile geplagt, ist tief in den Roman von Mary Shelley eingetaucht, um ihre Kreatur zu gestalten: „Im Buch wird er als Französisch sprechend bezeichnet“, sagt sie. „Von wegen: Der ist aus Schanzer Leichenteilen zusammengeflickt, also ein echter Bayer.“ Der künstlerische Prozess war flankiert von juristischen Debatten. Tausend Dinge gab es zu tun. Nesrin Yilmaz tüftelte mindestens so viel herum wie Dr. Viktor Frankenstein.

So entstand Victors Kreatur. Bei der Präsentation im District V krümmt sich im grellen Scheinwerferlicht eine kleine, gequälte Figur – ein Wesen, das Mitleid erregt, aber auch Grauen. In den Regalen stehen in Reih und Glied bunte Kerzen vom Kopf der Kreatur. Und an den Wänden hängt sein Porträt. Das Gesichts Ingolstadts? Nesrin Yilmaz versteht es als Angebot: „Wir brauchen etwas für unser Tourismus-Büro, denn die Leute wollen Souvenirs kaufen. Wir wollen die Schaufenster mit vielen Produkten verschönern.“ Ihr Traum ist eine mehr als zwei Meter große Figur, die – analog zu den Münchener Löwen – als Blickfang überall im Stadtgebiet stehen soll. Kontakte zu Modellbau- und Kunststofftechnik Wagner im Wettstetten sind bereits geknüpft: „Das kostet aber einen Haufen Geld, darum brauche ich dringend einen Hauptsponsoren“, so Yilmaz. Einen Wink mit dem Zaunpfahl schickt sie an den anwesenden IFG-Vorstand Georg Rosenfeld: „Die Münchner Löwen wurden auch von Gastronomen ins Leben gerufen, und dann ist die Stadt aufgesprungen. Aber wenn wir auf die Stadt warten, dann warten wir vermutlich noch die nächsten 30 Jahre...“

DK