Audi-Sommerkonzerte
Die Bamberger Symphoniker unter Giuseppe Mengoli brillieren im Ingolstädter Festsaal

18.07.2023 | Stand 14.09.2023, 11:26 Uhr |

Unerschöpfliche Ausdruckspalette: Thomas Hampson ist Solist bei den „Sieben frühen Liedern“ von Alban Berg, Giuseppe Mengoli dirigiert die Bamberger Symphoniker. Foto: Audi AG

Erst einen Tag zuvor war er feierlich zum Gewinner der „Mahler Competition“ gekürt worden. Und wenn man den italienischen Dirigenten Giuseppe Mengoli am Pult der Bamberger Symphoniker erlebt, weiß man sofort, warum gerade ihm diese Auszeichnung zuerkannt wurde. Im Rahmen der Audi-Sommerkonzerte wurde sein grandioses Preisträgerkonzert nochmals wiederholt und in den Theater-Festsaal gebracht.

Mit welchem Temperament, welchem Feuer, welcher Begeisterungsfähigkeit und welch durchdachtem, ausgeprägtem Sinn für klangliche Gestaltung der frischgebackene Sieger zu Werke geht, ist schlicht und ergreifend phänomenal. Bereits Joseph Haydns „Oxford-Symphonie“ sprüht unter seiner Führung vor purem Esprit, spritzigem Charme und überbordendem Witz. Den greifen die Bamberger Symphoniker geradezu lustvoll auf, inszenieren die umrahmenden Allegro- und Presto-Ecksätze hinreißend fulminant, leidenschaftlich, quirlig und flüssig konturiert, wissen aber genauso durch butterweiche, samtige und auch tänzerisch-aparte Phrasierungskunst zu glänzen. Dabei kitzelt Giuseppe Mengoli in seinen schwungvoll-swingenden, geschmeidigen, bis schier zu den Fingerspitzen reichenden Bewegungen jedes noch so kleine, liebevoll ausgeformte Detail-Raffinement aus seinen Musikern heraus.

Mitten hinein in ein dichtes Panorama der menschlichen Liebesgefühle nehmen dagegen Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“: Geahnte Liebe, gehoffte Liebe, ersehnte Liebe, der Liebesakt an sich mitsamt seinem Nachhall. Wie der Name schon verrät, handelt es sich um Jugendwerke, die der Komponist rund zwanzig Jahre später wieder aufgriff, zu einem Zyklus zusammenfasste und in eine Orchesterfassung brachte. Zu Recht gilt Berg als der „Romantiker“ der Zweiten Wiener Schule. Denn ihm gelang der Balanceakt, deren atonale Strukturen mit tonalen Elementen zu verschmelzen. In zeitgenössischer Literatur war Berg sehr bewandert, vor allem die Lyrik seiner Epoche kannte er genau. Aus diesem Fülle seines Wissensschatzes schöpfte er, um aus den Gedichten verschiedener Schriftsteller – darunter Hauptmann, Lenau, Storm oder Rilke – seine eigene „Liebesgeschichte“ zu kreieren, die jede einzelne Skala, jeden immanenten Aspekt ausleuchtet. Ursprünglich entstanden die poetisch-schwärmerischen Miniaturen für eine Frauenstimme. Bei den Sommerkonzerten erklangen sie jedoch aus dem berufenen Mund eines hochkarätigen männlichen Interpreten: Kein Geringerer als Thomas Hampson, über Jahrzehnte hinweg einer der größten Sänger unserer Zeit, machte die musikalischen Seelenflüge auf faszinierende Weise und mit ganzer Hingabe erlebbar. Alle sehnsüchtige Morbidität, die schillernde Ekstase, den euphorischen Rausch, die schwelgerischen Gefühlsaufschwünge, die dekadente „Fin-de-Siècle-Opulenz“, die sich in diesen (in ihren Anforderungen durchaus heiklen) Melodien offenbaren, beschwört er mit der emphatisch geführten Stimmkultur seines wunderschönen, hell-warmen, schlanken und doch substanziell veredelten Baritons herauf. Der Versuchung des übertrieben heroischen Auftrumpfens widersteht er klug und wohlüberlegt. Umso intensiver, umso wirkungsvoller, geradezu blumig-metaphorisch lässt er die hochromantischen, oft naturnahen Episoden sich entfalten und in den Saal strömen. Von den Bamberger Symphonikern enorm farbenreich und fein nuanciert getragen, erweist sich Hampson nach wie vor als unangefochtener Grandseigneur des Liedgesangs.

Eines von Alban Bergs erklärten Vorbildern war Gustav Mahler. Ihm wurde – natürlich in Reminiszenz an den nach ihm benannten Dirigier-Wettbewerb – der ganze zweite Teil des Programms gewidmet, genauer gesagt: den ersten beiden Sätzen aus seiner siebten Symphonie – und zwar in umgekehrter Reihenfolge. Mahler schuf hier ein wahrhaft klangkosmisches Universum, das bis in ewige, unendliche, gewaltige Sphären vorzudringen scheint. Darin kommen noch einmal in rückhaltloser Gänze sämtliche atemberaubenden Vorzüge des Orchesters zum Vorschein, welche Giuseppe Mengoli dem Klangkörper unter passioniertem gestisch-mimischen Einsatz entlockt. Was für eine dunkle Dramatik, welche düster-markante Schattierungen, wie viel Grenzen auslotende Emotionsextreme, welch visionäre Sprengkraft legen die Musiker da an den Tag! Bis hin zur transzendentalen Entrücktheit und hymnischen Verklärtheit reicht ihre unerschöpfliche Ausdruckspalette. Da sind ausnahmslos Könner ihres Fachs am Werk, bis hinein jede einzelne solistische Passage sind die „Bamberger“ sozusagen in Idealbesetzung aufgestellt.

Und gerade im zweiten Satz, der sogenannten „Nachtmusik“, blitzt manchmal sogar poetischer, bisweilen beinah volkstümlich anmutender, heiterer Zauber auf. Nicht umsonst gelten die Bamberger Symphoniker als eines der angesehensten Orchester in Europa. Grandios!

DK


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