Kunstfälscher? Da fällt einem einem sofort Konrad Kujau ein, über dessen gefälschte Hitler-Tagebücher Helmut Dietl seine Filmkomödie „Schtonk!“ drehte. Oder auch Wolfgang Beltracchi, der für einen der größte Skandale in der Kunstwelt sorgte, verurteilt wurde, darüber ein Buch schrieb, das zum Bestseller avancierte, und der später in einer ZDF-Reihe („Der Meisterfälscher“) vor der Kamera Prominente im Stile berühmter Künstler porträtierte.
Beide stehen (als Puppen) am Eingang der Ausstellung „Wa(h)re Fälschungen“ im Bayerischen Polizeimuseum, die am Donnerstag, um 17 Uhr eröffnet wird. Zur Einführung hält die Kunsthistorikerin Martina Sitt einen Vortrag zum Thema „Wenn das Geld die Kunst sucht“. Darin geht es beispielsweise um die Problematik der Geldwäsche.
Kunst als Ware oder wahre Kunst
Die Professorin für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte lehrt an der Kunsthochschule der Universität Kassel und hat mit ihren Studierenden eine Art Labor der Erfahrungen eröffnet, die beiden Bedeutungen des Ausstellungstitels nachgeht: Kunst als Ware und wahre Kunst.
Denn nahezu perfekte Fälschungen sind eine Bedrohung für den Kunstmarkt. Auktionshäuser, Aussteller, Galerien und Gutachter geraten ins Zwielicht. Betrachter und Sammler werden verunsichert.
Aber wo beginnt ein Verdacht und endet ein Beweis? Und wie gehen Sammler damit um, wenn ein Werk als Fälschung entlarvt wird? Die Ausstellungsmacher haben eng mit dem LKA in Stuttgart und in Berlin zusammengearbeitet und gefragt: Wie gehen die Ermittler vor?
Alle W-Fragen im Turm Triva
Woran erkennt man einen Fälscher? Wie sieht die kunstwissenschaftliche Recherche aus? Welche Technologien stehen den Ermittlern zur Verfügung? Wer verfolgt welches Interesse? Und was wird gefälscht? All diese W-Fragen finden sich in den sechs Räumen wieder, die Martina Sitt und ihr Team im Turm Triva bestückt haben.
Ansgar Reiß, Direktor des Bayerischen Armeemuseums und somit auch Hausherr des Polizeimuseums, hat die Ausstellung nach Ingolstadt geholt, „weil es ein brennend aktuelles und spannendes Thema ist, das viele Ebenen hat.
Die Ausstellung richtet den Fokus nicht auf die technische Diskussion, sondern beleuchtet die menschliche. Denn eigentlich ist es ein gesellschaftliches und psychologisches Phänomen.“
Gleich im ersten Raum hängt ein Bild aus dem eigenen Depot, das perfekt zum Thema passt: ein Porträt von Georg Stadelmann, Geschützgießereiintendent in Ingolstadt, gemalt 1861 von Hans Blum. Kuratorin Priscilla Pfannmüller erzählt die kuriose Geschichte dazu:
„Hans Blum hat 1929 in Berlin im Cafe gesessen, die Berliner Illustrierte aufgeschlagen und sein Gemälde gesehen – mit der Bildüberschrift: Ein neuer Leibl gefunden.
Ein neuer Leibl?
Tatsächlich ist dieses Gemälde 1929 in zwei großen Wilhelm-Leibl-Ausstellungen als Neuentdeckung präsentiert worden. Aber es war kein Leibl. Jemand hatte die Signatur abgenommen und Leibls Unterschrift gefälscht. Es kam dann zu einem großen Prozess. Denn 1929 hatte Richard von Kühlmann, großer Kunstmäzen und Außenminister in der Weimarer Republik, das Gemälde für eine irrsinnige Summe gekauft – im Glauben, dass es sich um einen Leibl handelte.
In dem Prozess ging es einerseits um die Rückabwicklung des Kaufs, aber auch darum, dass Hans Blum wieder draufstehen darf. Er konnte nachweisen, dass er der Urheber des Bildes war.“
Gleich daneben steht ein Sofa. Denn: „Man hat das Gefühl, das ist ein Bausteinsystem, nach dem ein Leonardo, ein Picasso, ein unentdeckter Botticelli aufploppt. Und der ist immer hinter dem Sofa, hinter einer Tapete, in der Dachkammer. Es handelt sich immer um dasselbe Narrativ“, erläutert Martina Sitt.
Deshalb gibt es auch eine Plakatwand mit „Breaking News“ von sensationellen Kunstfunden der Vergangenheit – hier Beispiele aus der englischen Presse. „Der englische Kunstmarkt ist der, der am meisten boomt“, sagt die Kunsthistorikerin.
Kunst aus der Asservaten-Kammer
Natürlich sieht man auch Fälschungen: Der Feldhase von Albrecht Dürer war im 16. Jahrhundert so ein Renner, dass er oft kopiert wurde. Etwa von Hans Hoffmann, der einen etwas anderen Hasen malte, den aber mit dem berühmten „AD“ signierte. Beide Werke sieht man nun nebeneinander.
Aus der Asservaten-Kammer der Polizei kommt ein vermeintlicher Schmidt-Rottluff, der als einer der wichtigsten Vertreter des Expressionismus bekannt ist. Dazu wird die Geschichte der Entlarvung des Gemäldes und vom Prozess erzählt. Im letzten Raum findet sich auch eine Hörstation, in der ein Richter vom Oberlandesgericht Hamburg von einem Urheberrechtsstreit berichtet und eine Auktionatorin über ihre Arbeit Auskunft gibt.
Fakten und Fälle zeigen: Das Geschäft mit den Fälschungen ist nicht nur eine Sache des Geldes, sondern ebenso sehr auch der Psychologie und der Emotion.
DK
Bayerisches Polizeimuseum, Turm Triva. Die Eröffnung am 10. Oktober um 17 Uhr ist frei, Laufzeit bis 2. Februar 2025.
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