Interview
Der evangelische Dekan Thomas Schwarz über den Jazz-Gottesdienst am Sonntag, 6. November, in St. Matthäus Ingolstadt

„Die Menschen sollen sagen, das hat mir gut getan“

03.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:50 Uhr

Batter my soul, das sind: (v.l.) Tom Diewok (Schlagzeug), der evangelische Dekan Thomas Schwarz und Gerhard Schmidt (Orgel). Sie gestalten den Gottesdienst zu den 39. Ingolstädter Jazztagen am Sonntag, 6. November, um 11 Uhr in der Kirche St. Matthäus, Schrannenstraße 11. Foto: privat

Sie sind seit 14 Jahren fester Programmpunkt der Ingolstädter Jazztage: Tom Diewock am Schlagzeug, Gerhard Schmidt an der Kern-Orgel der Kirche St. Matthäus Ingolstadt und Thomas Schwarz, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanats Ingolstadt, mit seinen liturgischen Texten. Am Sonntag, 6. November, sind sie wieder ab 11 Uhr zu erleben. Das Motto lautet heuer „magic encounters“. Thomas Schwarz erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung, was die Gottesdienstbesucher erwartet.

Herr Schwarz, was verbirgt sich hinter dem Motto „magic encounters“?

Thomas Schwarz: Jeder Mensch, jeder Mann, jede Frau, wird bei der Rückschau auf sein Leben entdecken, dass es Begegnungen gab, die wichtig waren, die begeistert, beeinflusst, aber auch verletzt haben. Begegnung ist für uns Menschen grundsätzlich so etwas wie Medizin. Deshalb haben wir in diesem Jahr das Thema „Begegnung“, englisch „encounters“, gewählt, weil die Pandemie uns hat spüren lassen, dass wir Menschen die Medizin Begegnung brauchen. Es ist schön, dass es nun wieder geht. Dem wollen wir beim Jazz-Gottesdienst nachspüren. Aber es ist auch nicht mehr so wie vorher. Denn wir sind zwar schon wieder gesundet. Dennoch hat es sich tief in unsere Seelen eingeschnitten, dass wir uns so lange nicht mehr von Angesicht zu Angesicht treffen konnten. Und auch dem spüren wir nach. Denn es wird nicht mehr so sein wie bisher.

Wie entwickeln Sie ein solches Thema in Ihrer Dreier-Gruppe, die eben die Seele schon in ihrem Namen – Batter my Soul – trägt?

Schwarz: Ja, unser Name ist Programm. Wir möchten, dass die Menschen am Ende des Gottesdienstes aus der Matthäuskirche herausgehen, sagen: Es hat mir gut getan. Dazu gehört Wort und Musik. Deshalb stehen am Anfang die musikalischen Einfälle von Tom Diewok und Gerhard Schmidt und meine Gedanken, die ich in Liturgie ummünze. Deshalb suchen wir immer ein Thema, das uns gegenwärtig bewegt.

Sie sind ja nicht immer nur in dieser Grundformation zu erleben. Sie hatten schon die Schauspielerin und Sängerin Olivia Wendt dabei, Simone Schimpf, die ehemalige Leiterin des Museums für Konkrete Kunst, wurde eingeladen; ein breites Feld an Kunstformen also, die man gemeinhin in einem Gottesdienst nicht erwartet...

Schwarz: Aber genau deshalb machen wir das, damit wir die Themen, die wir finden, den Menschen möglichst eindrücklich sichtbar, hörbar und spürbar vermitteln. Dazu gehört Kunst in Form von Bildern, dazu gehört unterschiedliche Art von Musik, von Tönen und Rhythmen – wir hatten ja auch schon zweimal einen Rapper eingeladen. Menschsein umfasst nicht nur Augen und Ohren, deshalb ist Gottesdienst eine alle Sinne ansprechende Veranstaltung. Deshalb ergänzen wir uns manchmal, fragen und suchen danach, wen wir noch dazu brauchen.

Sie suchen sich also auch Ihre eigenen Begegnungen und Inspirationen mit anderen, mit ihren möglichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und Sie denken an diejenigen, die zum Jazz-Gottesdienst kommen...

Schwarz: In einem umfassenden Sinne tauschen wir uns aus. Bei der Vorbereitung auf den Gottesdienst an diesem Sonntag habe ich mich leiten lassen von Martin Buber, der schon einmal als der Dialog-Philosoph des 20. Jahrhundert bezeichnet wurde. Von ihm stammt der Gedanke: „Alles Leben ist Begegnung. Wenn wir aufhören, uns zu begegnen, dann ist es, als hörten wir auf zu atmen.“ In diesem Gedanken steckt Grundlegendes gerade für uns heute. Denn es bedeutet: Ich entdecke in der Begegnung mit anderen mich selbst. Und impliziert, dass ohne das Du der ganze Individualismus gar nicht existierte. Und es hat eine tiefe religiöse Dimension. Begegnung heißt auch die Begegnung mit dem Göttlichen und Transzendenten. Auch das ist lebensbefruchtend – für jeden einzelnen Menschen und für die Gesellschaft.

Ist das also das „magic“ im Motto des Jazz-Gottesdienstes am 6. November?

Schwarz: Ja. Und darüber hinaus wirkt das Magische im Alltag. Denken Sie an die Liebe mit ihren mit „magic moments“. Wenn ich einen Menschen entdecke und lieben lerne oder ich spüre, dass ich geliebt werde, dann verändert das den Menschen und dessen ganz normalen Alltag.

Für wen war und ist der Jazz-Gottesdienst gedacht? Speziell für das Jazztage-Publikum?

Schwarz: Grundsätzlich gilt: Musik berührt Menschen und ein Gottesdienst ohne Musik – ganz gleich welcher Art –ist kein Gottesdienst. Da die Menschen unterschiedlich sind, gehören alle Formen dazu wie Popularmusik, klassische Musik und der Jazz. Kirche muss immer am Puls der Zeit und der Menschen sein, muss das städtische Leben wahrnehmen und aufnehmen, interpretieren, deuten und gestalten. Da in Ingolstadt die Jazztage eine gute Tradition und ihr Publikum haben, dann sollte eine Stadtkirche, wie es St. Matthäus ist, dies auch wahrnehmen. Die zentrale Kirche in der Stadt sollte immer die wichtigsten, die zentralen Themen der Stadt aufnehmen. Für St. Matthäus passt es zudem gut, weil hier die hauptamtliche Stelle des Kirchenmusikers für den Dekanatsbezirk Ingolstadt angesiedelt ist.

DK

Das Gespräch führte Barbara Fröhlich.