Chefärzte in Ingolstadt schlagen Alarm
Mehr fortgeschrittene Tumorerkrankungen in der Pandemie

21.02.2022 | Stand 21.02.2022, 21:17 Uhr

Zu spät zum Arzt aus Angst vor Corona? Ärzte beobachten mehr fortgeschrittene Tumorerkrankungen während der Pandemie. Die Aufnahme zeigt ein kleinzelligen Lungenkarzinoms, das zentral wächst und insbesondere den rechten Hauptbronchus einengt. Foto: Klinikum Ingolstadt

Ingolstadt – Offensichtlich hat die Angst vor Corona abgeschreckt, frühzeitig zum Arzt zu gehen. In der Pandemie beobachten Ärzte bei einigen Krebsarten eine Zunahme der Schwere, bei Herzinfarkten das Zögern von Patienten, sich behandeln zu lassen. Der Geschäftsführer des Klinikums, Andreas Tiete, und fünf Direktoren des Klinikums appellieren deswegen dringend, bei starken Beschwerden frühzeitig ärztlichen Rat zu suchen und auch Vor- und Nachsorgeangebote wahrzunehmen.



Lars Henning Schmidt, Direktor der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie, sieht seit Beginn der Pandemie mehr Lungenkrebsfälle in weit fortgeschrittenen Stadien. „Waren vor Beginn der Pandemie bei rund einem Viertel aller Patienten noch keine Metastasen nachweisbar, so beobachte ich, dass der Anteil dieser Patienten seit zwei Jahren nur noch etwa ein Zehntel beträgt.“ Rund 20 Prozent mehr Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen als vor der Pandemie schätzt Professor Andreas Manseck, Direktor der Klinik für Urologie, für seinen Fachbereich. Auch in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie sieht Klinikdirektor Professor Markus Rentsch vermehrt Patienten mit schweren Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes.

Während des Lockdowns seien vor allem bei potenziell heilbaren Tumoren der Bauchspeicheldrüse und Gallenwege, der Speiseröhre und des Dickdarms zwischen 20 und 30 Prozent weniger Patienten gekommen. „Mit jedem Monat, den der Krebs später erkannt wird, sinken die Heilungschancen“, betont Rentsch. In den Herzkatheterlaboren des Klinikums sei die Zahl der Patienten um etwa ein Fünftel gesunken, schätzt Professor Karlheinz Seidl, Direktor der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin. Deutschlandweit liege der Rückgang sogar noch höher – bei 35 Prozent. Seidl: „Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute.“

Auch bei Schlaganfall sollte man sofort zum Arzt, rät Professor Thomas Pfefferkorn, Direktor der Klinik für Neurologie. Während des ersten Lockdowns sei deutschlandweit ein Rückgang der Schlaganfallpatienten von bis zu 25 Prozent beobachtet worden.

rl