Ingolstadt
"Der Mischmasch macht’s"

Der jetzige und der frühere Organisator des Bürgerfestes, Albert Schneider und Bernhard Vollnhals, im DK-Gespräch

09.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:05 Uhr

Die Bühne in der Ludwigstraße ist schon aufgebaut. Eine passende Kulisse für ein Gespräch über die Entwicklung des Bürgerfestes mit Albert Schneider vom Kulturamt (links), dem heutigen Organisator, und Bernhard Vollnhals, der das Fest vor 30 Jahren konzipiert hat - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Der jetzige und der frühere Organisator des Bürgerfestes, Albert Schneider und Bernhard Vollnhals, im DK-Gespräch.

Das Ingolstädter Bürgerfest. Vielfach totgesagt, nie totgekriegt. Im Gegenteil: Die Ingolstädter lieben ihr Bürgerfest. Was ist das Erfolgsrezept?

Albert Schneider: Das Erfolgsrezept sehe ich zum einen darin, wie lange es das Fest schon gibt. Es ist im gesamten Altstadtbereich, nicht nur auf einen Platz bezogen. Und wenn man beim Bürgerfest durch die Straßen geht, trifft man wirklich jeden, den man sonst vielleicht ein halbes oder ein ganzes Jahr gar nicht gesehen hat. Und ich glaube, ein Erfolgsrezept ist auch, dass Menschen aller Altersklassen aufs Bürgerfest gehen. Ich denke, die Leute wollen nicht das total anspruchsvolle Kulturprogramm, sondern sie wollen zum Kommunizieren herkommen, sie wollen flanieren, was zum Essen und zum Trinken haben, der Mischmasch macht’s aus, denke ich.

Bernhard Vollnhals: Einer der häufigsten Sätze, die man auf dem Bürgerfest hört, wenn man jemanden trifft, ist, „wir sehen uns eigentlich nur am Bürgerfest“.

 

Wir haben heuer das 25. Bürgerfest, aber eigentlich gibt’s das Fest ja schon seit 30 Jahren. 1985 war das erste. Herr Vollnhals, Sie waren der Mann der ersten Stunde. Wie sind Sie damals dazu gekommen, das Bürgerfest zu organisieren?

Vollnhals: Der Volksfest- und Marktausschuss der Stadt, damals unter Federführung von Bürgermeister Amler, hat darüber diskutiert, dass es im Sommer sehr viele kleine Einzelveranstaltungen gibt. Ziel war, eine größere Veranstaltung zu machen. Das hatte verschiedene Gründe: Erstens waren die Anwohner nicht begeistert, wenn jedes Wochenende was war, auch zum Organisieren war es nicht einfach. Der Ausschuss hat gesagt, wir versuchen es mit einem einzigen großen Fest zu einem Termin, und da müssen alle mitmachen, die Interesse haben. Ich war damals bei der Narrwalla als Hofmarschall und Organisator aktiv, deshalb hatte man mich zu einem Gespräch eingeladen und gebeten, ein Konzept vorzulegen. Dann hatte ich drei Wochen Zeit, mir zu überlegen, wie man das machen könnte. Mein Konzept ist gut angekommen. Die Meinung von manchen war zwar, wir sollten kleiner anfangen und dann erweitern. Ich habe gesagt, davon halte ich nichts, ich möchte es gleich groß machen. Entweder es wird was oder es wird nichts. Und so ist es dann abgesegnet worden, so sind wir 1985 ins erste Bürgerfest reingegangen.

 

Und es ist was geworden.

Schneider: Ja, es war ein Bombenerfolg.

Vollnhals: Die Leute haben uns überrannt. Ich bin am Paradeplatz gestanden, weil wir da auch ein Auto verlost hatten. Ich habe Tränen in den Augen gehabt. Ich hab’ das alles nicht für möglich gehalten. Es war wunderbar.

 

Was hat sich in den letzten 30 Jahren am Bürgerfest verändert? Wie hat es sich entwickelt?

Vollnhals: Das Bürgerfest ist moderner geworden. Es hat sich von der Ausdehnung her nicht wesentlich vergrößert, nur verlagert. Aber es ist immer zeitgemäßer geworden. Das Bürgerfest, wie es 1985 der Kracher war, würde heute niemanden mehr rauslocken. Die Zeit ist vorbei. In der Entstehungsgeschichte war es ein Fest von Bürgern für Bürger, da haben die Vereine mitgemacht, Sportvereine, Kulturvereine, Landsmannschaften. Die haben sich beteiligt. Aber das ist zwei, drei Jahre gutgegangen, dann haben die gesagt: „das Fest ist so toll, ich mag mich da selber amüsieren, ich mag mich nicht mehr hinstellen.“

 

Besser, schneller, größer, mehr Action. Das gilt auch beim Bürgerfest. Wir hatten Bungee-Jumping, House-Running, heuer Skywalk. Was kommt beim nächsten Mal?

Schneider: Wir arbeiten ja mit der Firma Sports Unlimited zusammen, die nicht nur solche Sachen macht, sondern hauptsächlich fürs Fernsehen arbeitet, Stunts übernimmt. Die Firma ist in der ganzen Welt unterwegs, in Hepberg ansässig. Sie kommt immer mit Vorschlägen auf uns zu.

 

Haben Sie selber schon mal so was ausprobiert?

Schneider: Ehrlich gesagt, bin ich ein Schisshase, ich habe Höhenangst. Bisher hab ich’s noch nicht gewagt. Obwohl? Das Foto im DONAUKURIER, ich hab’ gedacht, na ja, ganz so schlimm wie letztes Jahr ist es nicht. Ich bin also noch schwankend, sozusagen.

 

Vielleicht können wir Sie im Laufe des Bürgerfestes beim Skywalk noch erleben.

Schneider: Vielleicht.

 

Über kaum ein Fest wird so viel geredet, kritisiert und geschimpft wie übers Bürgerfest. Wie genervt sind da die Organisatoren?

Schneider: Das ist sehr anstrengend, muss ich zugeben. Es spielen wirklich viele Faktoren eine Rolle. Einerseits muss man die Gastronomen bedienen, dann soll man ein Kulturprogramm anbieten, dann gibt’s die Geschäftsanlieger, die ihre Interessen wahrnehmen, die Anwohner, das Publikum. Sie können sich vorstellen, all diese Gruppen unter einen Hut zu bringen ist manchmal sehr stressig. Es kommt halt zu Konflikten. Aber bis jetzt hat man es immer letztlich im Gespräch lösen können.

 

Stichwort Steaksemmel. Als Sauf- und Fressfest war das Bürgerfest schon verschrien.

Schneider: Der Begriff hängt immer in der Luft. Aber wenn man bewusst durchgeht, dann ist das nicht korrekt. Wir haben auch jetzt noch Kulturvereine da, der serbische Kulturverein ist da, der ungarische, der türkische, der kroatische, die Polen wollten mitmachen, haben sich aber leider so spät gemeldet, dass kein Platz mehr da war. Es ist also ein vielfältiges Speiseangebot geboten. Auch viel Folklore ist da. Man muss sich halt die Mühe machen, das Programmheft anzuschauen, dann weiß man schon, was einem zusagt. Es gibt viele Geschmäcker. Der eine will Hip-Hop-Musik, der andere lieber Folklore, die Senioren möchten was Ruhiges. Wenn man gezielt schaut, dann ist wirklich für jeden etwas dabei.

 

Vor ein paar Jahren gab’s Überlegungen, das Bürgerfest durch einen ,Sommerlenz’ zu ersetzen. Herr Vollnhals, als Sie das Wort zum ersten Mal gehört haben, was haben Sie da gedacht?

Vollnhals: Da bin ich erschrocken. Gott sei Dank hat sich das nicht durchgesetzt. Der Aufschrei in der Bevölkerung war so groß, dass man zurückgerudert ist.

 

Seit 2006 ist das Bürgerfest im Wechsel mit dem Herzogsfest. Hat sich das bewährt?

Schneider: Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Das Bürgerfest ist moderner geworden, größer, sodass es wesentlich mehr Zeitaufwand erfordert. Sie haben heute viel mehr Verwaltungsvorschriften zu beachten. Beide Feste in einem Jahr wären fast nicht machbar. Außerdem: Irgendwann läuft sich das dann tot. Wenn es im Zweijahreswechsel ist, dann freuen sich die Bürger drauf.

Vollnhals: Ich finde diese Regelung sehr positiv. Es hat sich ja noch was verändert seit 1985. Wir haben reihum andere Bürgerfeste auch noch. Manching, Vohburg, Kösching, Eichstätt, Neuburg. Es macht jeder sein Bürgerfest. Da ist es gut, dass das Ingolstädter Bürgerfest nur alle zwei Jahre stattfindet.

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Bürgerfestes? Bürgerfest 2030, wird es das noch geben? Wie wird es aussehen?

Schneider: Nachdem ich Ende des Jahres 53 werde, werde ich das Bürgerfest 2030 definitiv nicht mehr machen.

 

Eine Prognose?

Vollnhals: Wenn das Interesse weiter so bleibt, wie es im Augenblick ist, kann man zufrieden sein und durchaus weitermachen. Immer wieder mit neuen Ideen, man darf nicht auf dem Ist-Stand stehenbleiben. Und wenn man merkt, es interessiert sich keiner mehr dafür, dann muss man umdenken. Bevor es sich selber totläuft, hört man auf.

 

Das Gespräch führte

Ruth Stückle.