Ingolstädter Kabaretttage
Bodo Wartke macht sich auf alles einen Reim

Klavierkabarettist tritt mit seinem Programm „Wandelmut“ im Festsaal auf

01.12.2022 | Stand 18.09.2023, 21:25 Uhr

In seinem sechsten Klavierkabarettprogramm erforscht Bodo Wartke das Wechselspiel von Stetigkeit und Wandel. Am 19. Dezember gastiert er mit „Wandelmut“ in Ingolstadt. Foto: Hagolani

Nein, Bodo Wartke hat keinen Zwillingsbruder. Auch wenn manche Fotos zum aktuellen Programm das nahelegen. Da sieht man gleich zwei Bodo Wartkes – einmal im roten, einmal im grünen Anzug –, die einander an den Händen halten. „Ein Gag“, sagt er. „Das sind zwei der vielen Seiten von mir, und zwar zwei, die miteinander in Beziehung stehen.“

Beide Anzüge trägt er tatsächlich während seiner Show – den einen vor, den anderen nach der Pause. Bodo Wartke macht „Klavierkabarett in Reimkultur“: Reime auf Ramsch, Murmel oder Monster? Kein Problem. Wo andere das Handtuch werfen, da fängt Bodo Wartke erst an. Seit mehr als 25 Jahren ist er auf den Bühnen dieser Welt unterwegs. Und tritt zum Abschluss der Ingolstädter Kabaretttage am 19. Dezember im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt auf. Das aktuelle Programm heißt „Wandelmut“.

Herr Wartke, was ist denn Wandelmut? 
Bodo Wartke: Erst mal natürlich ein Wortspiel mit Wankelmut. Ich fand es schon immer spannend zu gucken, wie Worte sich verändern, wenn man nur einen Buchstaben austauscht. Wankelmut ist negativ konnotiert. Der Mut zum Wandel wird positiv gedeutet. Als etwas, das es gerade braucht, um den Fährnissen des Lebens zu begegnen. Der Wandel vollzieht sich ja immer unaufhaltsamer – vor allem, was das Klima betrifft. Das sind Themen, die immer mehr ins öffentliche Bewusstsein geraten – und mithin in meine Kunst.

Was ist denn zuerst da, der Titel oder das Programm?

Wartke: Mal so, mal so. Wichtig ist, dass am Ende der Titel zum Programm passt. Ich hatte mir schon lustige Titel ausgedacht, die dann mit dem Programm nicht mehr viel zu tun hatten. Wandelmut passt, denn die meisten Lieder lassen unter dem Thema Wandel subsumieren. Daher waren auch zunächst Titel wie „Das Wandeln ist des Müllers Lust“ oder „Wandelblüte“ in der Auswahl.

Ihr 25-jähriges Dienstjubiläum fiel ausgerechnet ins Corona-Jahr 2021. Wer hat denn gratuliert? Und was gab als Prämie?
Wartke: Ich bin ja mein eigener Chef. Was hätte ich da tun sollen? Aber es war doch frappierend zu sehen, wie schnell 25 Jahre vergangen sind. Wir haben in den letzten Tagen sämtliche Filmaufnahmen, die es von mir gibt, DVDs, Streaming-Konzerte, Archivmaterial nonstop als YouTube-Stream veröffentlicht – unter unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Das war schon stattlich. Ich war anscheinend nicht untätig. Allein für mein Jubiläumskonzert eine Auswahl aus den etwa 130 Liedern zu treffen, war nicht ganz leicht.

Hat sich Ihre Arbeit als Musikkabarettist verändert in diesem Vierteljahrhundert? Klar: Die Themen sind andere geworden – aber auch Ihre Arbeitsweise oder die Bedingungen oder gar das Publikum?
Wartke: Das Publikum ist im Laufe der Jahre größer geworden – aber jetzt durch Corona leider auch wieder ein bisschen kleiner. Was konstant geblieben ist, ist diese Selbstverständlichkeit, mit der ich auf die Bühne trete: Schon als 19-Jähriger war das mein Antrieb: Ich habe ein Lied geschrieben, das singe ich Euch mal vor. Mit zunehmendem Alter zapple ich weniger rum.

Haben Sie den Eindruck, dass der Empörungsmechanismus schneller anschlägt – auch durch die sozialen Medien?
Wartke: Meine Themen sind gesellschaftspolitischer geworden. Was nicht heißt, dass ich das am Anfang nicht auch schon war. Mein erstes ernstes Lied hieß „Ein Denkmal denkt“, ein Antikriegslied. Ich habe es 1998 geschrieben. Und heute ist es aktueller denn je. Ohne dass ich ein einziges Wort verändern musste. Empörung ist einfach, aber es ist doch viel hilfreicher, wenn es einem gelingt, unterhaltsam und kreativ zu sein – und eine neue Perspektive auf ein Thema zu eröffnen.

Sie sind eigentlich nach Berlin gezogen, um Physik zu studieren. Wie kam dann der Sprung zur Musik?
Wartke: Als Kind wollte ich Erfinder werden. Das war mein erster Berufswunsch. Ich habe sogar etwas erfunden. Eine Klavier-Notenbuch-Umblätter-Maschine. Die hat es fast zum funktionsfähigen Prototypen geschafft. Ich war in Mathe immer gut in der Schule. Die Schönheit der Struktur hat mich fasziniert. Letztendlich genau das, was ich an Songtexten auch gut finde, wenn sie einerseits Inhalt transportieren, andererseits architektonisch gut gearbeitet sind und sich an Stellen reimen, wo man es vielleicht gar nicht vermutet hätte. Wenn alles an seinen Platz fällt, ist das ein unglaublich beglückender Moment. Der Unterschied ist, dass man eine gelöste Matheaufgabe danach nur mit Fachpublikum teilen kann, einen Songtext aber mit allen.



Aber warum Physik?


Wartke: Als ich mit dem Physikstudium anfing, dachte ich: Das ist Natur erklären mit Mathe. Doch ich merkte schnell, dass mich das nicht mit Leidenschaft erfüllte. Aber was mich erfüllte, war in Physikvorlesungen Gedichte zu schreiben und sie abends auf der Bühne vorzutragen. In Berlin Schöneberg gibt es eine kleine Bühne, die Scheinbar. Dort konnte ich mich ausprobieren. Also wechselte ich irgendwann ganz zur Musik. Die Scheinbar gibt es immer noch. Vor wenigen Tagen war ich wieder dort. Mit meinem neuen Projekt, aus gängigen deutschen Zungenbrechern Gedichte zu machen. Etwa zu „Fischers Fritz fischt frische Fische“. Das macht total Spaß, aber man muss verteufelt gut üben.
Wie finden Sie Reime? Gibt es mittlerweile eine Reim-App oder welche Hilfsmittel verwenden Sie?
Wartke: Es gibt Reimlexika, auch in App-Form. Aber die sind nicht gut programmiert. Nicht alles, was gleich geschrieben ist, reimt sich. Dafür reimen sich Sachen, die ganz anders geschrieben sind. Ich finde Reime spannend, wo man sie nicht vermutet. Wort- oder zeilenübergreifende Reime. Doppelreime. Reime sind für mich der Übergang von Sprache zu Musik.

Gibt es Wörter, auf die selbst Sie keinen Reim finden?

Wartke: Es gab mal eine Rubrik im Berliner Stadtmagazin Zitty, die nannte sich „Primreime“. Da wurde die Leserschaft aufgefordert, einen Reim auf ein bestimmtes Wort zu finden, an dem selbst das Reimlexikon scheitert. Die besten Lösungen wurden abgedruckt. Ich habe mehrmals daran teilgenommen – und konnte meine Reime auf zwitschern, Onkel oder Monster präsentieren.

Als Pianist reisen Sie ohne Instrument an – und müssen mit Instrumenten vor Ort zurechtkommen. Gab es da schon mal unliebsame Überraschungen?
Wartke: Früher schon. Ich erinnere mich an ein E-Piano mit Wackelkontakt. Das war vor langer, langer Zeit bei einem Spargelessen in Herten-Scherlebeck. Im Nachhinein ist das eine gute Anekdote. Inzwischen kann ich auf einem Mindeststandard beharren – und tue das auch. Denn ein richtiger Flügel trägt zum Ambiente und zum Bühnenbild bei. Es gibt Kollegen, die reisen tatsächlich mit dem eigenen Instrument – etwa Konstantin Wecker. Aber das ist mir zu aufwendig. Und ich mag die Abwechslung.

DK



Die Fragen stellte Anja Witzke.



19. Dezember, 20 Uhr, Festsaal Ingolstadt, Tickets gibt es in der Tourist Information und über www.ticket-regional.de. Alle Infos zu Bodo Wartke unter www.bodowartke.de