Nachwuchs statt Nachtrauern
Beim ERC Ingolstadt wurde Thomas Oppenheimer nicht glücklich – wie es ihm heute geht

30.11.2024 | Stand 30.11.2024, 17:48 Uhr |

Ein zertrümmertes Schlüsselbein beendete Thomas Oppenheimers Karriere. Foto: Imago Images

Beim ERC Ingolstadt unterschrieb Nationalspieler Thomas Oppenheimer einst einen Fünfjahresvertrag, doch die vermeintliche Traumehe zerbrach schnell. Sechs Jahre nach der Verletzung, die seine Karriere beendete, und einem Intermezzo als Start-up-Unternehmer für gesunde Ernährung ist der 35-jährige Oberbayer nun zurück im Eishockey – und glücklich.

Berlin, 14. September 2018, erster Spieltag der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). In der 31. Minute hat Thomas Oppenheimer für seinen Klub Eisbären Berlin gegen den amtierenden Meister EHC München zum 1:2-Anschluss getroffen, wenig später schickt ihn John Mitchell mit einem Check in die Bande. Oppenheimer merkt sofort, dass etwas nicht stimmt, Bilder zeigen ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dass dieser Check seine Karriere mit nicht einmal 30 Jahren beendet, weiß der Nationalstürmer da noch nicht.

Heilung verläuft nicht wie geplant

„Das Schlüsselbein war in mehrere Teilchen zertrümmert“, berichtet Oppenheimer im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Ärzte setzen ihm eine Platte ein und prognostizieren eine Ausfallzeit von ein paar Monaten. „Aber es ist nicht wie geplant zusammengeheilt. Es bildete sich eine Pseudoarthrose, bei einer weiteren Operation wurde mir Knochen aus dem Becken ins Schlüsselbein eingesetzt“, schildert der Peitinger seinen Leidensweg.

Die Saison geht ohne Comeback zu Ende, sein Vertrag in Berlin läuft aus. In der Heimat versucht er, sich wieder in Form zu bringen. „Aber das Vertrauen der Vereine war nicht mehr so da. Weil ich schon zwei Kinder hatte, habe ich 2020 eben den Entschluss gefasst aufzuhören“, berichtet Oppenheimer. Es ist das frühe Ende einer tollen Karriere: 601 DEL-Partien, 288 Scorerpunkte, zwei WM-Turniere mit der Nationalmannschaft.

Ein „Gesicht des ERC“ wird Oppenheimer nicht

Seine ersten Schritte in der höchsten Liga hatte der Oberbayer bei den Frankfurt Lions gemacht, nach deren Insolvenz 2010 stürmt er für die Hamburg Freezers. Auch die ziehen sich 2016 aus der DEL zurück – und Jiri Ehrenberger schlägt zu. „Thomas ist ein Spieler, der mit seinen herausragenden sportlichen Qualitäten und seiner bayerischen Herkunft perfekt zu uns passt“, wird der damalige Sportdirektor des ERC Ingolstadt zitiert. Die Panther statten Oppenheimer sogar mit einem Fünfjahresvertrag aus: „Er wird eine Schlüsselrolle in unserer Mannschaft übernehmen und eines der Gesichter des ERC Ingolstadt werden“, jubelt Geschäftsführer Claus Gröbner.

Dieses Gesicht blickt allerdings häufig missmutig drein. Die neue Identifikationsfigur fremdelt sichtlich mit dem Panther-Team, das aus Grüppchen besteht, der Angreifer wirkt genervt, dünnhäutig. „Ich bin ein Spieler mit gewissen Werten, und damals war es so, dass ich manche Dinge in Ingolstadt nicht so gut gefunden habe. Meine Werte haben mit denen, die im Verein gelebt wurden, nicht zusammengepasst“, sagt Oppenheimer heute.

Wechsel nach Berlin − im Tausch mit Olver

Er habe als Assistenzkapitän, in manchen Partien auch mit dem „C“ auf der Brust, eine Führungsrolle übernehmen sollen: „Das funktioniert aber nur, wenn man dieselben Werte vertritt, und ich war in manchen Dingen anderer Meinung als gewisse Personen. Deshalb hat es nicht gepasst.“ Für ihn sei ein respektvoller Umgang mit den Spielern ebenso wichtig wie „die Ruhe zu bewahren, auch wenn es mal nicht so läuft“.

Trotz 19 Treffern verlässt Oppenheimer Ingolstadt nach nur einem Jahr im Tausch mit Darin Olver in Richtung Berlin. „Aber ich betone: Das war zum damaligen Zeitpunkt, jetzt machen sie in Ingolstadt einen guten Job, der ERC ist ein guter Verein. Es war auch nicht alles schlecht, meine Familie und ich haben dort auch tolle Menschen kennengelernt“, stellt er klar.

Mit den Eisbären erreicht Oppenheimer das Finale 2017. Wenig später folgt die Sache mit dem Schlüsselbein, das er bis heute mit Übungen beweglich halten muss. „Ich kann mich trotzdem glücklich schätzen. Viele haben noch früher eine Verletzung“, sagt er. Nur Olympische Spiele, die hätte er schon gerne erlebt, gibt er zu. „Ich trauere aber nichts hinterher.“

Eishockey schlägt Start-up-Business

Der Eishockey-Rentner studiert Business Administration und eröffnet ein Start-up für gesunde Gemüse-Drinks in München. Oppenheimer ist zwar mit Leidenschaft dabei, doch die Rufe aus seinem Lieblingssport sind am Ende lauter. „Die Aufgaben und der Zeitaufwand im Unternehmen wurden immer mehr, und wir standen vor der Frage: Investieren wir noch mal und vergrößern uns oder ziehen wir uns zurück?“, beschreibt der mittlerweile vierfache Vater die Überlegungen. „Weil ich nebenbei im Eishockey mitgeholfen und sich in Peiting die Möglichkeit ergeben hatte, Nachwuchskoordinator zu werden, haben wir uns so entschieden.“

Seit dieser Saison ist B-Lizenzinhaber Oppenheimer jedoch nicht nur Nachwuchschef beim Oberligisten, sondern auch Co-Trainer der U 16-Nationalmannschaft unter Bundestrainer Robin Beckers – und mit Torwarttalent David Nidens vom ERC. „Ich wurde im August gefragt, ob ich gerne mal dabei sein würde. Über diese Chance war ich sehr froh“, sagt er.

Co-Trainer der U 16-Nationalmannschaft

Der Ex-Stürmer half bei einem U 16-Sommerlehrgang in Füssen und einem im November in Finnland mit – und womöglich ist er auch Ende Dezember beim Fünf-Nationen-Turnier in Tschechien dabei. „Mir macht der Nachwuchs Riesenspaß, weil ich den Kindern und Jugendlichen gerne meine Erfahrungen weitergebe“, schwärmt er. Keine Spur mehr vom missmutigen Oppenheimer aus Ingolstädter Tagen.

Artikel kommentieren