Ingolstadt
Befunde und Thesen zu Stadtplanung und Urbanität

„Nicht zu viel Futurismus“: Architekt Robert Kaltenegger spricht über Stadtentwicklung

15.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:20 Uhr

In einem Probenraum des Stadttheaters erläuterte der Stadtplaner Robert Kaltenegger den interessierten Zuhörern seine Gedanken, wie sich Städte entwickeln können. Aber die eine einzige richtige Lösung für urbane Probleme gibt es nicht. Foto: Hauser

Von Bernhard Pehl

Ingolstadt – Stadtplanung ist mitunter ein kompliziertes und mühsames Geschäft. Der Weg dorthin bisweilen auch, wie die Besucher des Futurologischen Kongresses am Samstag erfahren durften. Denn der Architekt und Stadtplaner Robert Kaltenbrunner hielt seinen Vortrag in einem Probenbühne unter dem Dach des Stadttheaters, und der Weg dorthin glich eher einem Gang durch ein Labyrinth. Aber zugleich war es spannend und beeindruckend, auch einmal diesen Teil des Hämer-Baus zu begehen. Und irgendwie passte das Ambiente auch zum Vortrag „Nicht zu viel Futurismus – oder: Was es braucht, um in der Stadt heimisch zu werden.“

Kaltenbrunner verstand sein Referat vor zahlreichen Zuhörern als eine „Annäherung im Doppelschritt“: zunächst einige Befunde und dann die Thesen daraus. Wobei es für den Publizisten und Stadtplaner im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung nicht nur die eine richtige Sichtweise, nicht nur die eine richtige Entwicklung gibt, wie er einräumte.

Sein erster Befund: Urbanistik als Wechselbalg der Politik.
Politiker sähen sich oft in der Rolle, einfache Antworten auf komplexe Fragen geben zu müssen, was diesem Thema aber überhaupt nicht gerecht werde. Darüber hinaus leide Stadtplanung nicht selten unter dem, was man im englischsprachigen Raum wicked problems nennt: Probleme, die aufgrund unvollständiger, widersprüchlicher und sich ändernder Anforderungen (die oft nur schwer zu erkennen sind) schwierig oder unmöglich zu lösen sind – so etwa bei Bauvorhaben Interessenkonflikte zwischen Politikern, Investoren, künftigen Mietern/Eigentümern und der Nachbarschaft.

Massive Zweifel äußerte Kaltenbrunner an der oft zitierten Renaissance des innerstädtischen Wohnens. Dies gelte nach seinen Befunden eher für wirtschaftlich starke Regionen, während an schwachen Standorten in den städtischen Zentren massive Leerstände zu verzeichnen seien. Parallel dazu verliefen außerdem andere Trends, wie etwa der Wegzug junger Familien ins Umland - nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen wegen der teilweise extrem gestiegenen Mieten oder Kaufpreise. Und gerade in Städten wie Ingolstadt mit zahlreichen Eingemeindungen sei der Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern sehr hoch.

„Kultur ist kein Konjunkturmotor“: Mit seinem dritten Befund wollte Kaltenbrunner allen kulturell Interessierten zwar keine allzu pauschale Absage erteilen. Doch sei der oft bemühte „Bilbao-Effekt“ keinesfalls ein Automatismus, sondern beruhe auf einem komplexen Wechselverhältnis mit vielen Faktoren. Dabei ist für Kaltenbrunner eines klar: „Kultur ist ein Teil der Stadt, nicht der Gegner.“ Sehr interessant ist auch sein Lösungsansatz: Die Kommunen sollten künftig weniger spezielle Projekte unterstützen, sondern Räume in der Stadt fördern, wo sich dann Künstler, Kreative und Projekte entfalten können.

Schließlich müsse die Form der Bürgerbeteiligung neu definiert werden. Nicht selten würden sich dabei kleine Gruppen sehr lautstark äußern, während andere schwiegen oder sich kein Gehör verschaffen. Sein Ansatz: Bürgerbeteiligung wie ein Fußballspiel gestalten, wo es Spieler, Zuschauer, Fans, Trainer, Schiedsrichter etc. gibt. „Jeder muss seine Rolle finden und dann aktiv werden“, schlug er vor.

DK