Nach zehn Jahren ist Larry Mitchell als Sportdirektor zurück bei den Augsburger Panthern. Vor dem Eröffnungsspiel der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) an diesem Donnerstag (19.30 Uhr/Magenta Sport) gegen seinen Ex-Klub ERC Ingolstadt spricht der 57-Jährige über den neuen AEV-Trainer Ted Dent, seine Kader-Philosophie und die Erwartungen an das Panther-Derby.
Herr Mitchell, wie viel Geld für die Mannschaftskasse haben Sie Ende April nach Regensburg geschickt? Durch die DEL2-Meisterschaft der Eisbären stand fest, dass Kassel nicht aufsteigt und Augsburg doch erstklassig bleibt.
Larry Mitchell: Ich gar nichts, aber Lothar Sigl (Klubboss der Augsburger, d. Red.) und sein Team haben sich etwas einfallen lassen. Ich würde allerdings lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich überglücklich bin über den Klassenerhalt (lacht).
Zum Zeitpunkt Ihrer Rückkehr stand noch nicht fest, ob die Panther weiter DEL spielen. Was hat Sie trotzdem an Augsburg gereizt? Die Nähe zu Ihrer Wahlheimat Landsberg? Oder die Tatsache, dass es bei den Panthern nach zweimal Tabellenplatz 14 in Folge nur besser werden kann?
Mitchell: Ich war zehn Jahre weg von zu Hause, meine Lebensgefährtin und ich haben uns praktisch nur am Wochenende gesehen. Der Kontakt zu Lothar ist nie abgerissen, es gab kein böses Blut zwischen uns. Ich hatte sieben Jahre eine sehr schöne Zeit in Augsburg, auch eine erfolgreiche. Mit diesem Klub kann ich mich identifizieren. Aber seit meiner Zeit in Ingolstadt sehe ich mich als Sportdirektor, und damit war Augsburg keine Option, weil sie nie einen hatten.
Haben Sie Sigl überzeugt, dass es im modernen Eishockey neben dem Trainer auch einen Vollzeit-Sportdirektor braucht?
Mitchell: Klar haben wir darüber gesprochen. Meines Erachtens braucht man im Jahr 2024 auf diesem Level einen Sportdirektor. Er kann dem Trainer helfen, mit seiner Erfahrung, mit Informationen, mit seiner Meinung. Aber die Entscheidung, einen Sportdirektor einzustellen, hat Lothar alleine getroffen.
Sie haben den Kader komplett umgekrempelt, mit Ted Dent einen neuen Trainer und 14 neue Spieler geholt. Worauf haben Sie Ihr Augenmerk gelegt?
Mitchell: Nach den vergangenen beiden Jahren war klar, dass ich viel verändern muss. Das Spiel ist schneller geworden, also sollte auch unsere Mannschaft schneller werden.
Unter den Neuen sind prominente Namen wie der Berliner Meisterverteidiger Thomas Schemitsch oder Stürmer Anthony Louis, den Sie schon nach Ingolstadt holen wollten. Wie haben Sie die von Augsburg überzeugt?
Mitchell: Anthony habe ich relativ früh kontaktiert, da war er nicht bereit, in Augsburg zu unterschreiben. Was ihn letztlich überzeugt hat: Er hatte Ted Dent als Trainer in Rockford. Und mit Riley Damiani spielte er ein paar Jahre bei den Texas Stars in einer Reihe. Als Riley bei uns unterschrieb, sagte er, halb ernst und halb im Spaß: „Ich weiß, dass du Anthony holen willst, ich krieg’ das hin.“ Er behielt recht: Wenig später signalisierte Anthony, dass er nach Augsburg kommen möchte.
Haben Sie mehr Budget zur Verfügung als Ihr Vorgänger Christof Kreutzer? Wenn man das Vorjahres-Team mit dem aktuellen vergleicht, fällt es schwer zu glauben, dass die Kader ähnlich teuer sein sollen.
Mitchell: Ich habe nicht mehr Geld gefordert. Lothar hat gesagt, dass der Etat ein kleines bisschen gestiegen ist. Was man aber nicht vergessen darf: Wir haben acht Verteidiger, letztes Jahr hatten sie elf. Wir haben das Geld auf 16 statt 22 Schultern verteilt, das macht viel aus. Wir wollten mehr Qualität.
Mit Denis Reul, Jason Bast und Mark Zengerle holten Sie erfahrene Kräfte, die jedoch schon Mitte 30 sind. Ein kleines Risiko – oder machen sie das Team trotzdem noch besser?
Mitchell: Beides. Sie machen uns besser, aber natürlich ist es ein gewisses Risiko. Wenn ich aus einem größeren Markt hätte schöpfen können, wer weiß, wen ich geholt hätte. Wir haben das mit den Trainern diskutiert: Diese Jungs waren die besten Spieler mit deutschem Pass für Augsburg. Jason Bast ist übrigens wohl unser fittester Spieler. Auch Denis Reul ist extrem fit. Da mache ich mir keine Sorgen.
Hatten Sie auch Interesse am Neu-Ingolstädter Kenny Agostino, wie kolportiert wurde?
Mitchell: Das habe ich auch gelesen. Ich schätze ihn als Spieler, aber es gab keine Gespräche mit ihm oder über ihn.
Trainer Dent kennen Sie von Ihren Scouting-Trips nach Nordamerika. Was für ein Typ ist er?
Mitchell: Bei ihm muss man hervorheben, wie kommunikativ er ist. Er führt viele Einzelgespräche, hat einen Draht zu den 35-Jährigen wie zu den Talenten. Darüber hinaus hat er viel Erfahrung in der AHL, einer vergleichbaren Liga wie der DEL – kann durch seine Zeit als Nachwuchscoach aber auch Spieler weiterentwickeln. Bei meinen Reisen war er einer der Trainer, die ihre Tür immer für mich geöffnet haben, die mir immer Informationen geliefert haben. Als er nach Europa kommen wollte, brauchte er dann meine Hilfe (lacht).
Ein runderneuertes Team braucht Zeit. Die ersten vier Testspiele gingen dann auch alle verloren, gegen keine übermächtigen Gegner. War das eingepreist oder hätten Sie mehr erwartet?
Mitchell: Ich war schon ein bisschen enttäuscht, ich dachte, dass es schneller geht, bis man zusammenfindet. Beim Training und bei Teambuilding-Maßnahmen hat man gesehen, dass sich die Mannschaft gut versteht. Vielleicht habe ich mir aber etwas Falsches eingebildet. Mit so vielen neuen Spielern und Trainern dauert es wohl länger.
Auch der ERC muss mit zwölf Neuen einen großen Umbruch bewältigen. Haben sich die Ingolstädter Ihrer Meinung nach gut verstärkt?
Mitchell: Ich habe mich mehr auf Augsburg fokussiert. Klar habe ich auch aus der Ferne mitbekommen, dass sich der ERC teils schwergetan hat in der vergangenen Saison. Und wenn man nicht zufrieden ist, muss man was verändern. Das hat Tim (ERC-Sportdirektor Regan, d. Red.) gemacht. Ob es aufgeht, wird man − wie bei uns auch – sehen.
Ein Panther-Derby zur DEL-Eröffnung erhält besondere Aufmerksamkeit. Was für ein Spiel erwarten Sie? Offenes Visier – oder eher abwartend?
Mitchell: Es wird ausverkauft sein, mit einmaliger Stimmung. Man weiß, wie wichtig ein guter Start ist. Beide Teams werden sich nichts schenken, ich erwarte ein intensives Spiel – hoffentlich mit besserem Ende für uns.
Der „Augsburger Allgemeinen“ sagten Sie, dass Sie immer drei Spieler des Gegners intensiv beobachten, die möglicherweise für Sie interessant werden könnten. Welche Ingolstädter werden das am Donnerstag sein?
Mitchell: Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt. Ich kann verraten, dass es eher nicht Mat Bodie oder Wayne Simpson sein werden. Die kenne ich in- und auswendig (lacht).
ZUR PERSON
Larry Mitchell (57) wurde während der DEL-Saison 2007/08 als Nachfolger Paulin Bordeleaus Trainer der Augsburger Panther, die er 2010 völlig überraschend ins DEL-Finale führte. Nach seiner Entlassung Ende 2014 übernahm er die Straubing Tigers. 2017 kam der Deutsch-Kanadier zum ERC Ingolstadt, wo er fünf Jahre als Sportdirektor arbeitete. Nach zwei Jahren beim EHC Kloten in der Schweiz ist Mitchell, der seinen Lebensmittelpunkt in Landsberg hat, nun als Sportdirektor zurück in Augsburg.
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