Ingolstadt
Sensibler Eingriff am Herzen

Der Architekt Thomas Hammer aus München gewinnt den Architekturwettbewerb für die Markuskirche

28.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:33 Uhr
Visualisierter Blick in den vom Architekten Thomas Hammer umgestalteten Kirchraum: Bewegliche transluzente Segel vor der charakteristischen Fensterreihe tauchen die Markuskirche in stimmungsvolles Licht. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Die Markuskirche in Ingolstadt ist eine kleine Oase im Grünen. Kaum zu glauben, welch Ort der Ruhe sich dem Besucher hier auftut, wenn er nichts ahnend von der vielbefahrenen Münchnerstraße auf das Gelände der evangelischen Gemeinde einbiegt. Eingefasst von großem Baumbestand lädt der weiße Sakralbau von Gustav Gsänger, 1960 fertiggestellt, zur inneren Einkehr ein.

Doch die Schönheit des Raumes allein reicht nicht, um die Schar der Gläubigen beisammenzuhalten. Auch Pfarrer Axel Conrad erlebt, dass seine Gemeinde schrumpft. Deshalb soll das in Ringsee/Kotau 1979 erbaute zusätzliche Gemeindehaus einige Hundert Meter entfernt aufgegeben werden und sich die Gemeinde wieder auf das "ursprüngliche Zentrum" fokussieren.

Dies jedoch bedarf einer Sanierung des in die Jahre gekommenen Baus und seiner Umgestaltung. Eine Umgestaltung, die den unterschiedlichsten Vorstellungen von Gemeindearbeit- und leben der fast 5000 Mitglieder zählenden Pfarrei gerecht werden soll. Eine Operation mitten am Herzen - und an der denkmalgeschützten Seele.

Ein Architekturwettbewerb wurde ausgeschrieben, sieben Entwürfe eingereicht. Bekannte Architekten, regional wie überregional, setzten sich mit dem Gegebenen auseinander. Sie alle fanden eine zweischiffige Hallenkirche vor mit dem Altarraum in einer Konche, einer gewölbten Nische. Schmuckstück des sonst schmucklosen, aber formreichen Bauwerks sind die schmalen, eleganten Fenster in Reihe im Westen.

Architektonische Eingriffe als Initialzündung

Genau an dieses Wesensmerkmal knüpft der Architekt Thomas Hammer (München) gefühlvoll und doch mit eigener Handschrift an - und gewinnt die Stimmen der Jury, die sowohl aus Fachleuten als auch Vertretern von Gemeinde, Gesamtkirchengemeinde und Landeskirche besteht. Sensibel zeitgemäß schreibt Hammer das Gestaltungselement fort, indem er den originalen Tageslichtquellen transluzente bewegliche Segel vorsetzt. Sie können den Raum auch im Dunkeln in unterschiedlichste Farben tauchen und so seinen Charakter an verschiedenste Bedürfnisse anpassen.

Die Zukunft hält Einzug und verstärkt gar die spirituelle Stimmung. Conrad ist begeistert: "Jetzt werden wir mal eine blaue Nacht feiern, unsere Kirche kann dann im wahrsten Sinne des Wortes nach außen strahlen", freut er sich über die neuen Möglichkeiten. Offenbar trifft der Entwerfer Hammer hier auf Bauherren und Nutzer, die die architektonischen Eingriffe als Initialzündung verstehen und daraus neue kreative Aktionen und Qualitäten für das eigene Schaffen ableiten. Was für ein Glück.

Doch der Architekt verlangt der Gemeinde auch einiges ab. Er senkt den Altarbereich auf Kirchenniveau. Neben der integrativen Geste als solcher, liegen die Vorzüge auf der Hand: der Raum wird größer und kann flexibler genutzt werden. Erst recht, wenn, wie vorgesehen, die starren Bänke gegen stapelbare Stühle ausgetauscht werden. Den Mehrwert für die liturgische Nutzung weiß Conrad zu schätzen. "Die unterschiedlichsten Andachts- und Gottesdienstformen sind jetzt möglich, von der Taufe im kleinen Kreis bis hin zu Weihnachtsgottesdiensten".

Mit Weihnachten greift er ein Beispiel auf, bei dem die Bühnenwirkung des erhöhten Altarraums aber fehlen wird. Seine pragmatischen Überlegungen: "Bei Festen, an denen die gute Sicht auf das Geschehen am Altar wichtig ist, werden wir einfach flexible Bühnenelemente aufstellen".

Flexible Wände aus fahrbaren Schrankelementen

Flexibilität ist überhaupt das Stichwort und hierin unterscheidet sich der Siegerentwurf von der Konkurrenz. Unter anderem dienen eben flexible Wände aus fahrbaren Schrankelementen dazu, den Kirchraum und sogar den unmittelbar angrenzenden Gemeindesaal nach Belieben zu teilen oder zu erweitern, ohne die Substanz zu berühren.

Insgesamt werden sämtliche Gemeinderäume neu geordnet und mit zwei zurückhaltenden Anbauten im Osten neu erschlossen. Dabei scheut Hammer nicht davor zurück, vollkommen neu zu denken: die Empore funktioniert er zu einem großen Speisesaal für die Gemeindemitglieder um und gliedert die Küche daran an. Das gemeinsame Essen als Wesenszug des christlichen Glaubens findet seine Entsprechung in der Architektur. Die Bauherren gehen diesen mutigen Schritt mit: offenherzig und beseelt - wie es der Entwurf selbst ist.

DK

Claudia Borgmann