Ingolstadt
Gleich mehrere 100. Geburtstage in einem Monat

28.07.2021 | Stand 23.09.2023, 20:00 Uhr
Sabine Kaczynski
Elfriede Etzenberg hat am vorigen Mittwoch im Ingolstädter Matthäusstift ihren 100. Geburtstag gefeiert. Die gebürtige Brandenburgerin wohnt seit 30 Jahren in Ingolstadt. Zum Geburtstag gratulierten ihr die Tochter, zwei Enkel und fünf Urenkel - und Bürgermeisterin Petra Kleine sowie Jürgen Simon Müller vom Diakonischen Werk. Am Wochenende wurde groß gefeiert. −Foto: Diakonisches Werk

Die Zahl der hochbetagten Bürger nimmt zu. Allein in den vergangenen Wochen konnten mehrere Ingolstädterinnen ihren 100. Geburtstag feiern. Der DK hat drei Jubilarinnen besucht und sich nach ihren Rezepten für ein hohes Alter erkundigt.

Bereits im Juni feierte Barbara Klügl aus Zuchering ihren 100. Geburtstag. Bei so einem hohem Alter drängt sich natürlich vor allem eine Frage auf: Gibt es ein Geheimnis, um 100 Jahre alt zu werden? "Immer in Bewegung bleiben", sagt das Geburtstagskind strahlend und ergänzt: "Auch die Arbeit ist wichtig." Klügl wohnt weitgehend selbstständig in ihrem Geburtsort Zuchering. Sie stammt aus einer Landwirtschaft und hatte 13 Geschwister, die alle bereits verstorben sind.

"Früher, auf dem Bauernhof, haben wir die ganze Arbeit noch von Hand erledigt - vom Heu wenden bis zum Kartoffelklauben", erinnert sie sich die Seniorin an die anstrengende, aber schöne Zeit zurück. Nach dem Krieg war sie als Küchenkraft in der Kaserne Oberstimm beschäftigt. Die Strecke dorthin fuhr sie täglich mit dem Fahrrad. Dazu unternahm sie gerne und oft ausgiebige Spaziergänge und Wanderungen in der Natur, etwa im Bayerischen Wald, aber auch in der schönen Umgebung von Ingolstadt.

"Die Natur ist einfach prima", findet Barbara Klügl, die zudem ältestes Mitglied im Landesbund für Vogelschutz (LBV) ist. Die Jubilarin begeistert sich außerdem seit vielen Jahrzehnten für Fußball, vor allem für die Bundesliga und den FC Bayern München, wie Sohn Lorenz Klügl, früher selbst aktiver Fußballer beim SV Zuchering, verrät. Seit der Zeit von Franz Beckenbauer an habe sie alle wichtigen Spieler der Bayern wie Sepp Maier und Paul Breitner mit Namen gekannt, sagt er.

Klügls Heimatort Zuchering hat sich in den vergangenen 100 Jahren freilich stark verändert. Woran denkt die Jubilarin, wenn sie das Zuchering von früher mit dem von heute vergleicht? "Früher haben wir alles zu Fuß erledigt", kommt ihr dabei zuerst in den Sinn. Womit Klügl wieder beim Thema Bewegung angelangt wäre - ihrem persönlichen Geheimnis für ein hohes Alter. Wie sie ihren Geburtstag erlebte? "Es war ein aufregender Tag", sagt sie. "Ich hätte nicht gedacht, dass so viele gratulieren", räumt sie verschmitzt ein.

GERTRUD NOWAK

Eines merkt man sofort, wenn man sich mit Gertrud Nowak unterhält: Sie lacht gern und viel. "Ich bin gut aufgehoben, daher geht es mir gut", sagt sie auf die Frage, wie sie sich mit 100 Jahren fühlt. Mit "gut aufgehoben" meint sie ihre Familie - denn die Jubilarin lebt seit kurzem bei Tochter und Schwiegersohn, auch von den Enkeln und Urenkeln bekommt sie regelmäßig Besuch. "Unglaublich froh" sei sie, ihren Lebensabend im Kreis ihrer Liebsten verbringen zu können.

Geboren im brandenburgischen Spremberg, zog sie als Kind erst nach Vockerode und später nach Steterburg. Als prägendstes Ereignis schildert Gertrud Nowak das letzte Kriegsjahr, als sie gezwungen wurde, Bomben zu beladen, und die Zeit nach Kriegsende, als sie bei einer Freundin unterkam und dort miterleben musste, wie junge Frauen im Nachbarhaus von russischen Soldaten vergewaltigt wurden. In einer abenteuerlichen Flucht über einen Fluss gelangte sie auf amerikanisches Gebiet und endlich nach Hause: "So etwas vergisst man nicht", meint sie nachdenklich. In Thiede lernte sie ihren späteren Ehemann kennen: "Er hat von meiner Mutter die Papiere geholt und ohne mein Wissen das Aufgebot bestellt", erzählt sie schmunzelnd. Geheiratet hat sie ihn trotzdem und mit ihm zwei Töchter bekommen.

Später zog die Familie durch ganz Deutschland: Franken, Hessen, die Pfalz und Oberbayern gehörten zu den Stationen: "Wir sind so oft umgezogen, ich habe die Kartons gepackt im Keller stehen gelassen", scherzt sie. "Aber ich mochte das." Ein Patentrezept zum Altwerden hat die Seniorin nicht, aber sie war in jungen Jahren sehr sportlich, hat Handball gespielt. Bis Ende letzten Jahres lebte Gertrud Nowak noch in einer eigenen Wohnung, ging mit ihrer Tochter zum Kaffeetrinken oder Shoppen - und mit 96 Jahren noch ins Stadion zu ihrem Lieblingsverein FC Bayern. Erst in jüngster Zeit fesselt sie eine Lähmung ans Bett - verbittert ist sie aber nicht: "Mir fehlt nichts, ich werde gut gefüttert - ich bin nur lahm", lacht sie.

DK

ELFRIEDE ETZENBERG

Schicke Bluse, gut sitzende Frisur, sonnengebräunte Haut und ein strahlendes Lächeln - wenn man Elfriede Etzenberg gegenübersitzt, denkt man nicht, dass die rüstige Seniorin vor kurzem 100 Jahre alt geworden ist. Und wie fühlt man sich, wenn man gerade den ersten dreistelligen Geburtstag erlebt hat? "Genau wie immer", antwortet die Jubilarin schmunzelnd. "Hauptsache, man ist gesund. Ich kann umherlaufen, bin noch beweglich - und Essen und Trinken schmecken!"

Besondere Hobbys hat Elfriede Etzenberg nicht, viel Sport hat sie auch nie getrieben. Einzig das Spazierengehen mit ihrer Freundin, die im Zimmer nebenan im Matthäus-Stift wohnt, nennt sie als geliebten Zeitvertreib: "Früher bin ich auch gerne mit dem Rad gefahren, aber das darf ich leider nicht mehr", sagt sie. Und welches Rezept, um ein so hohes Alter zu erreichen und dabei körperlich und geistig fit zu bleiben, hat die Seniorin dann? Keines - aber eine mögliche Erklärung: "Meine Eltern hatten in Saaringen im Westhavelland eine Landwirtschaft, auch ich hatte Spaß an der Hofarbeit, vielleicht hat mich die körperliche Tätigkeit geprägt", vermutet sie.

Noch heute leuchten ihre Augen, wenn sie von dem schönen Wohnhaus, den zwölf Kühen, zwei Pferden und den 29 Hektar Land erzählt, die von ihrer Familie bewirtschaftet wurden, sogar Traktor ist sie damals gefahren. Ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester - wie die betagte Dame erzählt: "Sie war eher fürs Schriftliche gemacht und eine Zeitlang als Gutssekretärin tätig." Ihre erste große Liebe verlor Elfriede Etzenberg im Krieg: "In seinem letzten Brief beschrieb er, dass er und seine Kameraden eingekesselt seien", meint sie traurig und ergänzt: "Erlebt hat man ja viel. Besser gar nicht zurückdenken, sondern nach vorne schauen."

Später lernte sie ihren Ehemann beim Tanzen kennen, heiratete und bekam eine Tochter. Heute hat sie zudem zwei Enkel und fünf Urenkel: Mit ihnen und einigen Freunden feierte Elfriede Etzenberg natürlich auch ihren 100. Geburtstag am 7. Juli in der Cafeteria des Matthäus-Stifts.

DK

Sabine Kaczynski, Michael Brandl