Ingolstadt
Fakten und Fiktion

Steffen Kopetzky mit "Monschau" bei den Literaturtagen Ingolstadt

20.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:17 Uhr
Mit Roman und Jazzklängen vom Band zurück in die 60er Jahre: Steffen Kopetzky las aus "Monschau", dem Roman zum Pockenausbruch 1962 in der Eifel. −Foto: Schaffer

Ingolstadt - Der Ort für die Lesung des Pfaffenhofener Schriftstellers Steffen Kopetzky aus seinem aktuellen Roman "Monschau" am Samstag im Rahmen der 28. Ingolstädter Literaturtage hätte nicht besser gewählt sein können.

Im Anatomiegarten des Deutschen Medizinhistorischen Museums. Denn handelt "Monschau" von Krankheit, vom letzten großen Pocken-Ausbruch in Deutschland 1962.

Einer Krankheit, wie Kopetzky erzählte, die noch zu Goethes Zeiten ein Drittel der ungeimpften Bevölkerung dahinraffte. Eine Impfung gab es zwar seit 1800, aber auch Impfskeptiker. "Immanuel Kant sagte, man solle die Krankheit walten lassen", erzählte Kopetzky, was er bei seinen Recherchen zum Roman über Seuchen und den Umgang mit diesen in früheren Zeiten herausgefunden hatte.

Dass er sich entschuldigte, dass er zunächst jenen Abschnitt las, in dem die Geschichte des Eifelstädtchens Monschau geschildert wird und damit die Leprakolonie, die im 16. Jahrhundert errichtet worden war, war wohl dem Umstand geschuldet, dass leise Jazzklänge vom Band von Miles Davis das Publikum wie zu einem lauschigen Sommerabend empfangen hatten und Kopetzky Heiterkeit hervorgerufen hatte mit seiner Begrüßung, dass "seit drei Generationen Ingolstädter Kulturveranstaltungen in der Familie Kopetzky für gute Laune " sorgen: Seine Eltern hatten für das hiesige Theater ein Abonnement - "so war ich den deutschen Dramatikern wie Schiller und Goethe sehr zugetan. Heute Abend haben meine Kinder sturmfrei. " Mit solchen und weitaus ernsteren persönlichen Einlassungen führte Kopetzky eine gute Stunde lang durch Roman und Autorenwerkstatt.

Während einer Lesereise zu seinem Roman "Propaganda" im Februar 2020 unweit des Eifelstädtchens Monschau hatte ihn die Nachricht vom ersten europäischen Corona-Toten erreicht und hatte er erfahren, dass es in Monschau 1962 zum letzten großen Pockenausbruch in Deutschland gekommen war. Hier hatte der in "Propaganda" bereits eingeführte (reale) Arzt Günter Stüttgen am Ende geschafft, diese Krankheit einzudämmen. "Ich habe mich an die Fakten gehalten und Zeitzeugen befragt. Die Pocken, die ein großes Medienecho ausgelöst haben, waren durch einen Ingenieur der Otto Junker Werke aus Indien eingeschleppt worden. Dieser erkrankte nicht, steckte aber seine Tochter an, die aus anderen Gründen nicht geimpft war. So konnten sich die Krankheitserreger aufgrund von Fehlern bei Verantwortlichen ausbreiten", sagte Kopetzky. "Es gab einen griechischen Assistenzarzt, doch hat dieser in meinem Roman einen anderen Namen. Auch die Liebesgeschichte zwischen der Figur dieses Nikos und der Firmenerbin Vera, die es nicht gab, ist erfunden. "

Nichts hat Steffen Kopetzky bei seinem Roman dem Zufall überlassen. So bringen die Einspielungen von Miles-Davis-Titeln diese Romanfiguren zusammen. Miles Davis beeinflusste in den 60er Jahren die Musik- und Intellektuellenszene mit seinem Anspruch: "Ich bin kein Unterhalter. Ich bin ein Künstler und habe den gleichen Respekt verdient wie Herbert von Karajan" und seinem Einsatz für die Rechte der Schwarzen. "Monschau" ist akribisch zusammengetragene Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politikgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, verweist mit der Bekämpfung dieses Pockenausbruchs auf Medizingeschichte und auf den Umgang heute mit Sars-Cov-2. Und ist mit der feinfühlig-charmant geschriebenen Liebesgeschichte - "Ich wollte einen Ritterroman vorlegen" - unterhaltsam zugleich.

DK

Nächste Lesung der Literaturtage Ingolstadt: Helga Schubert mit "Vom Aufstehen" am Dienstag, 22. Juni, Harderbastei.

Barbara Fröhlich