Ingolstadt
Ingolstädter Theaterensemble bringt unterhaltsame Beziehungskisten auf die Bühne

"Paare" auf der Couch: Es ist kompliziert

18.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:16 Uhr
Er will gute Gespräche und mit dem Tandem über den Deich fahren. Sie will geil essen, geil Party machen, wild und gefährlich leben. Peter Rahmani und Teresa Trauth beim Therapeuten. −Foto: Weinretter

Ingolstadt - "Ich bin ein Mann.

 

Ein richtiger Mann. Wissen Sie, was das bedeutet? " So stürmt der Mann, den Olaf Danner mit Jogginghose, Feinrippunterhemd und hohem Aggressionspotenzial spielt, auf die Bühne. Ein richtiger Mann trinkt seinen Kaffee schwarz. Arbeitet der Mann auf dem Bau, gibt's einen Schnaps dazu. So ein Mann fährt nicht mit dem Fahrrad. Von wegen Umwelt oder so. Er nimmt das Auto. Da läuft kein Klassikradio, sondern Rammstein. Und während Olaf Danner im Männlichkeitswahn badet, betritt ganz unscheinbar Philip Lemke die Szene, setzt sich ans äußerte Ende der Couch und wippt beim Zuhören ungeduldig mit dem Fuß. Als er schließlich zur Rede ansetzen will, stürzt Olaf Danner davon, signalisiert die Musik, dass die Sitzung vorbei ist. Und dem Publikum ist klar, warum dieses schwule Paar beim Therapeuten sitzt.

Schlicht "Paare" heißt eine unterhaltsame TV-Serie (Arte) von Johann Buchholz, die nach einem simplen Muster verläuft: ein Paar, eine Kamera, ein unsichtbarer Therapeut und jede Menge Beziehungskisten. Damit lockte der Regisseur die bekanntesten deutschen Schauspieler auf die Couch - von Heike Makatsch bis Katja Riemann, von David Kross bis Heiner Lauterbach. In drei- bis fünfminütigen Szenen geht es um Affären, Distanzbeziehungen, Paardynamik, Rollenverständnis, Sex, Kommunikationsprobleme. Und vor allem darum, dass es kompliziert ist mit der Liebe. Das Ensemble des Stadttheaters Ingolstadt hat nun einige dieser Paarbeziehungen auf die Sommerbühne gebracht. Für die federleichte szenische Einrichtung sorgten Katharina Solzbacher und Guido Wachter. Am Donnerstagabend war Premiere. Und die war so komisch, dass man sich unbedingt eine Fortsetzung wünscht.

Denn wenn Paare streiten, kann das für den Außenstehenden bisweilen sehr unterhaltsam sein. Das Publikum übernimmt dabei die Rolle des (schweigsamen) Therapeuten, vor dem das Paar jeweils den Konflikt offenbart. Und schon wie die beiden auf der Couch Platz nehmen, verrät viel über den Zustand der Beziehung. Nehmen wir Ulrich Kielhorn und Manuela Brugger. Sehr diszipliniert sitzen sie da. Mit souveräner Freundlichkeit. Ein eingespieltes Team. Er: "Wir wollen nur mal so reinschnuppern in so eine Therapie. " Sie: "Wir wollten mal sehen, ob wir uns danach noch besser verstehen. " Am Ende schüttet sie ihm Beruhigungstee über seinen Kopf und geht. Dazwischen offenbaren sich Verdrängtes, Verzweiflung, Sehnsüchte.

Jan Gebauer und Sarah Schulze-Tenberge, Peter Rahmani und Teresa Trauth, Matthias Zajgier (mit herrlich französischem Akzent) und Victoria Voss, Richard Putzinger (platzt vor Schmäh) und Sarah Horak, Karolina Nägele und (erneut) Sarah Schulze-Tenberge: Sie sind verheirateter Mann und heimliche Geliebte, Romantiker mit Mutterkomplex und Rockerbraut mit Berliner Schnauze, stets in Amourösitäten verwickelter Franzose und deutsche Perfektionistin, Hallodri und Achtsamkeitsjüngerin. Und neben den Heteropärchen gibt es natürlich auch ein schwules und ein lesbisches Paar.

Sie lieben und hassen, sind leidenschaftlich und eifersüchtig, überfordert und gelangweilt, spießig und wild, harmoniesüchtig und maßlos. Können nicht mit- und nicht ohne einander. Suchen Hilfe in dieser Therapie. Da kommt alles raus. Die Wahrheit über ihre Gefühle und Bedürfnisse.

Klar werden hier auch Stereotypen bedient, aber eben mit sehr viel Witz. Mit Lust stürzt sich das Ensemble in all diese emotionalen Zweikämpfe, trumpft auf mit großer Geste und zeigt gleichzeitig feines Gespür für kippelige Momente. Mann und Frau. Mann und Mann. Frau und Frau. Es ist kompliziert mit der Liebe. Großer Applaus.

DK


Alle "Paare"-Vorstellungen bis 25. Juli sind bereits ausverkauft.

 

Anja Witzke