Ingolstadt
Der Ball ist oval, das Spiel dauert 80 Minuten

Der Engländer Dennis Clerkin spielt eher Rugby als Fußball - die EM verfolgt er dennoch

11.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:08 Uhr
Gentleman-Sportart: Eher zufällig ist der Engländer Dennis Clerkin aus Hepberg vor einigen Jahren zum Rugby gekommen. Er interessiert sich aber auch für Fußball. Am Samstag tritt das englische Team gegen Kroatien an. Clerkin ist gedämpft optimistisch. −Foto: Hammer

Ingolstadt / Hepberg - Dennis Clerkin musste aus dem englischen Coventry nach Hepberg ziehen, um seine Liebe für Rugby zu entdecken.

Das war 1989, die Arbeit führte in nach Deutschland. Einige Jahre später interessierte sich sein damals 15-jähriger Sohn Lucas für den Sport und der Engländer fuhr ihn aus Hepberg zum Training beim TV 1861 nach Ingolstadt, wo es seit 1999 eine Rugby-Abteilung gibt: die Baboons. Es hätte sich für Clerkin kaum gelohnt, den Sohn abzuliefern und wieder nach Hause zu fahren. Da hätte er praktisch gleich wieder kehrtmachen müssen, um ihn abzuholen. Deswegen entschied der Engländer, den Baboons zuzusehen und war sofort interessiert. "Der Teamspirit, der Mannschaftsgeist - der hat mir gefallen", erinnert er sich. Dem damaligen Trainer der Baboons ist Clerkins Interesse gleich aufgefallen und er hat ihn eingeladen, mitzumachen. "Zwei Wochen später hat er angerufen und gesagt: ,Du musst mitspielen, bei uns ist einer ausgefallen'", erzählt Clerkins. So wurde er zum Rugby-Spieler.

Als Engländer waren ihm die Regeln bekannt und in der Schule hatte er auch schon Rugby gespielt. Allerdings ging die Premiere daneben. "Wir haben verloren", sagt er . "Schuld war allerdings der Schiedsrichter. Das ist wie beim Fußball. " Überhaupt Fußball: Interessiert sich ein Rugby-Spieler überhaupt dafür? "Ich schaue mir die internationalen Spiele schon im Fernsehen an", sagt er. Er interessiert sich aber auch für Leichtathletik, Handball und Eishockey. In seinem Heimatland sind nicht alle so gelassen. Zwischen Rugby-Anhängern und Fußballfans gibt es durchaus manchmal Rivalität. "Manche nennen uns Egg-Chaser - Eierjäger", sagt Clerkin. Auf der anderen Seite pflegt man ein elegantes Sprichwort: "Fußball ist eine Gentlemen-Sportart, die von Raufbolden gespielt wird. Rugby ist eine Raufbolden-Sportart, die von Gentlemen gespielte wird. " Tatsächlich sieht ein Rugby-Spiel für unbedarfte Zuschauer mitunter chaotisch und vielleicht sogar brutal aus. Vor allem, weil die Spieler - anders als beim belächelten American Football - ohne Schutzausrüstung antreten. Dennoch: "Mehr Verletzungen als beim Fußball gibt es beim Rugby nicht. " Gentlemen halt. Und Ladies. Beim Rugby treten auch Frauenmannschaften an. Gemischte Teams gibt es mitunter ebenfalls. Für einen Gentleman versteht es sich allerdings, dass eine Dame nicht ganz so hart getackelt wird wie ein männlicher Gegner. Nach so einer Aktion, wenn versucht wird, den anderen zu Boden zu bringen, zeigt sich noch ein Unterschied zum Fußball, findet Clerkin. "Ein Rugbyspieler der hinfällt, steht halt wieder auf. Ein Fußballer rollt sich dreimal über den Boden und bleibt liegen. "

Vor rund zwei Jahren hat der heute 60-Jährige seine aktive Rugby-Karriere beendet. Heute trainiert er die Kindermannschaft der Baboons. Bei den Sechs- bis Zwölfjährigen geht es ihm in erster Linie darum, den Spaß an der Bewegung zu vermitteln. Erst wenn sie älter sind, werden sie auch mit den "etwas härteren" Seiten des Sports vertraut gemacht, sagt Clerkin.

Am Sonntag wird der englische Hepberger sicher vor dem Fernseher sitzen und das Spiel der englischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Kroatien verfolgen. "Beim Public Viewing ist in Ingolstadt bei den Spielen der Engländer ja nicht so viel los", lacht er. Ganz im Gegenteil zu seiner Heimat natürlich. Die Euphorie um die Mannschaft der Three Lions führt allerdings dazu, dass sich das Team schnell überschätzt, hat der Rugby-Coach analysiert. "Sie glauben, sie sind besser als sie es wirklich sind", vermutet er. Es gebe "ein paar sehr gute Spieler" in der Mannschaft. Aber eben nicht nur. Gegen Kroation tippt Clerkin deswegen ein 1:1 nach einem "taktisch geprägten Spiel". Und sollten sich im Finale Deutschland und England gegenüberstehen, wird er wohl seinen Landsleuten von der Insel die Daumen drücken. Auch wenn sie nur ein Haufen Raufbolde sind.

DK

Johannes Hauser