Ingolstadt
Hört, Ihr Leut...

Mit der Runde des Nachtwächters haben am Wochenende wieder die Erlebnisführungen begonnen

06.06.2021 | Stand 23.09.2023, 19:01 Uhr
Auf Abstand und nach Haushalten geordnet hören die Teilnehmer der ersten Erlebnisführung nach der Corona-Zwangspause Oswin Dotzauer zu (oben). Er führt unter anderem in der Rolle eines Nachtwächters jetzt wieder regelmäßig durch die Ingolstädter Altstadt. −Foto: Hauser

Ingolstadt - Für Oswin Dotzauer ist es etwas Neues.

In etlichen Rollen hat er im Rahmen der Erlebnisführungen bereits Einheimischen und Gästen die Geschichte Ingolstadts nähergebracht. Er ist als Mönch aufgetreten, hat als Herzog gesungen und Frankensteins Gehilfen gegeben. Auch die Rolle des Nachtwächters hat er oft gespielt. Zum ersten Mal spürt er an diesem Samstag allerdings etwas Nervosität, räumt er ein. Nicht nur, weil es die erste Führung nach acht Monaten Corona-Zwangspause ist. Es gilt auch viel Organisatorisches zu beachten, was bisher noch nie nötig war. Jeder der 20 Gäste muss einen negativen Test vorlegen oder ein Schreiben, das ihn als genesen oder geimpft ausweist. Für den Notfall hat Dotzauer Schnelltests in der Tasche, um einen Teilnehmer noch kurzfristig vor dem Start zu testen.

Es läuft alles reibungslos. Alle Zuhörer haben ihre Zertifikate dabei, wenn Dotzauer spricht, stellen sie sich - nach Haushalten sortiert - mit Abstand im Halbkreis auf, damit die Masken abgenommen werden können. Corona-Routine. Unter den Zuhörern sind Ilse und Jürgen Betsch aus Dietmannsried im Allgäu. Das Rentnerpaar ist das erste Mal in Ingolstadt und ganz angetan. "Unsere Kinder haben uns die Reise schon vor einem Jahr geschenkt", berichtet Ilse Betsch. "Es ist toll, dass man so etwas jetzt endlich wieder machen kann. " Untertags waren die beiden auf der Landesgartenschau, für den Abend hat Jürgen Betsch die Nachtwächterführung im Internet gebucht, erzählt er, als des Nachtwächters Horn ertönt, und die Runde durch Ingolstadt losgeht.

Der Nachtwächter schreitet mit Lampe, Hellebarde, Horn und Schlüsselbund voran, die Gäste folgen gut gelaunt. Die Erlebnisführungen sind längst einer der Höhepunkte im Ingolstädter Tourismus-Programm. Aber auch ein paar Ingolstädter sind dabei. Dotzauer ist froh, dass die Führungen nach den strengen Beschränkungen endlich wieder stattfinden können. Deswegen war es für ihn auch keine Frage, die Führung anzubieten, auch wenn er die Zähne zusammenbeißen muss: Vor einer Woche hat er sich den Mittelfuß und einen Zeh gebrochen. "Aber es hilft ja nichts", sagt er auf dem Weg durch die Griesbadgasse. Gestoppt wird an der Neuen Welt, der Hohen Schule und in der Sauerstraße. Der Nachtwächter weiß einiges zu erzählen über die Festungsgeschichte der Stadt, die Illuminaten, fürchterliche Verbrechen im frühneuzeitlichen Ingolstadt. Dazu hat er auch unterhaltsame Anekdoten auf Lager. "Sehr interessant", findet Ilse Betsch die Führung, sagt sie auf dem Weg über den Rathausplatz - "Hier gilt wieder Maskenpflicht", mahnt der Nachtwächter. Hinter dem Alten Rathaus erzählt er von der Hexenverfolgung. Jeder Bericht endet mit einem Hornsignal und Gesang "Hört, Ihr Leut. . . ", stimmt Dotzauer an.

Noch ein Stopp am Alten Rathaus, dann geht es nach rund eineinhalb Stunden zur abschließenden Station im Hof vor dem Pfeifturm. Genau mit dem letzten Hornsignal setzt Regen ein. Dotzauer bekommt herzlichen Applaus für seine erste Führung nach der Pause. "Es ist alles gut gelaufen", resümiert er. Jetzt freut er sich darauf, daheim den lädierten Fuß hochzulegen. Am Freitag ist er wieder im Einsatz: Die Frankenstein-Tour steht an.

DK

Johannes Hauser