Ingolstadt
"Das ging so richtig ab"

In der ehemaligen Squash-Hochburg Ingolstadt spielt der einstige Trendsport kaum noch eine Rolle

01.06.2021 | Stand 23.09.2023, 18:57 Uhr
Sebastian Reichart spielt noch regelmäßig Squash. Einst hatte der Sport mehr Anhänger unter den Ingolstädtern. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Ein ähnliches Schicksal wie das Tennis hat mit dem Abebben des Becker-Booms, der seit den 1980er-Jahren die Leute in Scharen an die Rackets trieb, eine weitere Trendsportart in Ingolstadt ereilt.

"Squash - eine Sportart verschwindet" titelte der DK vor knapp zehn Jahren in einer Bestandsaufnahme zum professionellen Squash-Sport in der Schanz. Da lag der letzte Deutsche Meistertitel (seit 1994 waren es insgesamt vier, dazu zwei Europapokalsiege sowie fünf deutsche Vizemeisterschaften) des damaligen Vorzeigeklubs OSC Ingolstadt schon zehn Jahre zurück. Das einstige Topteam war 2011 nur noch in der Landesliga Süd aktiv und litt damals schon unter erheblichen Nachwuchssorgen.

"Squash ging so richtig ab, als Boris Becker 1985 erstmals Wimbledon gewonnen hatte", erinnerte sich der damalige Manager und Mäzen des Bundesligisten, Alfred Aurbach, im DK an die goldenen Zeiten in dem Hochgeschwindigkeitsballsport zurück. Genauso schnell war der Boom mit dem Ende der Becker-Ära wieder vorbei. Die Courts, sprich die Squash-Spielflächen, die in Ingolstadt entstanden waren, wurden auf einmal weniger gebucht.

Heute existieren in Ingolstadt noch drei Courts, die vom OSC genutzt werden. Sie gehören zu einem Fitnesscenter an der Senefelder Straße. Squash gespielt hat dort seit Beginn der Corona-Beschränkungen aber niemand mehr, wie Vereinsvorsitzender Tobias Schiemenz beteuert. Das einstmals größte Squash-Center der Stadt an der Neuburger Straße wurde schon vor Jahren in Studierenden-Appartements umgewandelt. Was also ist geblieben? Nicht viel, folgt man den Ausführungen von Schiemenz. Der Ligabetrieb beim OSC, wo heute laut ihm rund zehn Aktive noch ständig spielen, ist demnach vor fünf Jahren endgültig eingestellt worden, und auch eine Jugendabteilung in dem Sinne ist nicht mehr vorhanden. "Die letzten von ihnen sind inzwischen über 50", sagt er. Er weiß aber auch, dass Squash sowohl in Bayern als auch in Deutschland extrem auf dem Rückzug sei. "Die Ligen sind allgemein geschrumpft", sagt er. Seines Erachtens lag das abrupte Ende des Booms auch daran, dass Squash in den Medien zu wenig vom Publikum angenommen wurde. Weiter seien in der Hoffnung auf hohe Gewinne in kurzer Zeit zu viele Squash-Center entstanden. Stattdessen hätte sich der Sport mehr in bereits bestehende Vereinsstrukturen integrieren sollen, findet er. Dort könnte in Mehrzweckhallen, in denen verschiedene Sportarten ausgeübt werden können, Squash auch heute in breiterer Form stattfinden. Dass dies funktioniere, kenne er aus München, so Schiemenz. "Es gibt immer Leute, die Squash spielen wollen, es ist aber nicht günstig", sagt er hinsichtlich der Kosten für geeignete Courts. Zudem sei der Sport in seiner Beliebtheit von Individualsportarten wie Bouldern und Krafttraining überholt worden.

Ein Spieler, der beim OSC seinerzeit maßgeblich zum sportlichen Erfolg beigetragen hat, war der Ingolstädter Florian Pößl. Seit 2014 lebt Pößl in der Schweiz und arbeitet dort, nachdem er dem Sport zwölf Jahre lang den Rücken gekehrt hatte, heute wieder als Trainer. "Es gibt drei große Squash-Anlagen, die arbeiten gut, die Schweiz ist aber auch kleiner als Deutschland", so Pößl. Seiner Auffassung nach hätten die Verbände in Deutschland in der Vergangenheit "nicht unbedingt solide gearbeitet", wie er es formuliert. "Wir hatten früher engagierte Leute, die Spaß am Squash vermittelten. Das ist ein Stück weit weniger geworden, ist aber die Basis", sagt er. Das Miteinander im Squash-Verein sei früher ein gesellschaftliches Ereignis gewesen. "Da war Leben, es wurden Partys gefeiert, die Eltern haben ihre Kinder mitgebracht und die wiederum ihre Freunde", erinnert er sich. In der Schweiz gebe es dahingehend "bessere Strukturen", so Pößl, der als Beispiel Schüler-Camps nennt, in denen ganze Klassen trainierten. "Das ist aber ein mühsamer Prozess", ergänzt er. Dass der Prozess in seiner alten Heimat wieder in Gang käme, würde er sich für die Zukunft wünschen. "Es wäre schön, wenn der eine oder andere seine Kinder wieder für Squash begeistern könnte", sagt Pößl.

DK

Michael Brandl