Ingolstadt
Teure Smartphones als leichte Beute

Prozess um Diebstähle eines Kurierfahrers wirft auch Licht auf Praxis im Poststützpunkt Lenting

05.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:25 Uhr
Massenware - aber meistens recht teuer: Smartphones sind quer durch die Bevölkerung begehrt und stellen auch für Diebe eine große Versuchung dar. Ein Paketzusteller, der entsprechende Sendungen abgezweigte hatte, kassierte nun eine Haftstrafe zur Bewährung. −Foto: Getty Images (Archiv)

Ingolstadt - Wer es täglich mit teurer Fracht zu tun hat, bedarf wohl gewisser Charakterstärke, um nicht der Versuchung zu erliegen, sich mal etwas anzueignen, für das andere bezahlt haben.

Ein junger Kurierfahrer der Posttochter DHL erwies sich im vergangenen Jahr in dieser Hinsicht offenbar als weniger stabil, denn er fand sich diese Woche als Angeklagter vor dem Amtsgericht wieder. Vorwurf: Diebstahl und Betrug. Und weil die inkriminierten Delikte in einem besonders sensiblen Verantwortungsbereich geschehen waren, kam noch ein Verstoß gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis hinzu.

Der 26-jährige Südosteuropäer - angeblich Abiturient, aber ohne Berufsausbildung - war 2017 nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen. Er wohnt in Ingolstadt und hatte bis zu seiner durch die Ermittlungen ausgelösten fristlosen Entlassung vom Lentinger Poststützpunkt aus mit einem DHL-Transporter Päckchen und Pakete in der Region zugestellt. Für die Sortierung und Verladung der Sendungen seines Zustellbezirks war er nach Erkenntnissen der Polizei ebenso wie seine Kollegen stets selbst verantwortlich gewesen.

Zwischen dem 16. Juni und dem 8. September vorigen Jahres hatte der junge Mann dann in sechs nachweisbaren Fällen insgesamt 17 Päckchen mit ganz überwiegend hochwertigen Mobiltelefonen im Gesamtwert von knapp 10000 Euro (vor Steuern) abgezweigt, um sie später in eigener Regie über Kleinanzeigen auf einer Internetplattform zu verkaufen. In vier Fällen war das auch gelungen. Nur beim fünften Übergabetreffen mit einem Kunden klickten dann am 9.September an der Waldeysenstraße die Handschellen - der Kaufinteressent war stutzig geworden und hatte die Polizei informiert.

Vor Einzelrichterin Gabriele Seidl gab der Kurierfahrer alle in der Anklage aufgeführten Diebstähle über eine Erklärung seiner Verteidigerin unumwunden zu. Er habe mit den Erlösen auch seine Familie in der Heimat unterstützen wollen, so seine weitere Auskunft. Weil er bei der Festnahme aber noch nicht alle abgezweigten Telefone zu Geld gemacht hatte, wurde der tatsächlich durch den Verkauf erzielte Gewinn in der Verhandlung auf rund 7400 Euro taxiert. Die Post hatte ihre Verluste angeblich bereits bei ihrer Versicherung geltend gemacht. Die beim Angeklagten noch verbliebenen Smartphones konnten sichergestellt und teils sogar noch den rechtmäßigen Empfängern zugestellt werden.

Recht aufschlussreich waren die Aussagen eines Beamten der Polizeiinspektion Ingolstadt, der schwerpunktmäßig Diebstähle im Lentinger Poststützpunkt zu bearbeiten hat. Er sprach als Zeuge von "monatlich sechs bis zehn" Diebstählen allein im Bereich der Handysendungen. Demnach handelt es sich meistens um Geräte, die von Logistikzentren im Auftrag der großen Funknetz-Provider nach Vertragsabschlüssen an die Endkunden verschickt werden. Die Sendungen sind dem Zeugen zufolge meistens sehr leicht zu identifizieren, weil sie über einschlägig bekannte Absenderadressen verfügen und meistens auch Warnhinweise zu den enthaltenen Smartphone-Akkus tragen.

Die DHL-Kurierfahrer haben der Zeugenaussage zufolge beim Sortieren auf der Laderampe völlig freie Hand. Die Szenerie werde nach Erkenntnissen der Polizei auch nicht von Kameras überwacht. Jeweils drei Zusteller suchen sich nach diesen Zeugenangaben ihre Sendungen aus einem für sie bestimmten Haufen aus Päckchen und Paketen. Was nicht für die eigene Fuhre passe, werde einfach zurückgeworfen. Der Beamte sprach von einem "heillosen Durcheinander", das ihn offenbar schon häufiger ins Grübeln gebracht hat: "Was da passiert, ist nicht nachvollziehbar. "

Die Prozessbeteiligten nahmen es kommentarlos zur Kenntnis. Sie musste ja auch nur der konkrete Fall interessieren. Und der endete für den 26-jährigen mit einer (noch nicht rechtskräftigen) Bewährungsstrafe von einem Jahr Haft wegen Diebstahls und der erwähnten Verstöße gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis. Hinzu kommen eine Geldbuße von 3000 Euro und die Einziehung des sogenannten Wertersatzes in Höhe von rund 7400 Euro.

Der Vorwurf des Betrugs (beim Weiterverkauf der gestohlenen Ware) wurde fallengelassen. Richterin Seidl merkte an, dass jemand, der ein fabrikneues Handy über dunkle Kanäle bei Geschäften auf der Straße ohne Rechnung erstehe, sich wohl kaum wegen Betrugs beschweren darf.

DK

Bernd Heimerl