Ingolstadt
Herzlicher Austausch

Erinnerungsarbeit: Schüler des Apian-Gymnasiums und aus Israel kamen sich über Holocaust-Projekt näher

20.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:06 Uhr
Hello! Grüße aus dem Apian-Gymnasium: Die Lehrerin Eva Gotteswinter meldete sich als Erste in der Videokonferenz zum Abschluss des Projekts "Ruth Maiers Tagebuch - Zusammen lesen". Danach sprachen ihre Schülerinnen und Schüler kurze Beiträge auf Englisch in die Kamera. −Foto: Silvester

Ingolstadt - Das Wlan sendet stabil, der Völkerverständigung steht nichts mehr im Wege.

Eva Gotteswinter, Lehrerin für Englisch, Geschichte und Sozialkunde am Apian-Gymnasium, sitzt an einem Laptop. Vor ihr auf dem Schirm rund 40 Gesichter: Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Zoom-Konferenz. Hinter ihr im Klassenzimmer ein Teil ihrer zehnten Klasse. Die andere Hälfte erlebt die Begegnung online zu Hause. Israel trifft Ingolstadt.

Shosh Nahmias, Englischlehrerin an der ORT Motzkin High School in Kirjat Motzkin, grüßt auf Hebräisch in die Runde. Schwierig für die Ingolstädter. Bald wechselt sie ins Englische, spricht von einem "sinnvollen Ereignis". Die jungen Leute am Apian und an ihrer High School hätten eine wunderbare Aufgabe erfüllt: "Marvellous! " Sie beschäftigten sich mit dem Leben Ruth Maiers, einer Wienerin aus einer assimilierten jüdischen Familie. 1939 floh die 19-Jährige ins Exil nach Norwegen. Als die Wehrmacht das Land besetzte, begann auch dort die Verfolgung der Juden. Ruth Maier wurde 1942 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet - ein Ort, der Deutsche und Israelis für immer verbinden wird.

Doch die Jugendlichen in beiden Staaten suchten 75 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager persönlichen, vertrauensvollen, ja herzlichen Kontakt - und fanden ihn. Die Zoom-Präsentation krönte das im vergangenen November gestartete Projekt "Ruth Maier's diary - Reading together (Ruth Maiers Tagebuch - Zusammen lesen"), "mit dem Fokus auf der Erinnerungskultur des Holocausts", erklärt Eva Gotteswinter. Die Schülerinnen und Schüler haben sich in deutsch-israelischen Teams über die Biografie des NS-Opfers ausgetauscht. Das Tagebuch wurde erst 2007 publiziert. Es erfährt große Beachtung. Die Zehntklässler sammelten Gedanken und Erkenntnisse in diversen Kategorien, etwa "Familiengeschichte" oder "Identität", und spürten der Frage nach: "Was hat Ruths Leben mit unserem Leben zu tun? " Ein Menge. Alles, was junge Menschen gemeinhin in allen Zeiten bewegt: Familie, Schule, Liebe, Traurigkeit, Hoffnungen, Träume. Indem sie einer historischen Person im Grau der Geschichte ein Gesicht gaben, kamen sich die Schülerinnen und Schüler in Ingolstadt und Israel näher. Darauf hatten alle gehofft.

"Am Anfang hatte ich ein bisschen Bedenken, wie die in Israel auf uns reagieren, denn Deutschland steht ja in der Geschichte nicht ganz so gut da", erzählt die Zehntklässlerin Lisa Hoppe. "Aber die waren alle sofort super nett, ohne Vorurteile, ganz offen und haben uns immer unterstützt. "

Ihr Klassenkamerad Kilian Ricker hat mit seinem Team ein Instagram-Konto für Ruth Maier gestaltet. Er berichtet: "Ich kannte vorher kein jüdisches Mädchen oder einen jüdischen Jungen. Wir konnten neue Leute kennenlernen und verstehen jetzt deren Sicht besser. " Und die jungen Israelis erfuhren so einiges über Deutschland. Die Gespräche seien sehr schön gewesen. Nun hoffen Lisa und Kilian, dass man sich eines Tages mal persönlich begegnet. Die geplante Reise fällt heuer aus. "Aber vielleicht klappt es ja irgendwann doch noch. "

Ansonsten sei man mit dem Projekt gut durch die Corona-Zeit gekommen, weil es ohnehin als Online-Austausch konzipiert ist, erzählt Eva Gotteswinter. "Die Schüler haben alles selbstständig organisiert und dabei mehr gelernt als in mancher Unterrichtsstunde. "

Bei der Abschlusspräsentation schauten viele israelische Lehrerinnen und Lehrer zu, denn sie wurde in eine virtuelle Tagung in der Region Haifa übertragen. So weit es anschließend zu vernehmen war, haben die jungen Leute die Lehrkräfte mit ihren Kurzvorträgen beeindruckt. "Wir wollen dieses Projekt unbedingt wiederholen", sagt Eva Gotteswinter. Dann auch mit einer echten Begegnung.

DK

Christian Silvester