Ingolstadt/Schrobenhausen
Vergewaltigungsprozess: Alkohol und mehrere Zeugen im Fokus

Angeklagter Afghane offenbart im Vergewaltigungsprozess archaisches Rechtsverständnis

20.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:57 Uhr

In der Schrobenhausener Innenstadt hat sich die Tat im vorigen Spätsommer abgespielt. Foto: Schalk (Archiv)

Tag zwei im Strafprozess um die nächtliche Vergewaltigung einer jungen Frau in der Schrobenhausener Innenstadt im vorigen Spätsommer. Das Verfahren ist am Mittwoch mit der Vernehmung mehrerer Zeugen und mit Erörterung des Alkoholisierungsgrades von Opfer und mutmaßlichem Täter weitergegangen.



Kuriose Szene am Rande: Der angeklagte 27-jährige Afghane brach unvermittelt in Tränen aus. Sein Dolmetscher erklärte das so: „Er ist voller Sorge, dass er hingerichtet wird.“ Der Mann auf der Anklagebank war dann in einer kurzen Verhandlungspause offenbar zu beruhigen.

Sein Verteidiger war von dem plötzlichen Gefühlsausbruch offensichtlich ebenfalls überrascht worden und zuckte mit den Schultern. Der Vorgang spricht sicher dafür, dass sein Mandant auch nach angeblich bereits sieben Jahren als geduldeter Asylbewerber mangels hinreichender deutscher Sprachkenntnisse noch nicht in seinem Gastgeberland angekommen ist und das hiesige Rechtssystem ihm weitestgehend fremd zu sein scheint. Man hatte ihn durch eine DNA-Reihenuntersuchung in Asylbewerberkreisen aufgrund der Spuren am Opfer als mutmaßlichen Täter ausfindig gemacht.

Gutachterin sieht keinen Hinweis auf Alkoholismus

Die 5. Strafkammer musste sich dann aber wieder auf das eigentliche Geschehen der Beweisaufnahme konzentrieren. Die drehte sich vornehmlich um die Dinge, mit denen Angeklagter und Opfer die Abend- und Nachtstunden vor der Tat verbracht haben, die sich in den frühen Morgenstunden des 19. September 2021 an der Schrobenhausener Metzgergasse abgespielt hat. Offenbar spielte auf beiden Seiten Alkohol eine Rolle. Der Mann will seit dem späten Nachmittag des Vortages drei Flaschen Bier und eine halbe Flasche Wodka getrunken haben. Eine psychiatrische Gutachterin, die ihn im Prozess nach seinen Trinkgewohnheiten befragt hat, ist in ihrer Stellungnahme allerdings zu dem Schluss gekommen, dass der Mann nicht als Gewohnheitstrinker einzustufen ist und – will man seiner Einlassung folgen – zur Tatzeit etwa 1,5 Promille intus gehabt haben könnte. Für das Gericht ist diese gutachterliche Einordnung wichtig, weil nur bei klaren Hinweisen auf eine extrem hohe Alkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt Aspekte der Schuldminderung oder gar Schuldunfähigkeit berücksichtigt werden müssten. Dies scheint hier aber nicht der Fall zu sein.

Auch die junge Frau, die allen bisherigen Ermittlungsergebnissen zur Folge in der fraglichen Nacht zweifelsfrei einem schweren Sexualdelikt zum Opfer gefallen ist, hatte zuvor in munterer Gesellschaft ihrer Schwester und einiger Bekannter einiges getrunken. Man sei auf einem „guten Level“ gewesen, umschrieb eine Mitwirkende jetzt als Zeugin die Stimmung und wohl auch den allgemeinen Alkoholisierungsgrad. Niemand habe aber deutliche Ausfallerscheinungen gezeigt – auch die damals 29-Jährige nicht, die dann später übel missbraucht wurde.

Gerichtsurteil fällt wohl Mitte August

Die Staatsanwältin fragte ausdrücklich bei jeder Zeugin nach, ob die junge Frau damals den Eindruck erweckt habe, „sturzbetrunken“ gewesen zu sein. Das wurde durchweg verneint. Auch Polizistinnen, die die Geschädigte zuerst befragt hatten, schilderten sie als durchaus klar und kooperationsfähig.

Das Opfer hatte bei einer Atemalkoholkontrolle kurz nach dem Vorfall bei der Kripo in Ingolstadt einen Wert von rund 1,5 Promille und bei einer Blutentnahme im Klinikum rund acht Stunden nach der Tat noch 0,95 Promille gehabt. Das ist nicht gerade wenig, was möglicherweise erklären kann, warum die Frau bei dem erniedrigenden Geschehen zwischen zwei geparkten Autos in der Innenstadtgasse nach eigenen Worten kaum zur Gegenwehr fähig gewesen war.

Der Prozess wird sich aller Voraussicht nach noch bis Mitte August hinziehen, da einige von der Verteidigung benannte Zeugen – durchweg Landsleute des Angeklagten, mit denen er den Abend vor der Tat verbracht haben will – erst einmal ausfindig gemacht und geladen werden müssen. In einem ersten Fall war die Schrobenhausener Polizei in dieser Woche schon mal nicht erfolgreich gewesen. Beamte hatten den ihnen genannten Mann an der angegebenen Adresse nicht vorgefunden.