Kösching
Amulett gegen jedwedes Unheil

Typisch fürs Mittelalter: Im Köschinger Peterskirchlein ist das Jesuskind damit angetan

17.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:14 Uhr
Friedrich Lenhardt

Der Christophorus im Peterskirchlein Kösching aus dem Jahr 1520 trägt ein Jesuskind mit einer Fraiskette. Foto: Lenhardt

Jetzt, da es wieder weihnachtet und das Christkind kommen will, müssen wir uns auf die liebevoll gemeinten Allgemeinplätze vom Gott, der sich klein macht und sich als neugeborenes Kind verehren lässt, vorbereiten. Unsere Kindheit schenkt uns dazu das Bild vom Kindlein auf Heu und auf Stroh, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Aber dieses Bild ist ein Märchenbild.

Das haben die alten Meister vor vielen hundert Jahren vorgeformt, ein Paket bis unters Kinn gewickelt oder die Windel löcherig und die Krippe hölzern, alpenländisch. Da waren die Meister der realitätssüchtigen Kunst der Spätgotik moderner. Wenn sie ein Kleinkind darstellen wollten zeigten sie ein Kindlein ihrer Zeit. Sie zeigten das Jesuskind als Menschenkind, wie sie es in der Nachbarschaft sehen konnten auch dann, wenn ihr Bildmotiv kein weihnachtliches war.

Christophorus trägt Jesuskindlein

Am rechten Seitenaltar des Peterskirchleins in Kösching steht die Figur eines heiligen Christophorus. Sie entstand zeitgleich mit dem Hauptbild, einer Krönung Mariens, die dem Landshuter Künstler Stefan Rottaler zugeschrieben wurde. Dargestellt ist ein Riese, dem nach der Legende aufgetragen war, Menschen sicher über einen Fluss zu bringen. Mit beiden Füßen steht der Menschen-Träger im Wasser. Er stützt sich auf einen Baumstamm, der sich unter einer unsichtbaren Last durchzubiegen scheint. Auf seiner Schulter sitzt ein nacktes Knäblein.

Diesem wendet er seinen Kopf zu, um nachzuschauen, warum ihm das so schwer vorkommt, als würde er die ganze Erde tragen. Nach der Legende offenbart sich ihm das Kind und sagt: „Mehr als die Welt hast du getragen, der Herr, der die Welt erschaffen hat, war deine Bürde“. Das Kind drückt ihn unter das Wasser und tauft ihn so. Aus dem Menschenträger ist ein Christusträger, ein Christophorus geworden. Aber wieso hat das Kind eine Korallenkette mit einem Amulett um, wenn es doch der Herr selbst ist?

Darstellung oft von Künstlern verwendet

Diese Frage stellte sich Stefan Rottaler nicht, als er so um 1520 den heiligen Christophorus für Kösching schnitzte. Für ihn gehörte eine solche Kette ganz einfach zum Bild eines Kindes seiner Zeit. Das hatte schon sein großes Vorbild Hans Leinberger so gehalten. Wer das sehen möchte, braucht nur in die Kirche des Kloster St. Johann im Gnadenthal in Ingolstadt zu schauen. Dort ist ein Schnitzwerk des genialen Landshuters, eine „Anna Selbdritt“, also Anna mit ihrer Tochter Maria und diese mit ihrem Kind. Der kleine Jesus trägt eine sehr viel längere Kette, aber auch an dieser hängt ein Amulett, das Unheil abwehren soll. Er mag es von seiner Oma geschenkt bekommen haben, der das Göttliche des Kleinen noch nicht völlig offenbar geworden war.

Theologisch nicht begründbar

Ein solches theologisch nicht begründbares Attribut gehörte zu einem Kind des späten Mittelalters. Man war machtlos gegen Kinderkrankheiten und versuchte sich mit dem Abwehrzauber, der in solchen Amuletten selbst nach kirchlichem Segen oder gerade mit einem solchen vermutet wurde, entgegenzuwirken. Denn auch bei heute normalen Infektionen hatte man nichts mehr als den Glauben. So hängte man den Kleinen eine solche „Fraiskette“ um, gegen Fieber, Fieberkrämpfe und sonstige Beschwerden. Selbst bei Zahnschmerzen vertraute man der Magie.

Nachdem Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch geglaubt werden soll, kann die Theologie auf die Frage „hätte Jesus überhaupt jemals krank werden können?“ nur mit Allgemeinplätzen aus der Schrift antworten. Und nur wenn, wie heute noch, leider – zumindest von von manchen Menschen – eine Krankheit als Bestrafung für sündhaftes Verhalten angesehen wird, muss das klar verneint werden, denn Jesus war Mensch bis auf die Sünde.

DK