Ingolstadt
Zwei Bilder, ein Gedanke

Künstlerinnenduo Petalee zeigt "Systemvisionen" in der Harderbastei - Vernissage am Samstag

03.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:49 Uhr
Inspiriert von Kindheitserinnerungen sind diese beiden Bilder der Künstlerinnen Tatjana Lee (links) und Patricia Petapermal. Zur Eröffnung ihrer Ausstellung sprechen am Samstagabend in der Harderbastei Kulturreferent Gabriel Engert und Werner Kapfer, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler Ingolstadt und Oberbayern Nord. Los geht es um 19 Uhr. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Wer einem Maler bei der Arbeit zusieht, sollte es tunlichst vermeiden, selbst zum Pinsel zu greifen und seine eigene Idee auf dem entstehenden Kunstwerk zu ergänzen.

Das kann nur Ärger geben. Die beiden Künstlerinnen Tatjana Lee und Patricia Petapermal haben sich allerdings gerade diese Arbeitsweise zu eigen gemacht. Und sie verstehen sich prächtig. Für ihre aktuelle Ausstellung "Systemvisionen" im Rahmen der Reihe "Kunststücke" in der Harderbastei (Vernissage am Samstag, 7. März, ab 19 Uhr) haben sie in nur einem Jahr 20 großformatige Bilder geschaffen. Die Zusammenarbeit geht bei den beiden Malerinnen so weit, dass sie sich einen gemeinsamen Künstlernamen gegeben haben: Petalee nennt sich das kreative Duo.

Ihre Kooperation bedarf großen Vertrauens. Im Atelier beginnt jede auf einer Leinwand mit der Arbeit, schafft einen Grundgedanken. Dann übernimmt die andere die Leinwand und ergänzt ihre Vorstellungen. Das geht meist zweimal hin und her, bis die Initiatorin des Bildes das Gemälde fertigstellt. "Es ist ein Dialog", erklärt Petapermal. "Das Bild entwickelt sich wie auf einer Treppe, Stufe für Stufe weiter. " Lee schätzt die "besondere Dynamik und Energie", die bei dieser Arbeitsweise entsteht. Dabei gehört es zu den Herausforderungen, zu akzeptieren, dass eigene Aspekte der Arbeit von der anderen Künstlerin nicht nur ergänzt, sondern übermalt und zerstört werden.

In den Bildern von Petalee manifestieren sich Themen, die dieKünstlerinnen aktuell bewegen. Die sind oft dieselben. Das mag überraschen, wenn man die unterschiedlichen kulturellen Wurzeln der beiden sieht. Tatjana Lee ist die Tochter eines deutsch-koreanischen Paars, Patricia Petapermals Eltern stammen aus Indien und Frankreich. Dennoch: "Es gibt viele Parallelen", sagt Lee. Beide haben sich in ihrer Jugend nie als "fremd" empfunden, erzählen sie. "Ich fühle mich zu 100 Prozent deutsch", betont Lee. So manche irritierende Alltagserfahrung oder unbeholfene Nachfragen von Mitmenschen haben die beiden Frauen aber zur Auseinandersetzung mit ihren Wurzeln veranlasst. "Die Frage nach Identität, ,Was macht mich aus? ' ,Wo liegen meine Ursprünge? ' sind dadurch zentral für unsere Arbeit geworden", berichtet Petapermal. In einem Bilderpaar haben die Malerinnen unter anderem Texte aus ihrer Kindheit verarbeitet. Das koreanische Lied "Santoki" (deutsch: "Berghase") entspricht etwa dem hier allseits bekannten "Alle meine Entchen". Für Petapermals Werk "Little Prince" stand Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" Pate.

In ihrer Arbeit verhandeln Petalee auch globale Themen wie die durch Fridays for Future angeregte Klimawandel-Diskussion, Kriege, Umweltzerstörung, Naturfrevel. Manche Bilder wirken dystopisch. Aber: "Es gibt immer Hoffnung", betont Petapermal. Auch Lee ist sicher: "Meine drei Töchter verändern die Welt zum Guten. "

Die "Systemvisionen" sind aber nicht nur eine Ausstellung von Petalee, sondern auch von Tatjana Lee und Patricia Petapermal. Die Künstlerinnen zeigen zusätzlich eigene, selbstständige Arbeiten. Lee präsentiert unter anderem seltsame, fast außerirdisch wirkende Figuren in Einweckgläsern. Fremdartig und doch vertraut glupschen sie dem Ausstellungsbesucher entgegen. "Private Exhibitionisten" nennt die Künstlerin die Figuren. Sie stehen für das Innerste eines Menschen, verheimlichte Spleens, seltsame Angewohnheiten, Marotten, die man nie preisgeben würde. Hier sind sie allegorisch ausgestellt.

In Petapermals Arbeiten begegnet der Betrachter immer wieder Stühlen. Sie sind auf Leinwände gemalt oder in kleinen Skulpturen verarbeitet. "Das Thema begleitet mich seit Jahren", berichtet die Künstlerin. Das Motiv erinnert an ein einschneidendes Erlebnis: Bei einem Unfall im Jahr 1993 wurde Petapermal schwer verletzt. Über Monate war sie zuerst an das Bett, dann an einen (Roll-) stuhl gefesselt. In dieser Zeit reifte in ihr der Entschluss, ihre Arbeit an der Pariser Börse aufzugeben und sich ganz der Kunst zu widmen. Das nächste Ziel auf dem Weg dorthin war ein Stuhl in der Ecke ihres Krankenzimmers, den sie eines Tages wieder auf eigenen Beinen erreichte. In dieser Erfahrung liegt eine weitere Erkenntnis, die sich in der sehenswerten Ausstellung immer wieder findet: Egal, wie schwarz und dunkel ein Bild oder eine Situation sein kann, irgendwo gibt es immer einen Grund, optimistisch zu bleiben.

"Systemvisionen" in der Harderbastei, Oberer Graben 55. Von Samstag, 7. März, bis Sonntag, 29. März, jeden Donnerstag und Freitag von 16 bis 20 Uhr, am Wochenende von 11 bis 20 Uhr.

DK