Ingolstadt
Wo sich Orient und Okzident treffen

Start der Mittwochkonzerte in der Harderbastei mit dem faszinierenden Berlin Oriental Quartett

16.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:49 Uhr
Aus unterschiedlichsten Traditionen hat das Berlin Oriental Quartett eine gemeinsame musikalische Sprache entwickelt, die ohne Worte auskommt: (von links) Alexey Kochetkov, Wassim Mukdad, Or Rozenfeld und Aidan Lowe. −Foto: Pehl

Ingolstadt - Besser hätte es nicht laufen können: Den Start der Mittwochkonzerte in der Harderbastei in die neue Saison gestaltete das Berlin Oriental Quartett mit einem fulminanten Auftritt.

Kompliment an Joey Finger, der im Auftrag des Kulturamts diese Reihe konzipiert hat.

Das Berlin Oriental Quartett ist ein neues instrumentales Ensemble, das sich zum Ziel setzt, "die arabisch-orientalische und europäische klassische Musik durch den Spiegel der heutigen multikulturellen Realität zu beobachten". Dazu braucht es weder einen schwarzen Anzug noch zwei Geigen, Bratsche und ein Cello, wie in der Harderbastei zu sehen war. Wassim Mukdad (Oud), Alexey Kochetkov (Violine), Or Rozenfeld (Kontrabass) und Aidan Lowe (Schlagzeug), der den Percussionisten Peter Kuhnsch vertrat, präsentieren sich vom Outfit her auf der Bühne mindestens genauso locker, wie sie ihre Musik darboten: Ein multikulturelles Erlebnis über Zeit-, Stil- und Genregrenzen hinweg.

In ihrem Programm präsentieren sie facettenreiche Bearbeitungen traditioneller arabischer Lieder, sowie "orientalisierte" Versionen bekannter Stücke der europäischen Klassik. Das Repertoire der Band besteht aus erfrischenden Arrangements der arabischen und europäischen Evergreens sowie aus eigenen Kompositionen der Ensemblemitglieder. Dazu zählen Stücke wie "Sahara", "Alhambra" oder "Kurdance", die - wie die Namen schon besagen - von der Musiktradition des Nahen Ostens inspiriert sind. Zeitlose Stücke in einem nie aufhören wollenden Fluss, die den Zuhörer in seinem Innersten berühren, die ihn mitnehmen auf eine Klangreise durch eine Welt, die die meisten nur als Touristen kennen.

Richtig spannend wird es, wenn das Quartett Kultur- und Stilgrenzen überwindet, wenn ein traditionelles Stück wie "Longa Sunbati" aus Ägypten mit Samba-Rhythmen gemischt wird. Oder die europäische Klassik ganz anders daherkommt. Jeder kennt wohl das "Ave Maria" von Bach-Gounod - aber in einer orientalischen Version präsentiert sich das Stück richtig beschwingt und offenbart neue Facetten. Weitere Beispiele für den musikalisch-kulturellen Crossover waren der Walzer in a-moll von Chopin oder "Für Elise" von Beethoven.

Den vier Musikern fällt dergleichen nicht schwer, kommen sie doch aus völlig unterschiedlichen Kulturen. Or Rozenfeld stammt aus Israel und lebt seit einigen Jahren in Berlin. Wassim Mukdad stammt aus Syrien, war bereits Teil mehrerer Theater- und Opernaufführungen, zum Beispiel am Maxim Gorki Theater und der Komischen Oper Berlin. Er performte bereits in Deutschland, Dänemark und Schweden und spielt in diversen Formationen mit, die die arabische und die westliche Musiktradition gleichberechtigt pflegen und miteinander weiterentwickeln. Alexey Kochetkov ist Musiker, Komponist und Initiator mehrerer Projekte in Berlin, wo der gebürtige Russe gleichsam fast schon so etwas wie ein Symbol für multikulturelle Koexistenz darstellt. Er schreibt auch Filmmusiken und Sounds für elektronische Projekte. Aidan Lowe schließlich stammt aus Australien, wo er als Jazzer in diversen Combos gespielt hat, und ist jetzt auch in Berlin angekommen.

So unterschiedlich die Musiker auch sein mögen - sie haben eine gemeinsame musikalische Sprache gefunden, die ohne Worte auskommt. Die die jeweils eigene Identität nicht unterdrückt oder verwischt, sondern als Inspiration dient und auf einer anderen Ebene etwas Neues, Aufregendes, Unterhaltendes entsehen lässt. Und die die Zuhörer auf direkte Art und Weise anspricht und mitnimmt.

Auch die Musiker durchlaufen in ihrem Schaffen eine Entwicklung, sie bleiben nicht stehen, sondern streben nach Neuem. Deshalb war das Konzert in der Harderbastei der letzte Auftritt unter dem Namen Berlin Oriental Quartett. Der Name sei mittlerweile nicht mehr so zeitgemäß, finden sie. Deshalb treten sie in Zukunft als Ajam-Quartett auf. Ajam bedeutet so viel wie nicht-arabisch und meint zugleich in der Türkei und im Orient die aus dem Westen übernommene Tonart C-Dur.

DK

Bernhard Pehl