Ingolstadt
Wie man es nicht machen sollte

Dilettantische Geldautomaten-Sprengung in Lichtenau: Staatsanwalt fordert Gesamtstrafe von vier Jahren

24.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:30 Uhr
Beschädigt, aber nicht geknackt: Der Geldautomat in der Lichtenauer Raiffeisenbank-Filiale nach der Gasexplosion. Der Täter dürfte am Mittwoch vor dem Ingolstädter Landgericht verurteilt werden. −Foto: Ziegler/Archiv

Ingolstadt (DK) Es hat geknallt, und es gab auch einen gewissen Schaden - aber eben keine Beute: Als ein Duo aus dem Raum München im vorigen September den Tresor eines Geldautomaten der Raiffeisenbank in Weichering-Lichtenau mit einer Propangas-Explosion zu öffnen versucht hatte, war den Ermittlern der Kripo schnell klar, es hier eher mit Amateuren als mit Profi-Gangstern zu tun zu haben.

Dennoch führte am Tatbestand der "Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion", wie es juristisch formuliert heißt, nichts vorbei. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, soll ein 24-Jähriger aus Haar jetzt für diesen und eine weitere Sprengung sowie für einen Autodiebstahl vier Jahre im Gefängnis verbringen.Dieser Montag war am Ingolstädter Landgericht, wo sich die 2. Jugendkammer seit Anfang Mai mit dem Fall befasst (DK berichtete), der Tag des Sachverständigen und der Plädoyers. Ausführlich ließen sich die Richter von einem Physiker des Landeskriminalamtes erklären, warum die Anschläge auf die Giromaten in Weichering und zwei Tage zuvor in Fahrenzhausen (Landkreis Freising) nicht den von den Tätern erhofften Erfolg gebracht hatten.

Demzufolge hatten die beiden Taten zwar grundsätzlich das Potenzial, die Tresore zu knacken, doch eine ganze Reihe von Komponenten - einige rein vom Zufall abhängig - hatten die Wirkung der Explosionen deutlich abgeschwächt. Der Fachmann erläuterte, dass das Hantieren mit Gas-Luft-Gemischen zwar allemal (auch für den Verursacher) gefährlich ist, dass aber für einen optimalen Sprengeffekt (hoher Explosionsdruck) ganz wesentlich die richtige Gasmenge und das richtige Mischungsverhältnis mit der Umgebungsluft am richtigen Ort entscheidend ist.

Das war aber in beiden Fällen wegen des amateurhaften Vorgehens der Täter nicht gelungen. Sie hatten zwar mit einem Schlauch aus einer mitgebrachten Campinggasflasche Propan in die Geldautomaten eingeleitet, bei der Zündung mit Lunten aus Bremsflüssigkeit jedoch nur sachtere Verpuffungen ausgelöst. Die Automaten (vor allem ihre elektronischen Komponenten) wurden zwar erheblich beschädigt, die Geldkammern aber blieben verschlossen. Der Gutachter: "Diejenigen, die das können, die machen das anders."

Dennoch: Ein Sprengstoffanschlag ist ein Verbrechen, und bereits der Versuch ist strafbar. Staatsanwalt Martin Sokoll ging in seinem Schlussvortrag sogar davon aus, dass in beiden Fällen von tatsächlich ausgeführten Taten gesprochen werden muss, weil jeweils nur zufällige Umstände einen Erfolg verhindert hatten. Ziel sei beide Male das erhoffte Bargeld gewesen. Außerdem hätten die Explosionen ein "hohes abstraktes Gefährdungspotenzial" gehabt. Sokoll forderte für die Sprengungen Einzelstrafen von zwei Jahren und einem Jahr und neun Monaten, für den bereits erwähnten Autodiebstahl nochmals zweieinhalb Jahre - unterm Strich eine Gesamtstrafe von glatt vier Jahren.

Verteidiger Matthias Trepesch (München) möchte seinen geständigen Mandanten, der bereits neun Monate in Untersuchungshaft hinter sich hat, angesichts dieser Erfahrung mit einem Jahr und elf Monaten zur Bewährung davonkommen lassen. Man müsse schließlich erkennen, so der Rechtsanwalt, dass hier "eines der denkbar blödesten Verfahren" zur illegalen Geldbeschaffung an Giromaten angewandt worden sei - "jeder Polen-Böller hätte einen größeren Effekt gehabt."

Die Kammer unter Vorsitz von Jürgen Staudt will ihr Urteil am Mittwoch verkünden - auch zu einem zweiten Angeklagten, der aber ausschließlich am Verschwinden des bewussten Autos beteiligt gewesen ist, wie er auch bereits gestanden hat. Dieser 31-jährige Mann hatte dem 24-jährigen Bekannten beim Weiterverkauf des am Münchner Flughafen mit Hilfe eines aufgefundenen Zündschlüssels erbeuteten BMW vom Typ M6 behilflich sein wollen.

Die Männer hatten den Wagen eines bekannten Autovermieters bis nach Serbien gefahren, wo sie aber von den Abnehmern gehörig übers Ohr gehauen wurden. Gerade mal 8000 Euro hatte ihr Erlös für den Luxusschlitten ausgemacht, der nach Erkundigungen des Gerichts noch einen realistischen Marktpreis von (netto) 55000 Euro gehabt hätte. Für diesen materiellen Schaden sollen die beiden Angeklagten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nun auch als Gesamtschuldner aufkommen. Für den Hehler fordert der Anklagevertreter zudem zweieinhalb Jahre Haft, während Verteidigerin Carmen Wieser (ebenfalls München) acht Monate zur Bewährung für ausreichend hielt.

Der zweite Mann, der seinerzeit (mutmaßlich) bei den Gasexplosionen mit im Bunde war, muss sich nicht mehr vor Gericht verantworten - er hatte im vergangenen Januar in der Untersuchungshaft Selbstmord verübt. Das hat offenbar auch seinen Mittäter tief beeindruckt. Der Tod seines Freundes habe ihn schwer getroffen, erklärte der 24-Jährige in seinem Schlusswort.

Bernd Heimerl