Ingolstadt
Widerspruch aus dem Jobcenter

Behörde weist einen Bericht der "Bild"-Zeitung zurück - dem zufolge sie besonders nachlässig sei

30.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:16 Uhr

Ingolstadt (DK) Wird im Jobcenter Ingolstadt geschlampt?

Das zumindest schrieb die "Bild"-Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe. Die Zeitung hatte sich bundesweit die Widersprüche gegen Hartz-IV-Bescheide im ersten Halbjahr angesehen und sie mit der Zahl der wegen fehlerhafter Rechtsanwendung stattgegebenen Einsprüchen verglichen. Bei 177 Widersprüchen und 70 Rechtsfehlern kommt die Zeitung in Ingolstadt auf eine Fehlerquote von 39,5 Prozent - das bedeutet Platz zwei unter allen deutschen Jobcentern - hinter dem Landkreis Oder-Spree (Fehlerquote: 48,9 Prozent).

Isfried Fischer, Leiter des Ingolstädter Jobcenters, findet die Methode fragwürdig: Schließlich seien die Widersprüche tatsächlich alle im ersten Halbjahr eingelegt worden, die eingestandenen Rechtsfehler der Behörde stammten aber auch von Bescheiden aus dem vergangenen Jahr - so könne man die Zahlen nur schwer miteinander in Relation setzen.

Viel wichtiger sei außerdem, so sagt Fischer, dass es 70 Rechtsfehler bei rund 9300 erteilten Bescheiden gegeben hätte. Das wäre dann eine Quote von 0,75 Prozent. "Da kommt halt keine Schlagzeile raus", sagt Fischer und ärgert sich: "So etwas erschwert unsere Arbeit, das verunsichert auch die Menschen, die Leistungen beziehen. " Dabei sei das System mit den Widersprüchen gut für die Bezieher von Hartz IV. Sie müssten erst einmal nicht vor Gericht, um gegen einen Bescheid zu klagen, sondern könnten ihn von derselben Behörde überprüfen lassen - und wüssten, dass ihr Bescheid dann in der Regel stimmt. Die Zahl derer, die dann tatsächlich gegen einen noch mal überprüften Bescheid klagen, sei sehr niedrig. 60 Klagen seien aus den vergangenen Jahren anhängig, sagt Fischer. Das sei vergleichsweise gering, im Bundesdurchschnitt werde gegen 5,7 Prozent aller Bescheide geklagt.

"Es gibt sicher Jobcenter, bei denen es noch weniger Fehler als bei uns gibt", sagt Fischer. "Aber unsere Zahlen sind kein Grund, uns so an den Pranger zu stellen. " Darüberhinaus finde er, dass die Zahl der Widersprüche kein Gradmesser für die Qualität der Arbeit sei. "Es geht doch um die Frage: Wie hoch ist die Arbeitslosenquote, wie viele Menschen bringen wir in Arbeit. " Und da sei die Statistik hervorragend.

Auf den "Bild"-Artikel hin meldete sich gestern ein Ingolstädter in einem Facebook-Forum zu Wort. Der Vater zweier kleiner Kinder sucht nach eigener Aussage seit anderthalb Jahren einen neuen Arbeitgeber, der ihn zu Bedingungen einstellt, die im Einklang mit der nötigen Betreuung seiner Kinder sind - kein leichtes Unterfangen. Der Mann schreibt, dass die Mitarbeiter im Jobcenter sehr freundlich sind und versuchten, ihm zu helfen, allen voran Isfried Fischer. Allerdings sei auch sein erster Bescheid fehlerhaft gewesen - worauf er die Mitarbeiter dort habe hinweisen müssen. "Ich empfehle jedem, der Leistungen zur Grundsicherung erhält, prüfen Sie Ihren Bescheid auf Fehler und gehen Sie in eine der kostenlosen Beratungsstellen bei der Caritas, Diakonie, JMD usw. ", schreibt der Mann. Als letzte Möglichkeit gebe es dann noch die Rechtsantragstelle des Amtsgerichts. Dort könne man sich einen Beratungsschein holen, zahle rund 25 Euro für eine anwaltliche Beratung und bekomme im Fall einer Klage Prozesskostenhilfe.

Die SPD-Stadtratsfraktion nahm den Bild-Artikel gestern zum Anlass, das Jobcenter in einer Pressemitteilung aufzufordern, in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses den Gründen für die Fehler nachzugehen "und Maßnahmen vorzustellen, wie die Fehlerquote verringert werden kann", wie es in der Mitteilung heißt.

Thorsten Stark